3. Kapitel

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Kaela

Nach wenigen Schritten hatte ich ihn eingeholt.
"Wie heißt du eigentlich?", fragte ich den jungen Mann nach einer Weile des Gehens.
"Naksa", antwortete er einsilbig. Ich musste lachen bei diesem seltsamen Namen.
"Und woher kommst du, also aus welchem Stamm?", wollte ich wissen. "Keinem", genervt schaute er mich an, "ich ziehe es vor allein zu sein. Wenn du nicht willst, dass ich jetzt auch alleine weiterziehe, dann halt am besten einfach den Mund". Unfreundlich sah er mich an.

"Hmpf", kopfschüttelnd wandte ich mich ab. Der Typ war echt unfreundlich.

Wir wanderten den ganzen Tag schweigend durch den Dschungel. Nur einmal redete Naksa mit mir. Der Grund war eine kurze Pause bei einem kleinen Bach. Ich hatte leider nur Zeit etwas zu trinken, bevor er mich schon weiterscheuchte. Dabei hätte ich mir zu gerne noch etwas zu Essen gejagt.

Jetzt, wo es dunkel wurde, knurrte mein leerer Magen gewaltig. Ich hatte großen Hunger. Also blieb ich stehen. Naksa blieb ebenfalls stehen und schaute mich genervt an.

"Was ist?, fragte er mich.
"Ich habe Hunger. Ich werde nicht eher weitergehen, ehe ich etwas gegessen habe", machte ich ihm klar. Er seufzte resigniert und genervt.
"Gut. Ich schlage dir einen Handel vor: Wir suchen jetzt einen geeigneten Ort für die Nacht. Du kümmerst dich um das Feuer und ich gehe jagen", seine Stimme ließ keinen Protest gelten. Ich nickte geschlagen.

Kurze Zeit später fanden wir erneut ein kleines Bächlein. Dort wo es tiefer wurde, streckte ein Baum seine Äste ins Wasser. Hier schlugen wir unser Lager auf. Während ich Feuerholz suchen ging, organisierte Naksa uns etwas zu Essen. Holz war nicht schwierig zu finden, doch ich brauchte eine Weile bis ich das Feuer entzündet hatte. Dann baute ich ein Gerüst darüber um das erlegte Wild braten zu können.

Naksa kam mit einem Bankivahuhn wieder. Wir brieten es über dem Feuer und ließen uns dann das saftige Fleisch schmecken.

Als wir fertig waren, war gänzlich die Nacht hereingebrochen. Ich ging hinüber zu dem Baum mit den im Wasser hängenden Ästen. Man konnte sich zwischen den Ästen hindurchzwängen und gelangte zum breiten Stamm. Ich ließ mich an ihm nieder und rollte mich zu einer Kugel zusammen. Naksa stieß zu mir und setze sich ein paar Längen von mir entfernt, ebenfalls an den Stamm. Ich drehte mich müde zu ihm um.
"Ich heiße übrigens Kaela", mit diesen Worten schlief ich ein.

"Mein richtiger Name ist Askan", flüsterte Naksa leise.

Askan

Kaela hieß sie also. Ein schöner Name. Unwillkürlich hatte ich den Drang ihr meinen wahren Namen zu nennen. Ich wartete bis sie schlief, dann flüsterte ich: "Mein richtiger Name ist Askan". Ich würde es ihr niemals sagen, wenn sie wach war. Das Risiko das sie eins und eins zusammen zählte war zu groß. Sie war ein schlaues Mädchen. Ihr würde bei diesem Namen sofort die Geschichte einfallen die alle Kowshi kannten, oder sich, auch wenn es unwahrscheinlich war, sogar an ihn erinnern. Dann würde sie begreifen, wen sie nun vor sich hatte. Es war besser, wenn sie es nicht wusste. Um so weniger ich preisgab, um so sicherer war ich und wahrscheinlich auch sie.

Ich würde Kaela bis zur Grenze des Kowshi Territoriums begleiten. Dort war meine Schuld beglichen. Sie hatte mir das Leben gerettet und ich brachte sie dafür wieder nach Hause. Ganz einfach. Danach würden sich unsere Wege trennen. Mit Glück würden wir uns nie wieder begegnen.
Unruhig wachte ich über das Mädchen und wartete bis der Morgen graute. Dann weckte ich Kaela.

Kaela

Die Tage vergingen mit wandern,
jagen, essen und schlafen. An Anfang war Naksa ziemlich verschlossen doch so langsam taute er auf. Zumindest für seine Verhältnisse. Ich hatte es tatsächlich geschafft ihn in ein Gespräch über Jagdmethoden zu verwickeln. Doch auf einmal hatte er mitten im Satz abgebrochen und gemurmelt: "Genug geredet jetzt, wir sollten uns auf unser Ziel konzentrieren. Dich nach Hause zu bringen". Danach hatte er wieder geschwiegen.

Gerade machten wir eine kleine Pause auf einem Felsen. Ich stand auf und kletterte den danebenstehenden Baum hinauf.
"Was hast du vor?!", rief mir Naksa fragend hinterher. Ich antwortete ihm nicht. Als ich die Baumkrone erreicht hatte, atmete ich glücklich die frische Luft ein. Eine leichte Brise wehte durch meine Haare. Es war schön mal wieder etwas anderes als Bäume zu sehen. Von hier oben sah man den Urwald in seiner vollen Pracht. Die Abendsonne tauchte den Himmel in ein orange-rotes Band. Die Hitze flimmerte über den Bäumen. Vögel zwitscherten. Vereinzelt erklangen Tierrufe. Ich erkannte den Ruf eines Affen.

Bevor ich entführt worden war, war ich oft auf die höchsten Bäume geklettert, die im Umkreis des Kowshi Territoriums zu finden waren. Das war zwar anstrengend, aber es lohnte sich. Ich versuchte nun zu erahnen, wie weit wir noch von meinem Zuhause entfernt waren, aber nichts in meinem Blickfeld kam mir bekannt vor. Ein resigniertes Seufzen entfuhr mir.

Plötzlich raschelte es neben mir. Naksa erschien an meiner Seite. Zusammen sahen wir die Sonne untergehen.

Schweigend saßen wir in der Baumkrone, auch, als die Sonne schon untergegangen war. Plötzlich ertönte ein Kreischen. Ich sah einen riesigen Adler auf uns zufliegen. Er wirkte äußerst aggressiv. Erst jetzt bemerkte ich den Adlerhorst auf dem Ast neben mir.
"Bei den Göttern, sie verteidigt ihr Revier!", fluchte ich. Naksa begann bereits geschwind den Baum hinabzuklettern. Ich wollte ihm gerade folgen, da griff mich das Adlerweibchen an. Ich versuchte ihrem Schnabel auszuweichen und verlor mein Gleichgewicht.

"Ahhhh!", schrie ich. Ich raste, nur von vereinzelten Ästen aufgehalten, gen Boden. Ich machte mich auf einen harten Aufprall gefasst. Da griff jemand nach mir. Naksa bekam meinen Arm zu fassen. Doch mein Gewicht, gepaart mit der Geschwindigkeit, ließ uns beide zu Boden fallen. Als wir auf den Boden prallten, dämpfte Naksa meinen Sturz mit seinem Körper ab. Ich trug nichtmal eine Schramme davon!

Ich setzte mich auf. "Alles in Odnung? Danke, dass du mich gerettet hast!", erkundigte ich mich besorgt aber dankbar bei Naksa. Er stöhnte nur und setzte sich auch auf.
"Ja, natürlich ist alles in Ordnung. Danke der Nachfrage", knurrte er. Was war denn jetzt schon wieder los?
"Tu nicht so, als ob dich das interessieren würde. Außerdem hab ich dich nicht gerettet", murrte er. Ich machte den Mund auf um etwas zu erwidern, doch er wischte meine Antwort mit der Hand fort.
"Spar dir den Atem, Mädchen", er stand auf, "ich geh Feuerholz holen. Bleib einfach hier, ja?" Ich nickte widerstrebend. Jedoch nicht, ohne ihn wütend anzublitzen. Er lachte nur. Doch es klang nicht aufrichtig. Was hatte ich doch für einen reizenden Reisebegleiter.

 Der Prinz der TigerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt