C H A R L I E
Bangkok, Februar 2016
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„Der wollte mir doch gerade tatsächlich zwanzig Kröten für diese scheiß Winkekatze abzwacken." Eds Gesicht war feuerrot. „In Japan und China kriegt man die Dinger hinterher geschmissen."
Gestern war er auf dem Balkon in unserem Hotel eingeschlafen, während Hannah und ich über einen der zahlreichen Märkte in Bangkok geschlendert waren. Als wir wieder im Hotelzimmer ankamen, lag er ganz entspannt auf der Liege und döste vor sich hin. Als ich ihn allerdings zu wecken versuchte, war er plötzlich hellwach und fluchte was das Zeug hielt. Sofort stupste er sich selbst mit den Fingerspitzen auf dem Oberarm herum. Diese hinterließen weiße Abdrücke, welche sich in Sekundenschnelle wieder rot färbten.
Schnell war er von der Liege gesprungen, fast so, als würde er jeden Moment, den er länger in der glühend heißen Sonne verbrachte, in Flammen aufgehen. Drinnen zeigte sich dann das ganze Ausmaß seines Nickerchens. Als er sich vorsichtig das Shirt über die Schultern streifte, sah es aus, als hätte er immer noch ein Oberteil an. Im Kontrast zu seinem beachtlichen Sonnenbrand, wirkte seine Haut noch viel weißer als sonst.
Den Rest des Abends jammerte er vor sich hin, als wäre er der sterbende Schwan höchstpersönlich. In der Hotellobby versuchte ich mich nach einer Apotheke zu erkundigen, welche ich zwei Straßen weiter auch fand. Jedoch konnte der schmächtige Thailänder in der Bruchbude kein Wort von dem verstehen, was ich versuchte zu sagen. Der kleine Laden fiel fast auseinander und wirkte alles andere als vertrauenerweckend. Über mir wackelte ein Deckenventilator verdächtig schwankend vor sich hin, die weißgelbe Tapete wies einige rissige Stellen auf und es roch stark nach gebratenem Essen, dessen Duft durch die offenen Fenster herein wehte. Mit Händen und Füßen gelang es mir dann schließlich, ihm das Wort Sonnenbrand zu erklären. Ich kam mir vor wie bei einer schlechten Partie Scharade, bei dem mein Gegenüber nur blöd aus der Wäsche guckte. Schnell bezahlte ich für das Aloe Vera Gel, das er mir auf den Tresen gestellt hatte und ging schnurstracks zum Hotel zurück.
Dieses Mal teilten wir uns zu viert ein Zimmer. Es war bei weitem nichts besonderes, doch es reichte für ein paar Nächte. In dem kleinen Raum fanden zwei Doppelbetten platz, die kaum breiter waren als eins zwanzig. Eine ganze Woche hatten wir es bereits hier ausgehalten, doch die letzte Nacht war besonders anstrengend gewesen.
Sowohl Ed - der sich wegen seines Sonnenbrandes kaum bewegen konnte - , als auch Hannah, wälzten sich im Minutentakt im Bett umher. Einige Male bekam Niall von dem Rotschopf einen Seitenhieb verpasst, Hannah hingegen platzierte ihre langen Fingernägel des öfteren an meinem Rücken. Durch die hellen Neonschilder von dem Imbiss gegenüber wurde ich unzählige Male wach und jedes mal, wenn ich meine Augen öffnete, starrte mich ein blaues Augenpaar müde an, denn Niall schien es nicht anders zu ergehen.
„Du stellst dich gerade wegen umgerechnet zwanzig Pfund an?", fragte Hannah Ed stirnrunzelnd.
„Es geht um's Prinzip", belehrte Ed sie. „Hättest du ihn gefragt, hättest du sicher weniger bezahlt als ich."
„Hannah sieht ja auch nicht aus wie ein europäischer Trottel, der noch nie was von Sonnencreme gehört hat", mischte ich mich ein und biss anschließend grinsend von von der Durianfrucht ab, die Niall und ich uns teilten.
Eine zugegeben eher unattraktiv wirkende Frucht, denn sie roch weder fruchtig, noch sah sie sonderlich ansprechend aus. Allerdings hatte Niall mich erneut zu meinem Glück zwingen müssen und so gab ich Minuten später nach. Dass das exotische Obst auch Stinkfrucht genannt wurde, verschwieg er mir so lange, bis ich den ersten Bissen herunter geschluckt hatte. Allerdings war der abscheuliche Geruch unverkennbar, als der Verkäufer uns das Teil mit ein paar schnellen Handbewegungen öffnete. Das gelbe Fruchtfleisch war butterweich, schmeckte ein wenig nussig und ich meinte, einen vanilligen Geschmack auf der Zunge zu schmecken. Hannah hatte sofort einen Rückzieher gemacht und vorsichtshalber direkt zwei Meter Abstand von mir genommen. Auch Ed kriegten wir nicht dazu, zu probieren.
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Fanfiction„Manchmal verlieren wir uns im Hier und Jetzt. Und manchmal braucht es den Himmel, um zu sehen, was uns am Boden hält." Charlie steht mit beiden Beinen mitten im Leben - Das glaubt sie zumindest. Denn als sie ihre kleine sichere Seifenblase verlässt...