» Wut «

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»Felicia, wach auf. Komm schon!«

Ich riss meine Augen auf und stellte erschrocken fest, das ich wirklich nur geträumt hatte. Zwar spürte ich ein komisches Gefühl an den Orten, wo mich Crystals Pfeile getroffen hatten, doch wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein. »Gott sei Dank, du bist wach. Alles in Ordnung?« Mein Blick schweifte nach rechts, wo ich Thélmo entdeckte, welcher neben meinem Bett kniete. »Was machst du hier?«, fuhr ich ihn wütend an, doch meine Stimme klang alles andere als Bedrohlich. »Du hast geschrien und ich dachte..« Ich lachte heiser: »Du hast nachgedacht? Welch' Weltwunder.« Thélmos Gesichtszüge spannten sich an und er rappelte sich auf. »Ich wollte nur nett sein.« »Nett sein?«, knurrte ich und setzte mich in meinem schweissgebadeten Bett auf. »Findest du es nett, eine Freundin einfach stehen zu lassen, wenn sie deine Hilfe braucht? Oder findest du es nett, einen Menschen umzubringen? Hm?« Thélmo fuhr sich nervös durch die Haare: »Wieso wirfst du mir das immer an den Kopf?« »Meinst ich kann das einfach vergessen?«, erwiderte ich wütend. »Ich habe dir schon damals im Kapitol gesagt, das ich keine Wahl hatte, klar? Ich habe meine Eltern, meine zwei Schwestern und meine Freundin zu ernähren!« Beim Wort Freundin zuckte ich zusammen. Ich kniff meine Augen zusammen und deutete auf die Türe: »Wenn das so wichtig für dich ist, warum bist du denn nicht bei deinen Eltern, deinen Schwestern und deiner Freundin?« »Weil ich dir helfen wollte!«, erwiderte er. »Helfen? Findest du es hilfreich, wenn du mich immer zum heulen bringst?« »Natürlich nicht..« »Also - Verschwinde und lass dich nie mehr blicken, klar?« Bevor Thélmo etwas erwidern konnte, packte ich mein Kissen und warf es ihm direkt ins Gesicht, so das er einige Schritte zurück taumelte. Er knallte das Kissen auf den Boden und verschwand aus dem Zimmer, ich hörte ihn noch rufen: »Ich dachte echt, wir wären Freunde.«

Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum und drehte mich in dem knappen, cremefarbenen Kleid. In den letzten Tagen war ich schon in Distrikt elf, zehn, neun und acht. Thélmo war unglücklicherweise nicht verschwunden, da Kellie mich offensichtlich quälen wollte. Zwar wollte er schon einige Male ein Gespräch anfangen, welches ich aber gekonnt abwies. Nach dem dritten Tag, liess er es dann auch bleiben. Ich erwischte mich allerdings oft dabei, wie ich ihn anstarrte. Darauf schenkte er mir ein entschuldigendes Lächeln, doch da hatte ich den Blick schon wieder abgewendet. »Bereit für deinen Auftritt, Süsse?« Marciella grinste mich an und reichte mir ein Paar cremefarbende Schuhe mit leichtem Absatz. »Mhm«, gab ich leise zurück, ehe ich in die Schuhe schlüpfte. Heute war Distrikt 7 dran - von hier stammte Happy. Marciella blickte kurz auf ihre goldene Armbanduhr an ihrem Handgelenk, welche übrigens perfekt zu ihren goldenen Oberteil und ihren schwarzen Hosen passte. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem Dutt hochgesteckt, so das man fast nur noch ihre blauen Haarsträhnen sehen konnte. Ihre Augen hatte sie fest geschminkt, so das diese drei Mal grösser als sonst wirkten. Ihre Haut war immer noch blass wie immer. »Noch fünf Minuten, dann musst du raus«, warnte sie mich und holte ein kleines Puderdöschen vom Tisch. Genervt schloss ich meine Augen, so das sie mich nochmal abpudern konnte. Dies tat sie heute bestimmt schon zum siebten Mal. Meine Frisur hatte sie bestimmt auch schon vier Mal gewechselt, da sie nicht wusste, welche nun am besten zum Kleid passen würde. Schlussendlich blieb es bei einem Zopf, der zu einem Dutt aufgerollt wurde. »Gut, du siehst hinreissend aus!«, quietschte sie und legte das Puderdöschen zurück auf den Tisch. »Komm, sonst beginnt die Party ohne dich!«, sie packte mich am Handgelenk und zog mich aus dem Abteil.

Die schweren Türen des Justizgebäudes wurden geöffnet und ich lief mit schnellen Schritten auf die Bühne. Das erste was ich erblickte, war das riesige Bild von Happy. Ihre tannengrünen Augen starrten mich regelrecht an. Mein Unterkiefer begann zu zittern. Meine Finger umschlossen das Mikrofon. Ich konnte den Blick von Happys Bild nicht lösen. Ich war gefesselt. Ich räusperte mich und löste mein Blick gequält von dem Bild. »Hallo Distrikt 7«, begann ich leise. »Es ist mir eine Ehre hier zu sein. Auch wenn dafür zwei eurer Leute sterben mussten.« Die Rede die ich in Distrikt zwölf gehalten hatte, gefiel Kellie gar nicht und sie brummte mir auf, einen Text auswendig zu lernen. »Ich kannte Salim nicht gut, doch ich wette, er war ein guter Mensch«, sagte ich und blickte zum Bild von Salim. Er war ein mittelgrosser Junge mit asiatischen Wurzeln. Seine Haare waren rabenschwarz und in seinem Blick lag was, was ich nicht deuten konnte. »Ich habe ihn einige Male im Trainigscenter gesehen.« Meine Stimme brach ab, als ich mich dabei erwischte, wie ich Happys Bild musterte. »Happy O'Bennet«, sagte ich wie ein Roboter. In diesen zwei Worten schwang so viel Hass und Abscheu mit. Vor ihrem Bild befanden sich ein junges Ehepaar. Die Frau, welche ebenfalls diese roten Locken wie Happy hatte, hielt ein junges Mädchen auf dem Arm. Alle musterten mich misstrauisch. »Ich dachte sie und ich wären Freunde - gute Freunde«, hauchte ich mit zittriger Stimme. »Ich mochte sie. Sehr«, mein Blick war immer noch starr auf die Familie gerichtet. »Aber sie war.. Nein, ist ein Monster!«, meine Stimme wurde lauter und bei jedem Wort wurde ich wütender. Ich sah wie die Mutter empört hustete und das Mädchen dichter an sich drückte. »Sie hat mich benutzt. Doch wenn sie mir etwas gelernt hat, dann das es keine Freunde in den Hungerspielen gibt«, murmelte ich. »Den Tod hat sie verdammt nochmal verdient!« Tränen stiegen mir in die Augen und ich spannte meinen Kiefer an. »Hoffentlich war ihr Tod schön qualvoll«, ich verzog meine Lippen zu einem gequälten Lächeln. »Wie man sich doch in Menschen täuschen kann.« »Sei still! Nicht Happy war das Monster - sondern du!« Ich sah auf. Ich konnte sofort erkennen, das die Mutter von Happy Tränen in den Augen hatte. Ihre Tochter stand auf dem Boden und sie hielt ihre Hand. »Wie bitte?«, knurrte ich. »Dir sollte klar sein, das es in den Hungerspielen keine Freunde gibt«, rief die Mutter. Ihr Kopf war feuerrot wie ihre Locken. »Sie haben mir nichts zu sagen! Schliesslich haben Sie dieses Monster auf die Welt ge..«, weiter kam ich nicht, da meine Worte in einem Geschluchze untergingen - in meinem eigenen. »Sie sind das allerletzte!«, schrie ich unter Tränen. Ich wollte weiter schreien, ihr alle möglichen Vorwürfe an den Kopf werfen. Doch da wurde ich grob nach hinten gerissen. Die Friedenswächter, dachte ich. Jetzt bin ich zu weit gegangen, ich werde hingerichtet. Ich kreischte auf und wehrte mich mit Händen und Füssen. Im nächsten Moment wurde ich in die Luft gehoben und von der Bühne getragen. Ich konnte mich nicht mehr wehren.

Revenge ~ Der Tod kommt immer Näher [#2] ON HOLDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt