C H A R L I E
London, September 2015
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Am nächsten Tag wurde ich durch Masons Getrampel im Wohnzimmer über mir geweckt. Jedenfalls ging ich davon aus, dass es Mason war, denn Amy war nicht im Haus und Mum war wahrscheinlich schon hektisch zur Arbeit aufgebrochen. Einen Moment musste ich tatsächlich darüber nachdenken, wie genau ich gestern nach Hause gekommen war, denn Niall hatte es nicht dabei belassen nur eine Runde zu schmeißen. Als die Sonne am heutigen Tag schon beinahe am Himmel zu sehen war, war nicht nur jeder ordentlich angetrunken gewesen, nein, ganz so wie Tom es voraus gesehen hatte, hatte der Ire jetzt Freunde für's Leben. Vor allem Big Fred war sehr von ihm angetan und hatte uns sogar ganz liebevoll nach Hause begleitet.
Das lag nicht nur allein daran, dass Niall großzügig Runde für Runde ausgegeben hatte, sondern vor allem daran, dass Ed ohne Hilfe nicht mal mehr gerade stehen konnte. Fred war sofort hilfsbereit vom Stuhl aufgesprungen und hatte sich den Rotschopf unter den Arm geklemmt. Niall und ich wären Ed sicherlich keine große Hilfe gewesen, denn auch wir hatten ordentlich zugegriffen. Auf dem Rückweg zu mir nach Hause brachen der Blonde und ich in unkontrolliertes Gelächter aus. Irgendwann hatte ich so laut losgebrüllt, dass in einem Vorgarten die Lichter angingen und Niall mich erschrocken am Ärmel mit sich zog und wir kichernd in Mrs Wellingtons Lorbeerbusch landeten.
Die Quittung für den Abend kam prompt am nächsten Tag. Nicht nur, dass die Schritte von oben ohrenbetäubend laut zu sein schienen, irgendwas bohrte sich schmerzhaft in meinen Rücken. Stöhnend rollte ich mich auf die andere Seite, um festzustellen, dass Niall zufrieden vor sich hin schlummerte und seine Füße mir verdächtig nah gekommen waren. Mir kam in den Sinn, dass weder Niall, noch ich zum Ende des Abends ansatzweise müde gewesen waren. Kurzerhand hatten wir Ed in mein Bett verfrachtet und uns auf die mickrigen Vorräte in meinem Kühlschrank und den Küchenschränken gestürzt.
Vollgepackt mit ungesundem Kram hatten wir uns auf mein Sofa geschmissen und im Fernsehen durch die Kanäle gewuselt, bis wir bei ein paar Cartoons stehen geblieben waren. Irgendwann sind uns dann wohl die Augen zugefallen, denn wir beide lagen nun verkrampft auf dem Sofa und der Fernseher lief noch. Niall hatte es anscheinend nicht mal mehr geschafft die Chipstüte auf den Tisch zu legen, denn das Plastik klebte förmlich an seiner nackten Haut am Oberarm und die Krümel waren über sein ganzes Shirt verteilt. Mein Gürtel drückte sich in meine Haut und ich setzte mich gähnend auf. In meinem Kopf drehte sich alles und ich bildete mir ein, ich könnte meinen Puls laut in meinem Schädel vor sich hin pochen hören.
Stumm betrachtete ich Niall und musste fast anfangen zu lachen. Einen Arm hatte er in den Nacken gelegt, der andere hing schlapp vom Sofa. Mit leicht geöffnetem Mund atmete er vor sich hin. Schnell tastete ich nach meinem Handy, welches ich auf dem Tisch erspähte und machte ein Bild von ihm. Ein lustiger Anblick war es alle Male und man wusste ja nie, wofür man so ein Bild mal gebrauchen könnte. Als ich mich dazu entschied aufzustehen und wenigstens die unbequeme Jeans gegen eine Jogginghose zu tauschen, riss ich mit meinem Arm das Glas Cola auf dem Tisch um.
Erschrocken fuhr Niall hoch und verteilte die Chipskrümel auf dem gesamten Sofa: „Wie spät ist es?"
„Kurz vor zwei. Warum, musst du weg?", fragte ich irritiert und versuchte hektisch die Cola davon abzuhalten, am Tisch runter zu tropfen.
„Nein, ich hab mich nur gewundert", entgegnete er und hielt sich die Hand an seine Stirn. Sein schmerzverzerrtes Gesicht gab mir den Anlass zu glauben, dass nicht nur ich einen Kater hatte, sondern auch er. „Ich hab nicht geschnarcht, oder?"
Eilig hastete ich in die Küche um ein Trockentuch zu holen, bevor ich ihm antwortete: „Nicht dass ich wüsste. Ich bin verwundert, dass du nicht an den Krümeln erstickt bist."
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Fanfiction„Manchmal verlieren wir uns im Hier und Jetzt. Und manchmal braucht es den Himmel, um zu sehen, was uns am Boden hält." Charlie steht mit beiden Beinen mitten im Leben - Das glaubt sie zumindest. Denn als sie ihre kleine sichere Seifenblase verlässt...