8 » Ausnahmezustand

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C H A R L I E

Cardiff, Juni 2015

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Ich bildete mir ein, Amys nervöses Herzklopfen zu hören, als wir gemeinsam im Auto saßen um Hannah abzuholen. Sie hatte in der letzten Nacht nicht eine Sekunde geschlafen und ich hatte mich von ihrer Euphorie anstecken lassen, sodass wir stundenlang nebeneinander lagen und die Decke anstarrten. Hätte sie gewusst, was sie nachher erwartete, hätte sie wahrscheinlich noch nicht einmal ihre Cornflakes am Morgen runter gekriegt.

Gemeinsam hatten wir die ganze Nacht auf einer ausgelegenen Matratze in meiner neuen Wohnung gelegen und ungesundes Zeug in uns hinein geschoben. Ich hatte lange mit mir gerungen, ob ich bereit dazu war einen neuen Schritt zu wagen und letztendlich hatte es sich richtig angefühlt. Immer hin wohnte ich noch im selben Haus. Seit ein paar Tagen renovierten Nathan, der nun wieder öfter vorbei schaute, und ich die kleine Wohnung. Anfang nächsten Monat sollte es dann so weit sein und ich würde meine Sachen nach unten schaffen.

Heute allerdings ging es für uns nach Cardiff.

Zu meiner Erleichterung hatte Amy sich nach dem Zayn-Desaster schnell wieder eingekriegt. Spätestens als eine Art Twitter-Krieg zwischen ihm und Louis ausbrach, hatte die Wut meiner Schwester die Überhand genommen und ihn zum Teufel gewünscht. Verstand das mal jemand.

Heute Morgen stand sie mindestens eine Stunde vor dem Schrank und überlegte fieberhaft was sie anziehen sollte. Nachdem sie sich zig mal um entschieden hatte, war sie zufrieden. Stolz stand sie vor dem Spiegel und betrachtete ihr Fan-Shirt auf dem die Band abgebildet war. Dass Zayn darauf zu sehen war, störte sie und ich hielt sie in letzter Sekunde davon ab, sein Gesicht mit der Schere aus dem Shirt auszuschneiden.

Hannah hatte ich mittlerweile darüber aufgeklärt, woher ich die Meet and Greet-Tickets hatte. Ich hatte mehrere Tage damit gerungen ihr alles zu erzählen, sowohl was die Freundschaft mit Ed anging, als auch die Tatsache, dass ich drei Viertel von One Direction kennengelernt hatte.

Erst starrte sie mich mehrere Minuten ungläubig an, dann klappte ihr Kiefer in die Tiefe und sie schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund. Ihre Kommentare dazu ließ ich über mich ergehen, sie schlug mir an diesem Tag mehrmals auf die Schulter und redete sowas wie: „Du bist immer so unscheinbar, Charlie. Und dann haust du mal eben raus, dass du mit Harry Styles abfeierst." Dass ich keineswegs gefeiert hatte und ihn eigentlich weniger zu Gesicht bekam, interessierte sie herzlich wenig.

Danach folgten mehrere Tage, an denen sie mich einfach anstarrte und Fragen darüber stellte, wie genau das alles Zustande gekommen war. Es war kaum auszuhalten und ich atmete erleichtert aus, als die löchernden Fragen endlich nachließen und sie der ganzen Sache neutraler gegenüber stand. Sie versprach mir hoch und heilig, Amy gegenüber die Klappe zu halten und kein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren.

Hannah war mein kleinstes Problem. Das eigentliche Problem saß nun in meinem Auto auf der Rückbank und starrte stumm aus dem Fenster.

Nachdem meine Großeltern und Nathan plus Anhängsel zum Kaffeekränzchen vorbei gekommen waren, hielt mein Bruder es wohl für eine tolle Idee, dass wir Victoria zum Konzert nach Cardiff mitnahmen. Ich hätte das Extra-Ticket, dass wir wegen Hannah übrig hatten, einfach nicht erwähnen sollen; ich war also selbst Schuld. Er hatte die Hoffnung, dass wir uns besser kennen lernten und somit nicht mehr aneinander gerieten. Als meine Grandma sich dann auch noch einmischte und der Idee von Nathan zustimmte, gab ich mich kurzerhand geschlagen und bereitete mich mental auf eine Katastrophe vor.

Sie war zwar kein Fan, hatte aber auch nichts gegen die Musik und so ließ sie sich nach Nathans eindringlichem Bitten dazu breitschlagen uns zu begleiten. Mein Bruder drückte mir das Geld für das Ticket in die Hand, welches ich dann an Hannah weiter gereicht hatte, der ich dann von den äußerst tollen Neuigkeiten erzählte. Sie redete mir gut zu und versprach mir sogar Victoria aufzuklären, wenn ich mit Amy zum Meet and Greet ging.

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