Es waren keine Lichterketten, die mir von Weitem entgegen schimmerten, nein, es war das graue Morgenlicht, das sich in den sanften Wogen des Wassers brach.
Alles war in mildes Silberlicht getaucht, was den Anschein hatte, als läge ein Filter darüber.
Einen Moment starrte ich noch weiter auf den Anblick vor mir, nahm mir die Zeit mir alles genauestens einzuprägen, damit ich auch sicher zum See fand. Andererseits war es unmöglich nicht zum See zu gelangen, solange man nur Richtung Westen ging.
Ich nickte entschieden und machte mich daran mir durch die Äste einen Weg nach unten zu bahnen und achtete darauf meinen Fuß nicht ins Leere zu setzten.
Auf einen solchen Sturz konnte ich getrost verzichten.Beim Erreichen der unteren Äste, begannen meine Arme zu schmerzen und ich war froh bald wieder festen Boden unter mir zu wissen. Schließlich ließ ich mich, an den Stamm gelehnt, vom letzten Ast rutschen und rollte meine schmerzenden Schultern.
Daraufhin knackten die Gelenke, was mich an die morschen Zweige zurückerinnerte.
Schaurig rieb ich mir über die Arme und wandte mich nach Westen, nachdem ich einen abschließenden Blick auf den verzweigten Waldbaum geworfen hatte.Und dann ging ich auch schon los und näherte mich mit jedem Schritt ein Stück mehr meinem Ziel, den Antworten auf meine Fragen, meiner besten Freundin, meinem alten Leben.
Meine Beine trugen mich zügig durch das dicht bewachsene Waldstück, welches als einziges noch zwischen mir und dem See lag.
Hohe Stämme rauschten an mir vorbei, die ich nur halb zur Kenntnis nahm, da ich so sehr rannte, als wäre ich auf der Flucht.
Währenddessen hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich zu laufen begann, bis ich Mühe hatte dem vielen Gestrüpp auszuweichen, das hier unten am Waldboden wuchs.
Die Absätze meiner Schuhe bohrten sich in die weiche Moosschicht, die mir meine schnellen Bewegungen erleichterte, da sie den festen Druck, den ich jedesmal beim Auftreten in den Boden sandte, nachgiebig abfederte.
Auch die feinen Schnitte, die die Gräser auf meiner Haut hinterließen und brannten wie Zitronensaft in einer offenen Wunde, bremsten mich nicht.
Mein Gehirn hatte vorläufig alle anderen Wahrnehmungen auf das Minimum reduziert und alle Konzentration und Kraft in meine Beine geschickt.
Und so sauste ich nun durch grüne Flächen, solange bis das Silberlicht auf mein Gesicht traf.
Ruckartig blieb ich stehen.
Ich erkannte die alte Eiche mit ihrem üppigen Kronendach wieder, die mir bestätigte an der richtigen Stelle zu sein.
Dabei schwebten meine Gedanken für einen Moment davon und brachten eine alte Erinnerung ans Licht:Helles Sonnenlicht brach sich in den Blättern, die sich über unseren Köpfen im Wind drehten und warfen kleine Schatten auf Allys Gesicht. Dösend hielt sie ihre Augen geschlossen und ich dachte schon sie wäre eingeschlafen, als sie plötzlich die Augen aufschlug und zu mir hinauf starrte, als hätte sie mich dabei ertappt, wie ich sie im Schlaf beobachtete.
Stattdessen gehörte meine Aufmerksamkeit dem summenden Treiben um uns herum.
Ich sah zu, wie kleine bunte Farbkleckse, wie Konfetti durch das Grün schwebten und stellte mir vor, es wären keine Schmetterlinge.Meine Gedanken blieben wie ich an diesem Ort, den sie nicht verlassen wollten.
Im nächsten Wimpernschlag hatte Ally sich vom Boden aufgerappelt und sich vor den Stamm der Eiche gestellt.
Neugierig betrachtete ich, wie sie sich an dem Baum zu schaffen machte und reckte meinen Hals um ihr über die Schulter zu spähen.
Doch ich erkannte es erst, als sie sich schließlich mit einem stolzen Lächeln zu mir umwandte und den Blick auf ihr Werk freigab.
In die Rinde hatte sie tiefe Furchen gegraben, die jetzt die Buchstaben A und M zeigten und kunstvoll ineinander verflochten waren.
>>Jetzt gehört dieser Ort uns.<<, verkündete sie mit strahlenden Augen.
Und gleich darauf erwiderten wir im selben Moment: >>Für immer.<<
Dann musste ich lachen und Ally stieg mit Grübchen in der Wange ein.Seitdem konnte jeder unsere Initialen sehen, der an diesem Baum vorbeilief.
Na gut.
Man will nicht fälschlicherweise annehmen, hier kämen viele Leute vorbei.
Denn eher wirkte die Gegend wie ausgestorben und nur hin und wieder sah man vereinzelt Friedhofsbesucher die Grabreihen durchschreiten. Doch an diesem See ließ sich nie jemand blicken.
Niemand außer Ally und mir.Und genauso verlassen wie all die Jahre zuvor, fand ich mich nun am Ufer des Sees stehen, die Spiegelung meiner Augen betrachtend.
Dunkle Flecken sahen mir statt ihrer entgegen und starrten mit geradezu gähnender Leere zu mir hoch.
Einen kleinen Aufschrei unterdrückend, humpelte ich erschrocken rückwärts und ließ die Wellen mein zweites Gesicht verwischen.
Mit klopfendem Herzen blickte ich auf die reflektierende Oberfläche und wartete darauf, dass etwas das Wasser durchbrechen und über mich herfallen würde.
Wartete darauf eine Kreatur zu sehen, die schwarze Löcher statt Augen im Gesicht hatte.Doch nichts regte sich.
Alles wirkte geradezu gespenstisch ruhig.
Noch nicht einmal der Wind wehte und brachte die Bäume zum rascheln.
Keine Tiere des Waldes stießen ihre Rufe aus.
Kein Wasser plätscherte.
Das einzigste was mir in diesem Moment ohrenbetäubend laut vorkam, war mein eigener Atem, der nun rasselnd und unregelmäßig durch meine Lungen pfiff.
Ein heißes Kribbeln durchfuhr meinen Körper und brachte ihn zum zittern.Als mir klar wurde, dass es Angst war, die mir den Rücken hinaufkroch, spürte ich einen sauren Geschmack im Mund, der meine Sinne benebelte.
Stockend atmete ich ein und schob mich ein Stück näher zum Ufer, um sicherzugehen, dass ich mir alles nur eingebildet hatte.
Zudem konnte ich ein wenig kühles Wasser gut gebrauchen, erinnerte mich mein dumpfer Schädel.Ich ging langsam in die Knie und stützte meine Hände auf die feuchte Erde.
Dann tauchte ein Gesicht auf dem Wasser auf und ich brauchte einen Moment, um mir klarzumachen, dass ich es selbst war, die mir mit einem erschrockenen Ausdruck entgegenblickte.
Kein Grund um gleich auszuflippen, ermahnte ich mich.
Erleichtert, mein Gesicht so vorzufinden, wie ich es kannte, streifte ich ein paar Erdkrümel von der Hand und erhob mich.
Doch noch während der Bewegung erstarrte ich, als sich mein Herz zusammenzog.
Ich war nicht weiter allein.>>Gefährlich sich hier zu verlaufen, findest du nicht auch?<<
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When It's Dark Outside
Teen Fiction>>Es war Halloween. Und ich wünschte es wäre nie so weit gekommen.<< Zwei Freundinnen, die nachts an Halloween durch die Straßen ziehen und sich dann entschließen auf den Friedhof zu gehen... obwohl Maddison das eigentlich für keine so gute Idee hä...