Kapitel 22

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Ich saß im Klassenzimmer und versuchte dem Unterricht zu folgen, was mir alles andere als gelang. Meine Gedanken kreisten sich seid gestern immer nur um das eine.

Ich hatte meine neu gewonnenen Freunde zurückgelassen, meine neu gewonnene Liebe.

Ich war gestern zu Hause angekommen und hatte mich direkt in mein Zimmer verzogen. Heute war Schule, die Ferien waren vorbei und ich hatte gemerkt, dass ich niemanden vermisst hatte. Diese ganzen Leute hier waren mir egal. Ich brauchte nur drei Leute und einen von ihnen ganz besonders, doch ich musste versuchen sie zu vergessen.

Doch ich konnte es nicht.

Egal was ich sah, was ich hörte oder was ich roch, es erinnerte mich in irgendeiner Weise an ihn. Rebecka hatte sich noch einmal bei mir gemeldet. Wir hatten uns vertragen, sie hatte eine schwere Zeit durchgemacht, denn ihre Oma war im Krankenhaus. Rebecka war deshalb vorübergehend weggezogen und es schien so als ob sie noch länger dort bleiben wollte.

Ich verübelte es ihr nicht. Dann würden wir halt später zusammenziehen oder auch gar nicht. Wir würden den Kontakt nie abbrechen, da war ich mir sicher, und jeder stritt sich doch mal.

Hier in der Schule war auch nicht viel los, einfach so wie es immer war, langweilig.

Es läutete und ich packte meine Sachen zusammen und verließ das Klassenzimmer. Früher war ich immer freudig aufgesprungen und war direkt zu meinen Freunden gelaufen, aber ich hatte jetzt keinen Nerv auf sowas.

Ich lief alleine durch die Gänge und machte mich auf zum nächsten Gebäude.

Ich überquerte den Schulhof und starrte dabei auf den Boden, der ein wenig vereist war. Es war schweinekalt, aber das hatte der kommende Winter nunmal so an sich.

Plötzlich sah ich vor mir auf dem Boden zwei Füße. Ich wollte ausweichen, aber die Schuhe stellten sich mir in den Weg. Ich hob meinen Kopf um empört zu gucken, aber mein ganzes Gesicht war erstarrt als ich sah, wer vor mir stand.

Henry.

Ich war sprachlos und beachtete die vorübergehenden Leute die uns komisch musterten nicht.

Er kam einen Schritt auf mich zu und umfasste meine Hand mit seiner. Schon diese kleine Geste löste ein Feuerwerk in mir aus und ich musste mich beherrschen ihm nicht vor Freude um den Hals zu springen.

Ich freute mich ihn wiederzusehen, doch ich wollte ihn vergessen und wenn ich ihn sah, klappte das gar nicht gut.

Mein leichtes Lächeln erlosch sofort, ich senkte meinen Blick wieder nach unten und nahm meine Hand aus seiner.

Mein Herz schmerzte, ich hatte mich noch nie so sehr nach seiner Berührung gesehnt, wie in diesem Augenblick. Ich wollte meinen Weg fortsetzen, doch ich wurde schon wieder von ihm aufgehalten, diesmal sprach er aber.

"Ich lass dich nicht gehen!"

Seine Stimme war leise, aber bestimmt.

Eine Gänsehaut lief mir den Rücken hinunter.

Er blickte mir tief in die Augen und ich konnte an nichts anderes mehr denken als an seine wunderschönen Augen.

Wieder kam er einen Schritt auf mich zu, doch diesmal nahm er nicht meine Hände, sondern umarmte mich einfach.

Ich war überrascht und meine Gefühle überrumpelten mich. Es fühlte sich so gut an, ihn zu berühren. Ich klammerte mich an ihn, als wenn er mein Anker war, der mich vorm untergehen rettete und in einer gewissen Weise war er das auch.

Eine gefühlte Ewigkeit standen wir da so und klammerten uns am anderen fest. Eine Träne schlich sich aus meinem Auge und kullerte meine Wange herunter.

Warum versuchte ich ihn zu vergessen, obwohl ich genau wusste, dass ich es nicht schaffen würde?!

Wir lösten uns langsam wieder und schauten uns in die Augen.

"Ich liebe dich!"

Mein Herz setzte aus, als er diese drei Wörter aussprach. Diese drei Wörter, die ich gestern noch zu ihm gesagt hatte.

Ein lächeln stahl sich auf meine Lippen.

"Ich liebe dich auch!"

Unsere Köpfe näherten sich und unsere Lippen waren nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt.

"Müssen Sie nicht zum Unterricht?"

Erschrocken drehte ich mich um und blickte in das leicht verärgerte Gesicht meiner Deutschlehrerin, bei der ich jetzt eigentlich Unterricht hätte.

"Ehm.."

Ich drehte mich kurz zu Henry um, der ein leichtes Grinsen im Gesicht hatte, plötzlich nach meiner Hand griff und mich mit sich zog.

"Heute nicht!",

rief er noch zu meiner Lehrerin, die uns entgeistert hinterschaute.

So schnell konnte ich gar nicht reagieren, da waren wir auch schon vom Schulgelände gelaufen und liefen jetzt in einen kleinen Wald bis wir außer Puste stehen blieben und ich anfangen musste zu lachen.

Chaos, Liebe, eine Band und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt