37 » Tomlinson hat die Lösung

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N I A L L

London, März 2016

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Erbarmungslos fiel der Regen in dicken Fäden vom Himmel hinab und verwandelte den Gehweg vor meinem Haus in einen halben See. Es war stockduster, die einzige Lichtquelle war das diesige Licht neben meiner Haustür. Seit einer halben Stunde gewitterte es und jedes Mal, wenn es blitzte, machte ich mich auf den lauten Donner gefasst, der kurz darauf ertönte. Mittlerweile war das Gewitter so nahe, dass Blitz und Donner fast unmittelbar hintereinander folgten.

Ungeduldig wartete ich auf Louis' schwarzen Porsche, der jeden Moment um die Ecke rasen musste. Er hätte seit zwanzig Minuten hier sein müssen, aber Pünktlichkeit war keine Stärke von ihm. So suchte ich Schutz unter dem kleinen Vordach. Kurz zog ich mein Handy aus der Hosentasche um zu checken, ob Louis mir eine Nachricht hinterlassen hatte. Vielleicht fiel der Plan für heute Abend auch wortwörtlich ins Wasser.

Die Kälte kroch mir in die Knochen und für einen Moment überlegte ich, ob ich die dünne, dunkelblaue Jacke vielleicht doch lieber gegen etwas wärmeres Tauschen sollte. Wenn ich noch länger hier stehen sollte, würde ich das definitiv in Angriff nehmen.

Mir fehlte die Hitze in Thailand. Vier Tage war ich wieder hier und schon vermisste ich die wärmende Sonne auf meiner Haut. Kaum waren wir in London gelandet, hörte es kaum mehr auf zu regnen und ich hätte mich am liebsten direkt wieder auf den Weg gemacht, um irgendwo Sonne und Ruhe zu tanken.

Es war fast so, als wäre der Stress mir direkt ins Haus gelaufen, als ich wieder im Lande war. Plötzlich hatte ich zig Anrufe auf meinem Handy, Emails, die ich noch nicht ein mal geöffnet hatte, reihten sich aneinander und meine Tage waren fast bis ins kleinste Detail geplant. Heute war erst einmal der letzte Abend für eine Weile, an dem ich die Seele baumeln lassen konnte. Morgen traf ich mich mit meiner Managerin, um die nächsten Wochen zu planen – selbst Pläne mussten geplant werden -, den Tag darauf musste ich ein paar Dinge klären und am Wochenende hatte ich bereits Charlie versprochen, dass ich ihr einen Besuch abstatten würde. Und das Treffen mit Charlie war mir von all den Dingen wirklich am liebsten, vor allem, weil ich schon am Sonntag nach Los Angeles aufbrechen würde.

Gestern Abend hatte ich mich von ihr verabschiedet und heute hatte ich noch nichts von ihr gehört. Ich wusste dass sie heute ihre Mum zur Arbeit begleitet hatte, um als Aushilfe zu fungieren, solange sie selbst nichts anderes fand. Als ich sie nochmal darauf ansprach, verzog sie schmollend ihr Gesicht und seufzte genervt. Ich war mir sicher, dass sie schon Zuhause war, immerhin hatten wir bereits neun Uhr, jedoch war ich mir ebenfalls sicher, dass sie wieder zu irgendwas verdonnert wurde, oder schlief wie ein Stein.

Obwohl ich ohne mit der Wimper zu zucken gerne mehr Zeit mit ihr verbringen würde, freute ich mich trotzdem auf Los Angeles. Nicht nur auf die Sonne und die kurzen Shirts freute ich mich, sondern auch darauf, dass ich endlich an ein paar Songs schreiben konnte. In den letzten Wochen war es unmöglich gewesen sich darum einen Kopf zu machen, außerdem hatte ich im Urlaub hoffentlich genug Inspiration und Ruhe getankt, dass es sich auszahlen würde. Darüber hinaus würde ich Louis besuchen, der sich schon Morgen auf den Weg nach Kalifornien machte. Ich konnte es kaum erwarten, den kleinen Freddie zu sehen. Schlagartig erinnerte ich mich an Zuhause und daran, wie lange ich meinen Neffen Theo nicht mehr gesehen hatte. Das schlechte Gewissen machte sich langsam aber sicher wieder breit und nach einem weiteren Blick auf die Uhr, bewegte ich mich ins Haus, um eine andere Jacke aus dem Schrank zu fischen und die trüben Gedanken wenigstens für heute abzuschütteln. Das konnte ich heute sicher nicht gebrauchen.

Als ich mir die schwarze Jacke, die ich im Halbdunkeln ertastet hatte über die Schultern warf und die Haustür ein zweites mal an diesem Abend hinter mir zu zog, erwartete mich der dunkle Wagen von Louis an der Straße hinter dem hohen Zaun. Ich hörte die laute Musik bis hier hin und zog mir die Jacke über den Kopf, bevor ich über die Einfahrt huschte und durch das breite Tor lief. Selbst die paar Sekunden reichten aus, um mich komplett zu durchweichen und ich verfluchte mich dafür, mich gegen einen Regenschirm entschieden zu haben.

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