C H A R L I E
Über den Wolken, Januar 2016
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„Hast du Angst vorm Fliegen?"
Niall musterte mich eingehend, während ich versuchte meine Kopfhörer aus dem Seitenfach meines Rucksacks zu fischen. Ich konnte sein amüsiertes Grinsen regelrecht vor mir sehen. Wirklich übelnehmen, konnte ich es ihm jedoch nicht. Für Außenstehende machte es wahrscheinlich wirklich den Eindruck, als würde ich jeden Moment in Panik ausbrechen.
Seitdem wir beim Check-In waren, hatte ich kaum ein Wort von mir gegeben. Viel zu groß waren die Eindrücke, die sich mir boten. Ich war bisher nur einmal in meinem Leben geflogen und daran konnte ich mich nun kaum mehr erinnern. Es war auch gar nicht der Rede wert, denn es war ein kurzer Flug nach Sizilien mit Nathan und meinen Eltern.
Damals hatte mein Onkel Luke eine flüchtige Urlaubsbekanntschaft auf dieser Insel gemacht und sich Hals über Kopf in eine temperamentvolle Kellnerin verliebt. Da mein Vater bereits die italienischen Landschaften auf dem Festland unsicher gemacht hatte, hatte er kurzerhand entschieden, einen Flug zu buchen und meinen Onkel bei seinem Aufenthalt auf der sonnigen Insel zu besuchen. Sizilien stand damals nämlich noch auf seiner Liste von Orten, die er unbedingt sehen wollte. Bereits einen Monat vor unserer Abreise hatte er von der Insel geschwärmt. Er berichtete von Weinreben und Olivenbäumen, die überall wucherten, von sonnengeküssten Früchten, der herrlichen Landschaft und kulinarischen Spezialitäten.
Es war ein Reinfall. Denn als wir im Hotel ankamen, war weder ein Zimmer gebucht, noch hatten wir eine Ahnung, wo Onkel Luke eigentlich steckte. Ausgelaugt waren wir ins nächste Taxi gestiegen und hatten das kleine Dorf nach freien Zimmern abgesucht. Erst Stunden später waren wir fündig geworden und erreichten Luke per Telefon. Der hatte sich nämlich mit seiner Urlaubsliebe einen handfesten Streit geliefert und wollte so schnell wie möglich das Weite suchen und die Insel am liebsten nie wieder betreten.
Im Endeffekt hatten wir uns mit Onkel Luke das kleine Hotelzimmer geteilt und waren zwei Wochen durch Lebensmittelmärkte und historische Dörfer getingelt. Für Nathan und mich war das der erste und letzte große Urlaub gewesen, während unser Onkel an einem gebrochenem Herzen litt und den sterbenden Schwan gab.
„Charlie? Alles okay?" Niall warf mir einen fragenden Blick zu. Der schmale Gang war alles, was uns trennte. Hin und wieder quetschten sich vereinzelte Fluggäste durch und die letzten suchten ihre Plätze. Links neben mir am Fenster kramte Hannah nervös in ihrer Handtasche herum. Sie wirkte eigenartig blass um die Nase. Meine sonst so gelassene Freundin wirkte beinahe aufgelöst und ich musterte sie für einen Moment.
Ed und Niall hatten darauf bestanden, mindestens Sitze in der Business-Class zu buchen, nicht nur weil sie dann ihre Ruhe hatten, sondern auch, weil Niall es wurmte auf kleinstem Raum mit Fremden zu sein.
Ich hatte versucht mich dagegen zu wehren, denn ich wusste von Ed wie teuer die Flugtickets waren. Doch nach kurzem Protest ließ ich nach und Stuart kümmerte sich wie selbstverständlich darum. Keine Ahnung, wie er das so kurzfristig hatte ändern können, aber war man Ed Sheerans Manager, dann war ich mir sicher, er kannte jemanden, der jemanden kannte, der sich darum kümmerte. Nun saßen Hannah und ich am Fenster und Niall saß neben Ed in der mittleren Reihe.
Für mich war es allerdings komisch zu wissen, dass sich Eds Manager um unsere Tickets kümmerte. Für Ed war das mittlerweile Alltag, für mich war das wahrer Luxus. Mein bester Freund war es gewohnt, dass andere für ihn den roten Teppich ausrollten, wann immer er unterwegs war. Auch wenn er selbst kein Problem damit hatte sich die Hände schmutzig zu machen, denn er war immer bescheiden gewesen, genoss er es sichtlich, dass Stuart gewisse Sachen für ihn regelte.
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Fanfiction„Manchmal verlieren wir uns im Hier und Jetzt. Und manchmal braucht es den Himmel, um zu sehen, was uns am Boden hält." Charlie steht mit beiden Beinen mitten im Leben - Das glaubt sie zumindest. Denn als sie ihre kleine sichere Seifenblase verlässt...