Kapitel 11

482 26 7
                                    


Es verging eine gefühlte Ewigkeit hier im Treppenhaus. Darios Freundin hatte ihren Blick nicht ein einziges Mal von mir abgewandt, sondern starrte mich nur noch durchdringender mit ihrem finsteren Blick an. Auch Henry und Dario standen regungslos vor mir und starrten sie an.

Darios Freundin schnaubte verächtlich und ging die letzten Treppenstufen herunter. Sie blickte mich noch immer finster an und blieb kurz stehen. Sie hatte ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt und musterte mich nun von oben bis unten.

Wieder verließ ein verächtliches schnauben ihren Mund. Damit wandte sie sich endlich von mir ab und drehte sich zu Dario, legte ihre Hand in seinen Nacken und zog ihn runter zu sich, da er auch größer als sie war.

Bevor sich ihre Lippen trafen, schaute sie mich triumphierend an und begann dann, Dario leidenschaftlich zu küssen. Dario hatte das anscheinend genau so wenig erwartet wie wir alle hier und erwiderte den Kuss erst einige Sekunden später. Sie küssten sich mit Zunge und sie stöhnte etwas auf.

Ich fand es ziemlich ekelig und warf einen kurzen Blick rüber zu Henry. Er schaute den beiden genauso angewidert zu wie ich und blickte schließlich auch zu mir. Wir schauten uns einige Sekunden tief in die Augen und es war als würden wir nur in Gedanken miteinander reden. Denn gleichzeitig brachen wir den Blickkontakt ab und liefen eng beieinander die Treppe wieder nach oben in das Appartment der Jungs.

Oben angekommen blieben wir im Wohnzimmer direkt vor Rebecka und Marvin stehen. Sie hatten endlich ihren Blick vom Fernseher abgewandt und schauten uns jetzt an. Ich ergriff sofort die Aufmerksamkeit.

"Was ist denn mit Darios Freundin los?"

Diese Frage stellte ich nicht nur aus Höflichkeit, sondern aus reiner Interesse. Ich weiß, das klingt jetzt ziemlich eingebildet, aber für mich sah sie aus, als ob sie ein wenig eifersüchtig war. Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln und auch Henry grinste leicht.

"Sie sah aus wie so eine wildgewordene Furie, als sie uns gesehen hat"

Belustigt schaute Henry mich an und trat noch einen Schritt näher zu mir. Sein belustigtes Grinsen wechselte auf einen leicht traurigen Gesichtsausdruck. Ich konnte mir nicht erklären warum. Marvin räusperte sich und ich löste mich von Henrys wunderschönen Augen und blickte nun direkt zu Marvin. Er war aufgestanden uns stand jetzt keine 40 cm von mir entfernt und sah mir tief in die Augen. Hinter ihm tauchte Rebecka auf und packte Marvin an der Schulter, sodass er sich zu ihr umdrehte. Sie sah ihn mit einem schmerzvollen und durchdringenden Blick an.

"Jetzt versteh' ich"

Mit diesen Worten ließ sie Marvin los und ging Richtung Tür. Sie warf noch einen kurzen, frustierten Blick über die Schulter und öffnete die Tür. Ich verstand nur noch Bahnhof. Ich ging ein paar Schritte hinter ihr her, ich wollte wissen was zwischen ihr und Marvin war. Als ich vor der Tür stand warf auch ich einen letzten Blick über die Schulter und sah, wie geknickt Marvin aussah. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet und sah ziemlich traurig, aber auch erleichtert aus. Ich schaute zu Henry, der neben Marvin stand und auch er verstand gar nichts mehr. Was zum Teufel ist zwischen denen passiert?

Meine Neugierde packte mich und ich rannte plötzlich los. Ich rannte durchs Treppenhaus, fast so schnell wie vorhin, wo ich gestolpert bin und Henry mich aufgefangen hatte. Henry. Was war zwischen ihm und mir? Ich kam nicht dazu, weiter nachzudenken, denn ich prallte in jemanden hinein. Dadurch verlor ich das Gleichgewicht, doch mal wieder machte ich keine Bekanntschaft mit dem Fußboden, denn wieder spürte ich zwei Arme um meine Hüfte.

Ich wurde hochgezogen und blickte direkt in Darios Augen. Wieder einmal fesselten sie mich so sehr, dass es mir schwer fiel, meinen Blick von ihm abzuwenden. Mir schoss Rebecka wieder durch den Kopf und meine Gedanken wurden wieder klar.

"Danke",

hauchte ich Dario kaum hörbar zu und löste mich aus seinem Griff. Ich drehte mich um und vor mir stand seine Freundin. War klar. Ich ignorierte sie einfach und schupste sie zur Seite. Ich musste Rebecka einholen. Ohne mich noch einmal umzudrehen rannte ich weiter Richtung Ausgang.

-Dario-

Meine Freundin Valentina zog mich zu sich runter und küsste mich leidenschaftlich. Ich realisierte es erst wenige Sekunden später, doch ich erwiderte den Kuss trotzdem. Ich spürte Lilys Blick auf uns und wollte mich von ihr entfernen doch es ging nicht. Sie hielt meinen Nacken fest umschlungen. Ich hörte Schritte, wie sie die Treppen wieder nach oben gingen. Es mussten Lily und Henry sein. Jetzt knallte eine Tür und es war nichts mehr, außer Laras aufstöhnen zu hören. Warum hatte sie mich hier vor Lily und Henry geküsst? Wollte sie ihr Revier markieren?

Ich löste mich ruckartig von ihr und ging einen Schritt zurück. Sie funkelte mich böse an.

"Warum habt ihr euch so angeschaut? Gehst du mir fremd?"

Sie wurde immer so schnell eifersüchtig, aber in Lilys Augen kann man sich nur verlieren, wenn ich an sie denke, muss ich lächeln. Ich weiß ich hab sie erst heute kennengelernt, aber Henry geht es genauso. Als er mir das mit dem Krankenhaus und alles erzählt hat, hat er auch von ihr geschwärmt. Als sie dann ankam, wollte Valentina sich nicht mal mit ihr unterhalten und hat mich schon weggezogen. Aber als ich sie mit Henry im Flur gesehen hab, hab ich sie das erste Mal richtig angeschaut. Sie hat so wunderschöne blaue Augen und sie waren einzigartig.

Vally hat anscheinend gemerkt, das ich an Lily denken musste, den ich holte mir eine deftige Ohrfeige. Ich hielt mir die Wange und sah sie entsetzt an. Ich wollte etwas sagen da hörte ich lautes Getrampel und jemand prallte gegen mich. Dieser jemand verlor das Gleichgewicht und aus Reflex schlang ich meine Arme um die Hüfte der Person. Ich konnte sie davon abhalten auf den Boden zu fallen und drehte sie um, sodass ich in das Gesicht der Person schauen konnte.

Zwei wunderschöne blaue Augen bohrten sich in meine. Lily. Mal wieder verlor ich mich in ihren Augen. Und auch ihr ging es nicht anders. Wir sahen uns tief in die Augen und ich wünschte mir, dieser Moment würde ewig verharren. Doch ihre Augen wurden wieder ganz klar und sie hauchte ein leises

"Danke".

Damit drehte sie sich von mir weg, schupste Valentina etwas beiseite und rannte weiter Richtung Ausgang. Ich blickte ihr hinterher und war völlig benommen. Wie konnte mich dieses Mädchen so schnell aus der Fassung bringen? Ich hatte noch nicht einmal richtig mit ihr geredet und trotzdem verzaubert sie mich immer wieder wenn ich in ihre Augen sah.

Ich spürte weiche Lippen auf meinen und öffnete erschrocken meine Augen. Warum küsste Vally mich jetzt schon wieder? Sie ließ von mir ab und blieb nah an mir stehen. Sie hatte eine Hand auf meine Brust gelegt, mit der anderen streichelte sie meinen Rücken auf und ab.

"Ich lasse es nicht zu, dass sie mir dich wegschnappt. Dario, sie ist nur ein billiges Flittchen"

Ich stieß sie mit einem Ruck von mir weg.

"Warum sagst du sowas? Du kennst sie doch gar nicht!"

Sie blickte mich wütend an.

"Na und? Muss ich das um zu wissen das sie auf dich steht?"

Ich verstand gar nichts mehr.

"Das tut sie doch gar nicht!"

Ich schrie sie an. Sie kam jetzt näher auf mich zu und berührte wieder meine Brust. Sie sprach um einiges leiser als eben.

"Doch. Das tut sie. Aber du gehörst mir! Nur mir!"

Ich wollte nicht das ich ihr gehöre wie irgendein Möbelstück. Ich wollte in einer Beziehung jeden Tag Schmetterlinge im Bauch fühlen. Meinen ersten und letzten Gedanken am Tag an meine Freundin geben. Ich wollte sie bedingungslos lieben. Aber das tat ich bei Vally nicht. Und ich bezweifele das das noch kommen wird. Es sollte von Anfang an da sein, aber wenn ichs mir Recht überlege, war noch nie so etwas wie bedingungslose Liebe in unserer Beziehung zu finden. Henry und Marvin dachten ich würde sie wirklich lieben, aber ich glaube es mir selbst nicht mehr.

Ich stieß sie weg von mir und schüttelte nur den Kopf. Ich sah ohne jegliche Emotionen zu ihr und erkannte wie eine kleine Träne ihr die Wange herunterlief. Ich drehte mich um und ging langsam die Treppen hoch. Wenn ihr unsere Beziehung wirklich etwas bedeuten würde, würde sie darum kämpfen. Doch sie regte sich nicht. Sie blieb einfach nur im Flur stehen.

Chaos, Liebe, eine Band und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt