Kaela
Als ich meine Augen wieder öffnete lag ich am anderen Ufer des Flusses. Ich hatte keine Ahnung wie ich dorthin gekommen war. Das Feuer auf der anderen Seite schien langsam zu ersticken. Beißender Rauch wurde vom Wind herüber getragen. Ich hustete.
Da hörte ich ein Rascheln hinter mir. Erschrocken sprang ich auf und drehte mich um.
Ein mir unbekannter junger Mann trat aus dem Gebüsch. Er sah aus wie aus meinem Stamm, aber das konnte nicht sein. Dann müsste ich ihn ja kennen. Wo kam er jetzt aufeinmal her? Wer war er?
Der Fremde blieb ein paar Schritte vor mir stehen und sah mich wortlos an. Er hatte blassblaue Augen, was ungewöhnlich für die Menschen dieser Gegend war. Sein Haar, das ihm bis zum Kinn reichte, war wie auch meines von schwarzer Farbe. Er hatte ebenfalls denselben dunkleren Hautton wie ich. Sein Körper war kräftig. Ich schätzte, er war ungefähr vier Jahre älter als ich. Damit wäre er um die Mitte zwanzig.
Ich räusperte mich und trat verlegen einen Schritt zurück. Den jungen Mann kannte ich nicht, da war ich mir sicher. Doch irgendwas an ihm kam mir doch bekannt vor. Ich war verwirrt.
"Wer...wer bist du?", stotterte ich. Als der Fremde sprach war seine Stimme kratzig. Wie, als hätte er sie lange nicht mehr benutzt.
"Das ist egal. Komm mit, ich weiß wie du nach Hause gelangen kannst".
Hoffnung stahl sich auf mein Gesicht, aber konnte ich ihm vertrauen? Irgendwas an diesem Typ war seltsam, beinahe unheimlich. Etwas stimmte mit ihm nicht. Das spürte ich.
"Und was ist, wenn ich nicht mitkomme?", forderte ich ihn heraus.
"Mir egal, aber ich bin mir fast sicher, dass ich den Dschungel besser kenne als du", meinte er nur."Hey, ich kenne den Dschungel sehr gut! Ich bin hier aufgewachsen! Ich finde den Weg auch alleine!", rief ich empört. Doch in Wahrheit kannte ich nur einen sehr kleinen Teil des Dschungels. Ich hatte mich immer nur in der Nähe vom Dorf der Kowshi aufgehalten. Für eine Frau war das schon weit. Die meisten Frauen blieben im Dorf. So wie ihnen auch geheißen. Doch da ich die Tochter des Stammesführers war, genoss ich gewisse Vorzüge. Das Entfernen vom Dorf war einer davon.
"Du bist doch eine Kowshi oder? Dann bist du höchstens mal mit einem Krieger zum Kräutersammeln geschickt worden", meinte er verächtlich.
Verwundert sah ich ihn an. Wieso wusste er das ich zum Stamm der Kowshi gehörte? Konnte er Gedanken lesen?
"Nein, aber ich kenne den Stamm der Kowshi gut", ich hatte den letzten Satz wohl laut ausgesprochen.
"Du weißt also wie ich zum Dorf zurück komme? Schön. Dann bring mich eben hin. Jedoch muss ich dir sagen, dass ich auch schon durchaus ohne Krieger in der Lage war und bin, mich außerhalb des Dorfes zu bewegen", stellte ich klar. Er lachte nur.
"Du bist eine gute Jägerin oder? Das ist seltsam für eine Frau", nun war er ernst. Woher wusste er das jetzt schon wieder?
"Ja ich kann jagen. Wieso -", er unterbrach mich:
"Wieso ich das weiß? Man sieht es dir an. Du siehst anders aus als die normalen Kowshi Frauen. Du wirkst stärker und kräftiger, nicht so verweichlicht."Ich spürte, dass ich bei seinem intensiven, fast schon starrenden Blick rot wurde.
"Und du hast dich einem Tiger genähert und wolltest ihn sogar befreien. Was du auch getan hast. Jede normale Frau wäre schreiend weggerannt. Du nicht.", aus seiner Stimme klang Erstaunen.
Ich wurde noch röter und wandte mich ab. Dann schoss mir durch den Kopf: Woher wusste dieser Kerl, dass ich einen Tiger befreit hatte und wo war dieser überhaupt? Mein Blick schoss zu ihm zurück.
"Woher weißt du von dem Tiger?", fragte ich drohend. Er lachte wieder, doch antwortete nicht."Woher?", fragte ich mit mehr Nachdruck.
"Ist das so wichtig? Komm jetzt, oder bleib. Mir Einerlei. Ich gehe jetzt jedenfalls", und mit diesen Worten verschwand er im Dschungel.Ich sah ihm nach. Konnte ich ihm vertrauen? Würde er mich wirklich nach Hause bringen? Ich seufzte resigniert. Ich hatte keine andere Wahl. Ich würde ihm wohl vertrauen müssen.
"He, warte auf mich!", rief ich und rannte ihm hinterher.
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Der Prinz der Tiger
FantasiWas passiert, wenn du plötzlich mitten im Dschungel ausgesetzt wirst? Und das nicht alleine, sondern mit Jemanden, bei dem sich herausstellt, dass er kein richtiger Mensch ist... Was passiert, wenn du herausfindest, dass du in Lebensgefahr schwebst...