» Der Letzte Pfeil «

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Eine unangenehme Stille herrschte zwischen Elvion und Tyson, beide hatten sich schlussendlich dazu entschieden die anderen Tribute zu suchen. Tyson war bisher stumm neben Elvion her gelaufen, er traute sich nicht irgendwas zu sagen, in der Angst er könnte wieder so wütend werden wie vorhin. Elvions Gesicht war angespannt, er schien über etwas bestimmtes angeregt nachzudenken. Tyson wand schnell den Blick von seinem Verbündeten ab, er hatte ihn schon viel zu lange angestarrt, hoffentlich hatte dieser nichts gemerkt. Er schluckte und entschied sich dazu, den Blick auf den Dolch, welcher er nun abwechselnd in seinen Händen balancierte, zu wenden. Blut und Dreck zierte die scharfe Klinge der Waffe, schnell putzte er diese an seiner Hose ab, glänzen tat sie danach aber trotzdem nicht. Tief atmete er ein, biss auf seine Unterlippe und steckte den Dolch zurück in seinen Gürtel, den er an der Hüfte trug. Inzwischen war er nicht mehr den Tränen nahe, vorhin musste er sich sogar welche aus dem Gesicht wischen. Er wollte bloss das Beste für Elvion, deshalb war er so erschrocken, als dieser ihm am Kragen gepackt hatte und ihn so wütend angefahren hatte. Er schluckte schwer, als er an die unangenehme Situation von vorhin dachte. Wenn er ihn nicht angebunden hätte, wäre er sicherlich den Baum hinunter gestürzt und dies hätte ganz bestimmt nicht gut geendet. Wenn er sich etwas gebrochen hätte, oder schlimmer, nein, so etwas hätte sich Tyson niemals verziehen. »Tyson. Tyson!« Tyson zuckte zusammen und blieb augenblicklich stehen. »W-was?«, ungewollt fing seine Stimme an zu zittern. Elvion blickte ihn an, seine Augen musterten den schwarzhaarigen: »Hörst du mir überhaupt zu?« »D-Du hast was gesagt?«, er hob die Schultern, hatte Angst davor gleich wieder eine Standpauke von ihm anhören zu müssen. »Ich habe gesagt, dass wir in diese Richtung sollen«, Elvions Stimme war überraschend sanft, während er nach rechts deutete, »Siehst du die Fussspuren?« Tyson bückte sich und begutachtete die Stelle, auf die Elvion zeigte. Tatsächlich, es waren Fussspuren zu sehen. Sie schienen noch frisch zu sein, so etwas hatten die beiden ja in der Akademie gelernt, deshalb war es für sie kein Problem zu erkennen, ob die Spuren alt oder neuer waren. »Okay, lass uns dort hin«, stimmte ihm Tyson nickend zu.

»Chelsea!«, stiess Anna überrascht aus, als sie die kleine Karrerio erblickte. Wie konnte das sein? Das Gift hätte sie längstens umbringen müssen. Ausser.. Unwillkürlich wanderte Annas Blick auf die Hand, die sie gestern mit ihrem giftigen Pfeil getroffen hatte. Ihre Kehle wurde staubtrocken, als sie dort nichts erblickte. Ja, genau. Keine Hand war zu sehen. Bloss ein sauberer Verband, der den verstümmelte Arm schützte. Anna wurde übel, gerne hätte sie ihren Mageninhalt auf dem Boden entleert, dabei wäre aber sicherlich nur Magensäure hochgekommen. »So leicht bin ich nicht abzuschütteln, Mäuschen«, säuselte sie unschuldig, winkte dabei mit einem langen Messer, welches sie in ihrer linken Hand hielt. »Woher hast du den Verband?«, fragte Anna mit rauer Stimme. »Sponsoren«, Chelsea lächelte breit, in ihren Augen spiegelte sich ihr Hass auf Anna wieder. Anna machte daraufhin einige Schritte zurück, blitzschnell zog sie einen Pfeil aus dem Köcher, den sie auf dem Rücken trug. »Du kannst mit deiner linken Hand nicht so gut kämpfen, wie mit der rechten«, bemerkte Anna daran, wie Chelsea das Messer hielt. Wahrscheinlich hatte sie ins Schwarze getroffen, denn nun war das Lächeln verschwunden und ihre Lippen waren zu einer schmalen Linie gepresst. »Ich bin ein Karrerio, ich könnte sogar mit meinen Füssen kämpfen!«, brüllte nun sie hysterisch, ihr Gesicht war dunkelrot angelaufen. Ihr schien es nicht zu gefallen, dass Anna einen Schwachpunkt an ihr gefunden hatte. »Na, dass möchte ich gerne mal sehen.« Annas Augen weiteten sich, als sie eine sehr bekannte Person hinter Chelsea auftauchen sah.

Tyson hatte seinen Dolch, zum Angriff bereit, heraus geholt und stand hinter Elvion. Dieser hatte sein Schwert, welches er glücklicherweise vorhin noch unversehrt unter dem Baum gefunden hatte, gezogen und auf Chelseas Rücken gerichtet. Tyson erblickte Anna, diese hatte einen Pfeil in ihren Bogen eingelegt und ebenfalls auf Chelsea gerichtet. Das Elvion aufgetaucht war, schien die Blonde zu verunsichern. Tyson schreckte zurück, als Chelsea blitzschnell herum fuhr und ihrem Distriktpartner ein unschuldiges Grinsen schenkte. »Tyson.. Ty!«, stammelte sie mit grossen Augen, »Mein Freund! Wir.. Wir sind aus dem selben Distrikt.. Wir helfen uns, ja? Ja?!« Ihre Stimme war einige Oktaven zu hoch, ihr gesamter Körper zitterte wie Espenlaub. »Tyson? TYSON!«, rief sie hysterisch, als er ihr keine sofortige Antwort lieferte. Dieser schluckte, er hatte Angst. Er wusste wozu die Kleine in Stande war, er hatte es mit eigenen Augen gesehen. »Tyson, hilf mir!«, rief sie verzweifelt, krampfhaft versuchte sie einige Tränen aus ihren Augen zu quetschen. Tyson fiel nicht auf ihre Tricks hinein, er wusste genau wie gut sie Schauspielern konnte. Doch bevor er einen Angriff starten konnte, sackte die Kleine einfach zusammen. Erst dachte Tyson sich, dass sie Ohnmächtig geworden sei, doch als eine Kanone erklang und er den Pfeil erblickte, der ihr aus dem Hinterkopf ragte, wurde ihm klar, das Anna ihm zuvor gekommen sein musste. Sein Herz raste. Drei. Sein Blick schweifte zu Elvion, der wie gebannt Anna anstarrte. Tysons Blick wanderte zu Anna, auch sie hatte Elvion im Visier. Sie legte einen Pfeil in den Bogen und spannte diesen geschickt, all dies passierte in Sekundenschnelle und sie sah überraschend elegant dabei aus. »Elvion«, sagte sie mit einem respektvollen nicken. »Anna«, auch Elvion nickte kurz, jedoch klang seine Stimme versteift und eiskalt. Die Blondine hob ihren Bogen und zielte mit dem Pfeil auf Elvions Kopf.

Nein, ihm dufte nichts passieren! Noch bevor der tödliche Pfeil Elvions Kopf durchbohren konnte, warf sich Tyson, tapfer und mit Gebrüll, dazwischen. Unverzüglich durchzuckte den Jungen mit den schwarzen Haaren einen unerträglichen Schmerz. Zuerst wusste er nicht, wo dieser Schmerz herkam, doch als er kraftlos auf den Boden sackte, bemerkte er, das Annas Pfeil sein Herz nur knapp verfehlt hatte. Seine Augen starrten panisch in die Baumkronen über sich, sein Puls raste, er spürte nichts ausser den heftigen Schmerz in seiner Brust. Er bemerkte Bewegungen neben und über sich, jemand der Brüllte, aber die Stimme war gedämpft. »Tyson!«, dass war das einzige das der Karrerio verstehen konnte. Er hörte einen weiblichen Schrei, gefolgt von einer Kanone. Sein Puls schien sich beruhigt zu haben, denn dieser ging immer wie langsamer. Er zwang sich dazu, seine Augen offen zu halten. Stirb jetzt nicht einfach, sagte er sich selbst, er konnte jetzt nicht einfach sterben. Seine Kehle war trocken, aber selbst Wasser hätte da nicht mehr geholfen. Er erblickte einen Blondschopf, denn sich über ihn gebeugt hatte. Elvions Gesicht war leichenblass, ausserdem war es voll mit Dreck und Blut, seine Haare waren unordentlich. »Tyson«, er hörte seinen Namen, wollte antworten, doch er brachte bloss einen komischen Laut zustande. Elvion drückte Tysons Arm, doch diese Berührung bemerkte er bloss leicht. »Tyson, wenn du jetzt stirbst..«, mahnte ihn Elvion. Tyson dachte einen kurzen Moment, Tränen in den strahlend blauen Augen seines Verbündeten zu erkennen. Tyson wollte die Hand ausstrecken und sagen, dass er nicht weinen solle. Elvion strich sich mit dem Arm über die Augen, tatsächlich liefen ihm einige Tränen über die Wangen.

»Warum hast du das getan?«, fragte Elvion mit brüchiger Stimme, diesen Satz hörte Tyson klarer als die anderen Worte zuvor. Er bemerkte den Druck auf seiner Hand, wahrscheinlich drückte Elvion diese. »Weil du das selbe getan hättest«, gab Tyson von sich, diese wenigen Worte waren anstrengender für ihn, als einen Berg zu erklimmen. Elvion konnte nun die Tränen nicht mehr zurück halten, unzählige rannen ihm über die blassen und verdreckten Wangen. »Hättest du doch, oder?«, Tysons Stimme wurde bei jedem Wort leiser und kraftloser. Elvion nickte eifrig, konnte beinahe nicht mehr aufhören zu nicken: »Natürlich.. Aber.. Aber..« Tyson versuchte sich an einem kleinen Lächeln, welches aber sicherlich wie eine hässliche Fratze aussah. Er wollte ein Danke sagen, seinem Verbündeten – nein, seinem Freund – für alles danken, doch seine Lippen waren wie zugeklebt. »Tyson?«, Elvion drückte seine Hand noch doller, doch nun spürte Tyson überhaupt nichts mehr, sogar die Schmerzen waren verschwunden. »Tyson!«, Elvion schien zu schreien, aber für Tyson hörte es sich wie ein Flüstern an. Ein verzweifeltes Flüstern, welches ihm beinahe das Herz zu brechen drohte. Tyson wollte hier bleiben, hier bei Elvion, doch eine unsichtbare Hand zog ihn in eine andere Welt. Ein helles Licht bildete sich vor seinen Augen, von diesem Licht wurde er magisch angezogen. Selbst wenn er es nicht gewollt hätte, das Licht hätte ihn in diese andere Welt gebracht. In diese Welt wo all Sorgen und Schmerzen vergessen waren. »Tyson, bleib bei mir!«, hörte er Elvion rufen. Gerne wäre er geblieben, doch er konnte es nicht. Das Licht nahm seine gesamte Sicht ein, bevor alles vor seinen Augen schwarz wurde. Er fühlte nichts mehr, dachte nichts mehr. Bloss die verzweifelte Stimme von Elvion tanzte in seinem Kopf: »Tyson, nein!« 
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Hallöchen! ♥
Endlich mal wieder ein Kapitel.
Dies gehört zu den letzten Kapitel, die in der Erzählersicht geschrieben werden.
Bald, bald gibt es wieder ein reines Felicia - Kapitel, ich freue mich schon!
Ich freue mich natürlich immer über eure Meinung in den Kommentaren.
Alles Liebe,
Nana. xx

Revenge ~ Der Tod kommt immer Näher [#2] ON HOLDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt