38 » Ich kann dich denken hören

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N I A L L

London, März 2016

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Ich war ein Feigling. Ein elendiger Feigling.

Seitdem ich wieder bei klarem Verstand war und dem Whiskey ein für alle mal abgeschrieben hatte, waren drei Tage vergangen. Völlig zerknautscht war ich am Dienstag in Louis Gästebett aufgewacht und hatte sofort bereut, dass ich wie selbstverständlich Melissas Anruf angenommen hatte. Und seitdem hatte ich erfolgreich verdrängt, dass ich sie längst hätte zurück rufen müssen. Ein Teil von mir wünschte sich, dass sie es vergessen hatte, da sie schon morgen zurück nach Melbourne reisen würde.

Doch da hatte ich die Rechnung ohne Melissa gemacht. Seit heute morgen hatte ich bereits vier Nachrichten erhalten, mein Handy zeigte zwei Anrufe in Abwesenheit an und sie zu ignorieren fiel mir von Minute zu Minute schwerer. Kurzerhand hatte ich, ignorant wie ich war, das Handy einfach in meiner Jackentasche im Flur gelassen und es auf lautlos gestellt.

Ich konnte mir ja selbst nicht mal richtig erklären, warum ich nicht einfach klipp und klar sagte, dass die Nacht, die wir zusammen verbracht hatten, ein wahnsinniger Fehler gewesen war. Ich kniff doch sonst nicht. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich Melissa einfach nicht verletzen wollte. Wahrscheinlich hatte ich das durch meine ständige Abweisung sowieso schon längst getan.

Obwohl es mit uns beiden nie geklappt hatte und ich wir uns so oft wegen der banalsten Dinge gestritten hatten, konnte ich sie gut leiden. Ich war nicht immer fair zu ihr gewesen und vielleicht war ich auch manchmal zu hart. Ich hatte sie wirklich gern, nur nicht so, wie sie es sich wahrscheinlich gewünscht hatte. Und vielleicht war das der Grund dafür, dass ich mich so sehr vor einer Begegnung sträubte.

Ich wusste ja nicht einmal, was genau geschehen war oder was ich ihr alles gesagt hatte. Ich hätte mich selbst dafür ohrfeigen können, immer und immer wieder. Und je länger ich damit wartete, sie zurück zu rufen, desto schlimmer würde es für mich im Endeffekt werden. Und doch tat ich nichts.

Stattdessen hatte ich Willie und Deo zu mir eingeladen, um Fußball zu gucken und mein schlechtes Gewissen mit vertrauter Gesellschaft zu betäuben. Meine Cousins würden hier bleiben, bis wir am Sonntag gemeinsam nach Los Angeles fliegen würden. Ich hatte sie gerne hier, denn sie waren eher wie Brüder für mich. Ich war froh, dass sie so oft vorbei schauten, anders als bei meiner Familie, die so weit von mir entfernt lebten, dass ich sie nur selten sah.

Gegen späten Nachmittag machte sich Deo auf den Weg, um für alle etwas zu Essen zu holen. Da er sowieso noch Zuhause vorbei musste, um seinen Koffer für die USA zu packen, hatte er vorgeschlagen, dass er auf dem Rückweg bei unserem Lieblingsasiaten halten würde. Normalerweise bestellten wir Pizza oder jemand kochte für alle.

Eine Stunde später spielte ich eine Runde Fifa mit Willie, als ich Deo im Flur mit jemandem reden hörte. Kurz schaute ich über meine Schulter, konnte aber niemanden erkennen, noch seinen Gesprächspartner hören, da Deo der Einzige war, der quasselte. Daraufhin wandte ich mich wieder dem Fernseher zu und konzentrierte mich darauf, zu gewinnen.

Ohnehin fühlte sich hier jeder wie Zuhause, was ich überhaupt nicht schlimm fand. Im Gegenteil. Ich fand es toll, dass hier ein bisschen Leben in die Bude kam. Willie hatte sein Lager sowieso schon seit einiger Zeit hier aufgeschlagen, was mir sehr recht kam. Ich vertraute ihnen, hatte nichts dagegen, dass sie Freunde einluden, da ich die meisten von ihnen sowieso kannte. Und ich wusste auch, dass weder Deo, noch Willie so naiv waren, dass die wahllos Leute hier einluden. Sie wussten wie ich dazu stand. Solange hier alles heile blieb und niemand meine Gitarren anfasste, konnte mir das egal sein. Ich wohnte zwar im Gegensatz zu Louis und den anderen ziemlich bescheiden und mein Haus war nicht so groß, dass man sich hätte verlaufen können, doch ab und an konnte es schon sehr einsam hier werden.

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