16 » Aller Anfang ist schwer

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N I A L L

Perth, Januar 2016

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Ich hätte Ed erschlagen können. Nicht nur, dass er anscheinend vergessen hatte das verfluchte Hotelzimmer für uns zu buchen, er hatte die Ruhe weg und steckte sich eine Zigarette nach der nächsten an, während Charlie sich durch die Gegend telefonierte und sich genervt durch das blonde Haar fuhr. Seit geschlagenen dreißig Minuten versuchte sie, ein Hotel zu finden, das in der Nähe war und noch ein Zimmer frei hatte.

Fehlanzeige.

Denn bis jetzt hatten wir keinen Erfolg. Mittlerweile war das Taxi angekommen und wartete geduldig am Straßenrand. Der Fahrer ließ es sich allerdings nicht nehmen, das Taxameter schon jetzt anzustellen. Mein Geldbeutel konnte das zum Glück verkraften und ich war froh, dass es hier so leer war.

Wenn Ed und mich hier jemand erkannte, dann war es vorbei mit der Ruhe. So konnten wir immerhin noch schnell ins Taxi springen und verschwinden. Ich zumindest saß auf heißen Kohlen und wollte so schnell wie möglich hier weg. Je mehr Zeit verstrich, desto heikler wurde die ganze Situation. Ich war nicht gerade scharf darauf, dass ein paar Aasgeier mit Kameras hier auftauchten und Charlie und Hannah im Endeffekt darunter leiden mussten, weil wir in der Klatschpresse landeten. Auch, wenn Charlie ziemlich locker war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie das auf die leichte Schulter nehmen würde. Im Mittelpunkt zu stehen, war nicht gerade ihre Stärke, das wusste ich bereits.

Hannah wurde von Minute zu Minute immer blasser und vegetierte vor sich hin. Sie hatte beinahe den gesamten Flug verschlafen und kämpfte immer noch mit Übelkeit. Sie war blass und sah aus, als müsste sie sich jeden Augenblick übergeben. Da fing der Urlaub ja schon mal vielversprechend an.

„Ich werd' noch wahnsinnig", fluchte Charlie und drückte auf Eds Handy herum. Immer wieder raufte sie sich die Haare und hielt sich das Handy anschließend wieder ans Ohr. Das Hotel, bei dem Ed eigentlich unsere Zimmer reservieren wollte, war schon seit einer Woche restlos ausgebucht. Es war wie verflucht.

Kurz entschlossen machte ich mich auf den Weg zum Infostand in der Ankunftshalle und fragte höflich nach einigen Broschüren und Flyern. Wenn wir nicht schnellstens ein Zimmer fanden, konnten wir auch gleich einen auf Tom Hanks machen und am Terminal übernachten. Darauf konnte ich jedoch verzichten.

Als ich wieder zu den anderen stieß, zwang ich Ed dazu mit mir die Flyer zu durchforsten, während Charlie sich immer noch die Finger wund telefonierte und Hannah wie ein Schluck Wasser auf ihrem Koffer saß.

Als hätte er alle Zeit der Welt, steckte sich Ed die nächste Kippe an und blätterte in aller Seelenruhe durch die Broschüren. Seine Gelassenheit brachte mich zur Weißglut und ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum ich der einzige war, der Ed am liebsten auf dem schnellsten Weg wieder in den nächsten Flieger gesetzt hätte. Mich machte es absolut wahnsinnig, dass er vor einigen Wochen geradezu darauf bestanden hatte, die scheiß Zimmer zu buchen und im Endeffekt einfach nichts auf die Reihe bekommen hatte. Ein Wunder, dass wir überhaupt an unserem Ziel angekommen waren und nicht irgendwo in der Pampa gelandet waren.

Es dauerte weitere dreißig Minuten, bis ich einen Flyer einer kleinen Pension in der Hand hielt und Charlie die Nummer diktierte. Tatsächlich hatten sie noch zwei Zimmer frei und mir fiel ein riesen Stein vom Herzen, als wir dem Taxifahrer die Adresse nannten.

Charlie quetschte sich zwischen Ed und mich auf die Rückbank und wir verfrachteten Hannah auf den Beifahrersitz. Bevor der Fahrer allerdings losfuhr, betrachtete er die Braunhaarige skeptisch und drückte ihr vorsichtshalber eine Tüte in die Hand. „Sicher ist sicher", war sein Kommentar dazu.

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