SECHSUNDZWANZIG

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William

Die Dunkelheit umgibt den Wagen. Es ist still. Niemand traut sich etwas zu sagen. Sie sind jetzt auf der Flucht.
William klammert sich an dem Griff neben ihm fest. Der Wagen ruckelt bei jedem kleinen Stein, der unter die Reifen kommt. Wie alt ist dieses Teil?
Ein hohes Pfeifen lässt ihn zusammenzucken. Das Pfeifen wird zu einer Melodie. Dann bemerkt er, dass Alexander die Töne von sich gibt.
Sein Herz, welches eben noch doppelt so schnell schlug, beruhigt sich wieder.
Cel quetscht sich durch die Vordersitze. „Was zur Hölle? Ich habe mich des Todes erschrocken!" Er schaut in Alexanders Richtung. Der gibt nur ein amüsierten Laut von sich.
„Jetzt macht dir Mal nicht ins Hemd. Die Stimmung hier im Auto ist so schlecht wie Peggys Fahrstil."
„Hey", meldet sich Peggy von rechts.
Cel gibt auf und schmeißt sich in den Sitz zurück.
„Auto?" William war sich nicht ganz sicher wovon Alexander sprach.
„Auto. Du sitzt in einem Auto", Alexander dreht sich zu ihm. „Ist nicht ganz so schick wie ein E-Drive, aber funktioniert!"
„Noch...", wirft Cel dazwischen.
Alexander klopft stolz auf seinen Sitz.
„Ja, es sei denn Peggy fährt so weiter", Alexander dreht sich wieder nach vorne.
„Halt die Klappe! Ich bin die einzige die dieses Ding hier bedienen kann, also beschwert euch nicht!", Peggy beschleunigt noch etwas und Williams Hand ist erneut am Griff.
„Und warum holt ihr euch kein E-Drive?", William spricht langsam und versucht sich zu beruhigen. Wenn Peggy noch schneller fährt, wird sich sein Mittagessen wieder zeigen.
„Die Macher mögen uns zwei nicht so sehr", gibt Peggy kleinlaut von sich.
„Was für eine Untertreibung", Alexanders Tonfall klingt bitter.
„Wenn man sich nicht anpasst, wird man ausgestoßen", Peggy zuckt mit den Schultern.
„Als wir nach sechs Jahren "Partnerschaft" noch immer keinen Antrag an die Macher stellten, um zu heiraten, fingen sie an uns zu beobachten. Wir beide finden nämlich, wir passen rein gar nicht zusammen und haben außerdem nicht einmal Gefühle füreinander.", erklärt Alexander dem verwirrten Will.
„Unsere Eltern fingen plötzlich auch an uns in eine Ehe zu zwingen. Was soll der Dreck? Früher lief das auch nicht so", Peggys lehnt sich etwas über den Lenker. „Und weil wir uns nicht Lieben, denken sie wir sind gegen sie. Stimmt auch."
William hat nie wirklich über die Vergangenheit nachgedacht. Für ihn ist das System logisch. Er kennt nichts anderes. Natürlich hört man Gerüchte über die damaligen Zeiten, aber darüber zu spekulieren ist verboten.

William sitzt still hinter den beiden. Er verschränkt seine Finger und starrt nach draußen in die Dunkelheit.
Hat er Gefühle für Alice? Wie fühlt sich so etwas an?
Er vermisst sie schon, aber er vermisst auch seine Freunde und Familie, also was soll das schon bedeuten?
„Wir sind bald da", Peggys Stimme klingt wieder normal, jedoch flüstert sie jetzt wieder.
William richtet sich auf und schaut nach vorne hinaus. Kurz darauf fährt der Wagen auf ein Gelände. Von den vielen Laternen auf dem Grundstück leuchtet nur eine ganz blass. Sie bestrahlt ein Gebäude, welches die Form eines einfachen Kasten hat.

Williams Herz beginnt zu rasen. Das hier kann alles immer noch eine Falle sein. Er braucht einen Plan, falls das hier schief läuft. Unter dem Griff, an welchem er sich kurz zuvor festgeklammert hatte, findet er eine Stange aus Eisen. Die Stange ist an der Spitze gebogen und hat zwei Spitzen. Er hat keine Ahnung wozu diese gut sein soll, aber für etwas Selbstverteidigung sollte es reichen.
Seine Finger wickeln sich um den kalten Griff.

Das Auto hält und alle steigen aus. William wartet noch einen Augenblick, hält die Stange an seinem Körper gepresst und folgt den anderen. Niemand hat ihm gesagt, was jetzt passiert oder wo sie sind.

„Hier lang." Alexander flüstert und signalisiert ihnen mit einer Handbewegung ihm zu folgen.
Die drei rennen hinter ihm hinterher. Der Kasten, der eben noch relativ klein schien, wird immer riesiger.
Sie erreichen die große Stahltür und halten ihren Atem an.
Recht von Will ist ein Touchpad. Peggy quetscht sich neben ihn und gibt einen Code ein. Alle warten gespannt und sehen zur Tür.
Williams Herz schlägt so schnell, er glaubt, alle anderen würden es hören können.
Das Touchpad piept und sie alle zucken zusammen. „Mist!" Der Code scheint nicht korrekt zu sein. Peggy versucht es erneut und wieder umgibt sie eine unheimliche Stille. Dann gehen die Türen des Tores auf.

Alice

„Hier müssen wir raus", Jules löst ihren Gurt und die Türen des E-Drives öffnen sich.
Piper und ich folgen ihr in die Kälte.
„Sind wir da?", Piper hackt sich bei mir ein und wir drücken uns aneinander um die Kälte auszuschließen.
Es ist mitten in der Nacht und der Wind verursacht Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Die Jacke, die ich mir mitgenommen hatte hilft gar nicht. Vielleicht liegt es aber auch ein bisschen an der Aufregung.
„Nein, noch lange nicht", antwortet Jules und geht voraus. „Mein E-Drive kann aber nachverfolgt werden, deshalb parken wir ihn hier und gehen den Rest zu Fuß."
Piper und ich folgen ihr.
„Und du bist dir sicher, dass dein Mann es geschafft hat?"
„Ich weiß es nicht. Er hat das nicht zum ersten Mal gemacht, aber jedes Mal ist es ein Risiko", die Antwort beruhigt mich kein bisschen.

Nach mehreren hundert Metern beginnen meine Beine zu schmerzen. Meine Augenlider werden schlapp und ich wünsche mir nichts mehr als mein Bett. Und Will.
Ich muss mich fokussieren.
Hier geht es nicht mehr nur um mich und Will. Es geht jetzt um so viel mehr.
„Wann sind wir da?", fragt Piper und das letzte Wort geht in einem Gähnen unter. Ich schmunzel.
„Ich weiß es nicht genau. Höchstens noch 20 Minuten. Wir sind schon am Wald vorbei. Es kann nicht mehr weit sein."
Mein Herz schlägt einen Takt schneller und ich werde wieder wacher. Vielleicht sehe ich William gleich wieder. Dabei fällt mir etwas ein, was ich Piper schon vorhin fragen wollte.
„Hast du schon etwas von James gehört?" Ich schaue in ihre Richtung, doch es ist so dunkel, dass ich ihren Blick nicht erkennen kann. Trotzdem merke ich, wie sie sich anspannt.
„Nein, gar nichts." Ich lege mein Arm um ihre Schulter, um sie zu beruhigen.
„Ihm geht es bestimmt gut und vielleicht hat er ja etwas von Wills Vater gehört" Piper antwortet darauf nichts und so verbringen wir die folgenden Minuten im Stillen.

„Ist es das?" Vor uns ist schwach ein Zaun erkennbar, nur eine Laterne beleuchtet das gesamte Gelände.
„Ja", kommt es von Jules. „Jetzt müssen wir nur noch reinkommen."

Find Him - Looking for Will (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt