EINUNDZWANZIG

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Ich antworte nicht. Ich kann nicht. Meine Kehle ist wie zugeschnürt.
„Sie...", krächze ich. Piper sieht mich verwirrt an.
„Folgen Sie mir doch Alice. Ich denke, wir sollten unter vier Augen sprechen." Ich würde lieber unter einem E-Drive liegen, als ihr zu folgen. Doch sie lässt keinem Widerspruch zu und geht einfach voraus.
„Woher kennt-", Piper kann ihren Satz nicht beenden, denn ich folge der Dame bereits. Vielleicht weiß sie ja, wo Will ist. Ich gebe James und Piper ein kurzes Zeichen, dass sie warten sollen.

„Setzt dich doch", die Frau deutet auf den Stuhl, gegenüber von ihr. Der Raum, den wir betreten haben, ist komplett weiß. Genauso wie die Klamotten von der Dame, die mir damals meinen besten Freund genommen hat und es jetzt wahrscheinlich wieder getan hat.
Ich nehme Platz, entspanne mich jedoch kein Stück.
Angespannt sehe ich sie an.
„Wo ist er?", ich spreche jedes Wort deutlich aus. Mir ist bewusst, dass ich hier gerade vor einem Mitglied der Macher sitze, doch diese Frau hat meinen Respekt nicht verdient.

Ihre Mundwinkel zucken.
Oh, natürlich macht ihr das hier großen Spaß. Sie legt ihr Hände gefaltet auf den Tisch vor sich.
„Fangen wir doch erst einmal von vorne an. Mein Name ist Vasara Elle. Ich bin eine der Stellvertretende Leiter des Systems, welches so wunderbar funktioniert und den Frieden bewahrt."
Das habe ich noch nie begriffen. Was dieses komplette System mit Krieg und Zerstörung zutun hat. Zwar haben wir in der Schule hierzu einiges erfahren, aber dieser Punkt hat meiner Meinung nach, noch nie eine logische Erklärung bekommen.
„Wir schaffen die perfekten Paare und erlösen die Welt damit von Eifersucht, Hass und Betrug."
Ich sehe sie zweifelnd an. Wir hatten schon ewig keinen Krieg mehr, aber ob das an diesem System liegt...
Meine Geduld ist aber auch schon vor mehreren Stunden verschwunden, deshalb denke ich nicht mehr darüber nach, sondern stelle sie erneut zu Rede.
„Wo ist William?!" Ich werde immer lauter. Sie soll sich endlich dieses unechte Lächeln aus ihrem Gesicht streichen, ansonsten werde ich wahnsinnig!

Langsam streicht sie sich die Haare nach hinten, die vorher schon perfekt saßen. Vasara sieht mich an und neigt den Kopf ein wenig. „Das System beruht darauf, dass-"
Ich springe auf und haue mit meiner flachen Hand auf den weißen Tisch.
„Es ist mir verdammt nochmal egal, was dieses bescheuerte System kann und soll und...argh! Ich will nur wissen wo William ist! Er kann doch nicht einfach so..."
In diesem Haus wird man nur unterbrochen, wirklich.
„Ihr habt euch nicht an die Regeln gehalten. Denkt ihr, dass das System vergisst? Denkt ihr, wir lassen das durchgehen?! Ihr zwei habt gegen mehr als eine Regel verstoßen! Ich lasse nicht zu, dass ihr damit durchkommt und womöglich auch noch glücklich lebt! Ihr werdet mir mein System nicht kaputt machen!" All die Ruhe ist aus ihrer Stimme verschwunden. Sie steht jetzt ebenfalls und sieht mir in die Augen.
Sie weiß, wo er ist. Sie hat uns erneut getrennt.
„Ihr perfektes System denkt aber, dass er und ich zusammen gehören. Wenn sie uns also trennen, verstoßen sie gegen das System."
Vasara sagt nichts, sondern schaut mich nur an.

„William Jackson hat keinen Namen erhalten. Das System hat mit euch einen Fehler gemacht und ich werde diesen nun bereinigen. Du wirst von mir nicht erfahren, wo er ist. Niemand wird es dir sagen! Ihr werdet die ersten sein, die öffentlich ihr restliches leben alleine verbringen. Das perfekte Beispiel, um zu zeigen, was passiert, wenn man die Regeln bricht. Und solltest du irgendetwas von diesem Gespräch weitergeben, darfst du zusätzlich ins Martyrium gehen und dort dein Leben leben. Noch Fragen?"
Es herrscht absolute Stille im Raum. Vielleicht sind meine Gedanken auch wieder mit mir durch gegangen. Das gerade kann sie nicht gesagt haben. Das ist so absurd... Mein Schweigen nimmt sie als Antwort.
„Schön, dann wäre das ja geklärt", sie streckt mir die Hand entgegen.
Ich sehe auf diese und begreife erst in dem Augenblick, was gerade passiert ist.
„Nein!", rufe ich.
„Nein?"
„Das muss ein Witz sein! Sie können uns doch nicht einfach trennen. Sehen sie nicht, dass das alles kaputt machen würde? Menschen würden Aufstände anzetteln, wenn sie von ihrem Plan erfahren, das ist doch verrückt..."
„Wen interessieren schon zwei Kinder  aus West Ambridge?", das Wort Kinder spuckt sie mir förmlich entgegen.

Wenn sie der Meinung ist, dass das funktioniert. Wenn sie denkt, dass das 'ihr' System aufrecht erhält. Schön, spielen wir dieses Spiel.
Ich schüttele ihre Hand und während ich dies tue, entwickelt sich eine waghalsige Idee in meinem Kopf.
„Ok, es bleibt unter uns." Meine Stimme klingt stumpf und ich versuche keinerlei Emotionen zu zeigen.
Sie sieht ein wenig verwirrt auf unsere Hände. Mein plötzlicher Umschwung hat sie misstrauisch gemacht. Doch der Augenblick vergeht schnell und sie setzt wieder ihr teuflisches Lächeln auf.
„Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen" , sie lässt meine Hand los und deutet auf die Tür.
Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um.
Dieses Gespräch bleibt auf keinen Fall unter uns.

Find Him - Looking for Will (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt