Fremde

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Wie lange ich schon unter dem Altar kauerte wusste ich nicht. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit und dennoch erst wie vor wenigen Minuten. Meine Hände waren blau vor Kälte, ich zitterte und mein Herz schlug schnell wie ein Vogel. Was passiert war konnte ich nicht begreifen... niemals hätte es so weit kommen dürfen. Wir standen in dem großem Saal und waren bereit zu gehen, aber dann flog die Tür auf und... es ging alles so schnell. Menschen stürmten herein... Wilde hatte mein Vater sie immer genannt und das waren sie. Meine Tränen waren versiegt und ich konnte nicht mehr weinen, aber bei dem Gedanken an das Geschehene hätte ich mehr als nur das Verlangen dazu. Meine ganze Familie... Tod. Alle Menschen die ich jemals gekannt hatte... Tod. Und ich lebte, weil ich so feige war mich zu verstecken. Ich hätte Ihnen helfen müssen. Ich hätte ihnen allen helfen müssen. Meinen Geschwistern, meiner Mutter, meinem Vater, meinem Volk. Wieso habe ich nichts getan wieso habe ich sie nicht geschützt wieso lebe ich noch... Es war nicht richtig, dass ich noch lebte und sie nicht. Meine Geschwister waren erst fünf, meine Mutter war schwanger, mein Vater war der gütigste Mann den ich jemals kannte, mein Volk hat mich und meine Familie verehrt. Und jetzt waren sie Tod. 'Ich muss sie beerdigen' stammelte ich plötzlich leise und meine Stimme fühlte sich an, als wäre sie seit Ewigkeit nicht mehr benutzt worden. Wie als wäre ich von einer Tarantel gestochen worden sprang ich auf und rannte zum Saal. Ich hatte das Verlangen meinen Eltern die letzte Ehre zu erweisen. Aber als ich sah was passiert war fiel ich zu Boden. Blut überall war Blut. An den Wänden, an der Decke, am Boden, in dem Teppich, am Tisch. Und überall waren Leichen. Frauen, Männer, Kinder und in mitten von ihnen meine Familie. Ich schrie... und wie ich schrie. Ich fragte mich ob mich die ganze Stadt hörte aber es war mir egal. Ich schrie meinen Schmerz über meinen Verlust heraus, als würde es irgendetwas ändern aber das tat es natürlich nicht. Als meine Stimme plötzlich brach und keinen Ton mehr aus meiner Kehle kam und sie brannte wie Feuer hörte ich auf. Ich nahm meine Eltern, einen nach den anderen und schleppte sie in den Rosengarten, danach nahm ich meine Geschwister, auch einen nach dem anderen und schleppte sie auch in den Rosengarten. Danach ging ich wieder in den Saal und deckte alle Leute mit Tüchern zu die ich irgendwo im Schloss fand. Wieder draußen im Garten nahm ich mir einen Lappen und wischte vorsichtig das Blut von meiner Familie. Als das getan war nahm ich mir eine Schaufel und grub Gräber. Es war dunkel aber es war mir egal, es war kalt aber das war mir auch egal. Ich spürte nichts als einen dumpfen Schmerz in meiner Brust wo einst mein Herz gewesen war. Als alle vier Gräber gegraben waren und meine Familie in den Löchern lag brach ich neben ihnen zusammen. Es kam mir vor wie eine Ohnmacht, aber ich schlief wohl nur vollkommen entkräftet, dreckig und blutbeschmiert ein.
Als ich aufwachte tat mir alles weh und ich wusste zuerst nicht wo ich war. Aber als ich meine Augen aufschlug blickte ich voller Entsetzen in die Gesichter von mir völlig fremden Leuten. Dann fiel mir alles wieder ein und plötzlich überkam mich eine furchtbare Angst. Die Angst dass sie mich töten könnten und, dass sie die Wilden waren die meine Eltern getötet haben. Erst selten habe ich Leute außerhalb des Schlosses gesehen und war auch noch nie in den Wäldern oder Bergen von Rendos gewesen, deshalb wusste ich nicht ob diese Menschen gut oder böse waren. Da sie mich im Moment aber nur ansahen und nichts taten, konnte ich mich für einen kurzen Moment überwinden und mich aufrichten. Stolz wie es sich für eine zukünftige Königin gehörte richtete ich mein Haar, so gut wie es ging, und blickte den Fremden in die Augen.

MagicGirl-Love under circumstances Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt