Kapitel 1 - Der Unfall

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Es ist noch dunkel als ich früh am Morgen erwache. Ich schaue auf die Uhr und sehe, dass es erst 5:30 Uhr ist. In einer Stunde sind wieder die Männer von der Firma hier, die mein Vater beauftragt hat.

Mein Vater ist ein sehr reicher Mann, er arbeitet als Bänker und hat einen sehr großen Einfluss auf wichtige Personen. Ich lebe mit ihm in einem großen Haus mit einem großen Garten. Mein Vater hasst mich und er interessiert sich für nichts anderes als seine Arbeit, seit meine Mutter kurz nach meiner Geburt gestorben ist. Er hat mir nie irgendeine Art von Zuneigung gezeigt, er ist mir gegenüber verschlossen, kalt und ignorant. Die einzige Aufmerksamkeit, die er mir schenkt besteht aus Geld. Geld, das er mir jeden Monat auf mein Konto überweist. Jedes Kind wäre glücklich über den Geldbetrag, doch ich bin es nicht. Was ist Geld schon wert, wenn man keine Familie hat? Wenn du niemanden hast, der sich für dich interessiert? Wenn dein Leben keine Bedeutung hat, weil du einfach nur da bist aber für nichts und niemanden gebraucht wirst? Ich hasse mein Leben. Man kann ohne Familie leben, wenn man Freunde hat und man kann ohne Freunde leben, wenn man eine Familie hat. Ich besitze weder Familie, noch Freunde. Ich bin fünfzehn Jahre alt und bin nie zur Schule gegangen. Mein Vater hat, als ich fünf war, einen Privatlehrer angestellt. Er hat mir alles Wichtige beigebracht. Seit diesem Sommer habe ich alle wichtigen Prüfungen abgeschlossen und habe nun mehrere Abschlüsse, sogar mein Abitur habe ich. Nun haben wir Herbst und ich frage mich jeden Morgen, wenn ich im Dunkeln aufwache, wozu bin ich überhaupt auf der Welt? Jedes Mal falle ich danach in einen unruhigen Schlaf.

Ein grelles Scheinwerferlicht und ein leises Brummen einer Maschine lassen mich aus meinem unruhigen Schlaf hochschrecken. Blinzelnt öffne ich meine Augen und sehe, dass die Männer von der Firma bereits wieder ihrer Arbeit nachgehen. Mein Vater hat sie beauftragt, unseren Garten, die Wege auf unserem Grundstück und die Wärmedämmung in der Häuserfassade zu erneuern.

Langsam stehe ich auf und gehe zum Fenster, durch einen Spalt im Vorhang sehe ich, wie sie die alten Wege aufreißen und den Schutt in einen der Container werfen. Einer der Bauarbeiter schaut mich direkt an und mich durchfährt ein Schauer.

Dieser Bauarbeiter ist mir schon aufgefallen als die Firma vor circa zwei Wochen hier anfing zu arbeiten. Er hatte mich vom ersten Tag an beobachtet. Erst dachte ich es wäre nur Einbildung, doch manchmal saß ich in meinem Zimmer auf meinem Bett und war in Gedanken versunken, wenn ich zum Fenster aufschaute, dann stand er da. Einfach so ohne Grund, stand er da und beobachtet mich bis einer seiner Kollegen ihn anwies weiterzuarbeiten. Er guckt mir hinterher, wenn ich das Grundstück verlasse und er steht hinter dem Eingangstor, wenn ich wieder komme. An manchen Tagen lächelt er mich dann immer so komisch an, wenn er mich sieht.

Schnell trete ich wieder hinter den Vorhang, nehme meine Sachen und verschwinde ins Badezimmer.

Wenige Minuten später laufe ich zur Küche. Das Haus, welches sehr viel Platz bietet, wirkt im Dunkeln noch gigantischer. Mein Vater ist bereits seit vier Uhr, wie jeden Morgen, aus dem Haus.

Ich öffne die Kühlschranktür, um sie gleich danach wieder zu schließen. Für einen Augenblick ist die Küche in ein warmes, sehr dunkles Licht getaucht und gleich darauf verfällt alles wieder in die übliche schwarz-weiße Sicht. Aus einem der großen hohen Schränke nehme ich mir eine kleine Wasserflasche. Mit schnellen Schritten laufe ich in mein Zimmer und schnappe mir meine Tasche, sowie alle wichtigen Sachen, wie zum Beispiel mein Handy und meinen Haustürschlüssel.

Im Flur ziehe ich meinen etwas längeren schwarzen Mantel, meinen weichen bordeauxfarbenen Schal und meine schwarzen Sneakers über. Ich laufe zur Haustür, öffne sie und ziehe sie hinter mir zu, danach drehe ich den Schlüssel zweimal im Schloss um. Ich laufe den schmalen Weg zur Hauptauffahrt entlang.

Plötzlich werde ich von hellem Scheinwerferlicht geblendet, daraufhin kreischt eine Bremse auf und im nächsten Moment spüre ich irgendwas an meiner Seite, dann wird die Welt schwarz und der Boden unter mir bricht.

Das nächste Mal als ich meine Augen öffne, liege ich am Boden. Der Bauarbeiter, der mich immer beobachtet, hockt über mir und sagt irgendetwas aber ich kann nicht verstehen, was er sagt. Alles um mich herum ist verschwommen und ich höre alles sehr gedämpft. Ich merke, wie ich vom Boden gehoben und weggetragen werde. Erst Minuten später setzt mein Gehör wieder richtig ein und bald darauf sehe ich auch alles wieder normal.

Der Bauarbeiter setzt mich auf dem Boden der Gartenhütte ab. Die Gartenhütte wurde den Bauarbeitern als Aufenthalts- und Lagerraum überlassen. Er zieht aus seiner Jackentasche sein Handy heraus und ruft die Feuerwehr. Besorgt schaut er mich an.

„Es tut mir so Leid... Ich habe dich nicht gesehen. Ich wollte nicht... also... es tut mir leid." Immer wieder entschuldigt er sich bei mir. Sein Kopf ist nach unten gesenkt, sodass er die ganze Zeit über den Boden anstarrt.

Mir tut alles weh, mein Herz rast und ich habe das Gefühl, dass mich einer in tausend Teile zerrissen hat. Moment! Meine Beine, scheiße meine Beine! Ich kann sie nicht mehr spüren!

Anscheinend denke ich laut, denn auf einmal schaut er ruckartig zu mir hoch. Ich merke, wie eine heiße Träne meine kalte Wange herabfließt.

„Was hast du gerade gesagt?"

Ich antworte ihm nicht. Woraufhin er sein Blick wieder nach unten senkt, jedoch gleich darauf wieder nach oben richtet. Die Tür geht auf. Zwei Feuerwehrmänner mit einer Trage, gefolgt von den anderen Bauarbeitern, kommen herein.

Etwa eine gefühlte halbe Stunde fragen sie mich Sachen, wie zum Beispiel:

„Hast du Schmerzen?"

„Wie stark sind die Schmerzen?"

„Kannst du deine Beine spüren?"

Schließlich heben sie mich auf die Trage und tragen mich zum Krankenwagen. Dort angekommen, fragen sie, ob irgendjemand zuhause wäre, der mit mir ins Krankenhaus fahren kann. Als ich mit Nein antworte, schlagen die Bauarbeiter vor, dass der mitfährt, der dafür verantwortlich ist. Mit Blitzgeschwindigkeit werde ich in den Wagen geladen und genauso schnell fahren wir los.

Im Krankenhaus werde ich sofort in einen Operationssaal geschoben. Nachdem mehrere Ärzte wild und laut miteinander diskutierend anscheinend zu einer Einigung kommen, werde ich in den Schlaf gelegt. Ich soll von Zehn bis Null herunterzählen aber ich komme nicht einmal bis zu der Fünf, da bin ich bereits schon im Land der Träume.






Mein neues Leben mit einem fremden Mann - #Wattbooks2017 #WPOlymphicsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt