11. Kapitel

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Kaela

Ein Brüllen durchbrach die Stille. Dastan und ich sprangen auseinander und sahen erschrocken in den Dschungel. Der Regen hatte aufgehört, stattdessen war es dunkel geworden. "Was war das?", fragte Dastan ängstlich.
"Wenn ich es nicht besser wüsste, dann klang das nach einem Tiger und damit handelt es sich sehr wahrscheinlich um Askan", antwortete ich verwirrt.
"Ist er nicht verbannt worden? Er darf nicht ins Kowshi-Territorium!", Dastans Stimme zitterte, "Wir sollten nach Hause."

Ich antwortete nicht. Der Fluss war immernoch zu reißend um ihn zu überqueren. Dort konnten wir nicht hinüber. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Dann fiel es mir auf. Die Umgebung war mir fremd. Wir waren nicht mehr im Kowshi-Territorium! Ich hatte die Grenze bei meiner Rettungsaktion bereits überschritten gehabt.
"Oh nein! Wir sind gar nicht mehr im Kowshi-Territorium!", fiel es nun auch Dastan auf.

"Keine Panik, wir finden zurück!", ich versuchte zuversichtlich zu klingen. Dastan nickte und straffte sich.
"Du hast recht! Zusammen können wir das schaffen! Wir haben bis jetzt immer alles gemeinsam überstanden!", er nahm meine Hand. Komischerweise war mir das unangenehm. Auch der Kuss hatte sich seltsam angefühlt. Ich löste mich wieder von ihm. Verwirrt und ein bisschen verletzt schaute er mich an.

"Tut mir Leid, aber wir müssen einen kühlen Kopf bewahren, um zurück zu finden", versuchte ich zu argumentieren. Er sah erleichtert aus. Was tat ich hier? Es war öffensichtlich! Dastan war in mich verliebt, doch ich konnte seine Liebe nicht erwidern. Wieso spielte ich ihm also etwas vor? Ich holte tief Luft um ihm das zu erklären, doch er unterbrach mich. Die Worte blieben ungesagt.

"Wo lang?", fragte er.
"Dort entlang!", ich marschierte Richtung Urwald, "Heute gehen wir nicht weiter. Morgen, wenn es hell ist, sehen wir weiter".
Wir kletterten auf einen Baum und versuchten zu schlafen.

Dastan war schnell eingeschlafen, doch ich konnte es nicht. Ich musste an das Gebrüll denken. War es wirklich von Askan gekommen? War er vielleicht in der Nähe? Ich seufzte entnervt. Ich war erschöpft und müde. Das Denken fiel mir schwer, doch die Gedanken ließen sich einfach nicht abstellen. Bei jedem Geräusch schreckte ich auf. Ich rechnete jedes mal damit, diese blassblauen Augen zu erblicken. Schließlich schlief ich dann doch ein.

Doch auch in meinen Träumen ließ mich der Gestaltwandler nicht in Ruhe. Ich durchlebte erneut den Helikopterabsturz. Doch was danach geschah, war anders als ich es wirklich erlebt hatte. Askan, der mich wohl auch aus dem Fluss gerettet hatte, griff mich in Tigergestalt an.

Irgendwie wunderte sich mein träumendes Ich darüber. Vielleicht, weil ich ihn nun auch anders kennen gelernt hatte? Trotzdem wehrte ich mich mit Leibeskräften gegen den Tigerprinz.

Plötzlich schien dieser jedoch zu zögern. Er starrte mich an. Sein Blick schien mich förmlich zu durchleuchten. Dann ließ er von mir ab. Er wirkte verwirrt.

Ich sah meine Chance gekommen und sagte: "Ich bin es Askan, erkennst du mich nicht?"
Askans Miene wurde mit einem Mal ganz weich, was mich wunderte. Er verwandelte sich in einen Menschen.

"Ich würde dich überall erkennen, Kaela", antwortete er mir dann. Nun wurde das Bild hinter meinen Lidern immer schwächer und der Traum endete, obwohl ich noch versuchte daran festzuhalten.

Ein sanftes Rütteln an der Schulter weckte mich. Beinahe hätte ich, "Guten Morgen Askan", gemurmelt. Doch ich blickte nicht in blaue, sondern in braune Augen. Es war Dastan, der jetzt sprach:
"Die Sonne steht schon hoch, wir müssen los."
Erschrocken fuhr ich hoch. Wie spät war es? Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, kurz vor Mittag.

Wir kletterten vom Baum und gingen zurück zum Fluss. Ich dachte nach. Gestern war ich flussabwärts gelaufen. Wir müssten also wieder in bekannte Gegend kommen, wenn wir einfach den Fluss nach oben folgten. Ich teilte Daivan meine Gedanken mit. Er gab sein Einverständnis und schon waren wir unterwegs.

Wir folgten dem Fluss etwa eine halbe Stunde gegen den Strom. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie weit wir abgetrieben worden waren. Der Fluss musste eine wahnsinns Strömung gehabt haben. Schließlich kamen wir an eine Stelle, die mir bekannt vorkam. Hier hatte ich vor einigen Wochen den Fluss überquert.

"Die Stelle hier kenne ich!", informierte ich Dastan. Dieser wirkte darüber mehr als erfreut.

Da der Fluss nun wieder seicht war, konnten wir gemütlich hinüberschwimmen. Nun war es nicht mehr weit bis zum Dorf. Wir beschleunigten unsere Schritte, damit wir noch vor der Dämmerung ankommen konnten.

Als wir das Dorf schließlich betraten, kam uns Aleika mit meinen und Dastans Eltern entgegen. Hinter ihnen eine Schar Krieger. Wahrscheinlich ein Suchtrupp, der uns finden sollte. Das hatte sich hiermit erledigt.
"Da seid ihr ja, wir wollten euch gerade erneut suchen gehen! Wie weit seid ihr denn abgetrieben worden?", wurden wir begrüßt.

Wir erklärten, dass der Fluss uns so weit abgetrieben hatte, sodass der Rückweg nicht mehr am gestrigen Tag möglich gewesen war. Wir machten aber auch klar, dass es uns gut ging.
"Wir sollten dich einsperren Kaela, immer gehst du verloren!", rügte mich meine Mutter.
"Keine schlechte Idee", stimmte mein Vater zu, lächelte dabei aber müßig.
Ich tat, als wäre ich entrüstet, musste mir aber ein Lachen verkneifen.

Auch Dastans Eltern waren erleichtert, ihren Sohn gesund und munter vorzufinden. Sie bedankten sich überschwänglich bei mir, als Dastan ihnen erzählte wie ich uns beide aus dem Fluss gerettet hatte. Verlegen senkte ich den Kopf.

Dastan fuhr damit fort, beinahe eine Lobeshymne auf mich zusammen zu dichten. Nun wurde ich auch noch rot. Das war jetzt einfach nur noch peinlich. Musste er so übertreiben?

"Dastan", unterbrach ich ihn schließlich leise aber bestimmt, "ich denke das reicht."

Nun wurde Dastan rot und vonseiten unserer Eltern erklang Lachen.
"Mit Lob konnte unsere Kaela noch nie gut umgehen", erklärte meine Mutter scherzhaft. Ich warf ihr einen wütenden Blick zu. So war das doch gar nicht! Ich freute mich, wenn ich Lob bekam, aber das hier war etwas anderes. Dastan malte ein Bild von mir, welches nicht realistisch war.

"Eine zweifellos zweischneidige Eigenschaft, aber so kann aus ihr nur eine gute Stammesführerin werden. Sie ist bescheiden und tut nichts, nur um dafür Anerkennung zu bekommen. Sie tut es für ihr Volk", die Worte meines Vaters ließen die Wut in mir verpuffen und erwärmten mein Herz. Diese Worte bedeuteten mir alles.

 Der Prinz der TigerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt