N E U N Z E H N

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"Hey, Schlafmütze!"

Ich murre nur undeutlich vor mich hin und drehe mich auf die andere Seite, um weiter zu schlafen und von grauen Augen und sanften Stimmen zu träumen, doch mit einem Mal wird es kalt um mich.

"Was zum...-"

Ich setze mich auf und schaue mich müde um.

Nora hat mir die Decke weggezogen.

Schlagartig bin ich wach und funkle sie an. "Gib mir sofort meine Decke zurück!"

Sie grinst, meinen warnenden Blick nicht wahrnehmend, und schmeißt sie auf den Boden, stemmt die Hände in die Hüfte. "Komm Dornröschen, wir haben was zu besprechen!"

Ich knurre. Wenn sie mir jetzt nicht sofort meine Decke wieder gibt, dann...

"Ich habe gar nichts mit dir zu besprechen! Jetzt gib mir meine Decke zurück!" Ich krabble auf sie zu und versuche, die Decke auf den Boden zu erreichen, doch sie reißt sie mir weg.

"Nora!" Damit stürze ich mich auf sie und kitzle sie solange, bis sie vor Lachen fast keine Luft mehr bekommt. "Gnade, bitte.", fleht sie und ich bekomme Erbarmen und lasse sie los, nehme mir aber meine Decke und lege mich wieder aufs Bett. Doch wie Nora nun mal ist, lässt sie sich einfach neben mich fallen und legt ihren Arm unter ihren Kopf. Ich seufze und drehe mich zu ihr.

"Was ist los, Nora?"

Sie lächelt mich an, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass es etwas lauerndes hat. Sie will irgendetwas von mir.

"Alsoooo...". Sie zieht das O lang, das ist gar nicht gut. "Ich habe gehört, du warst gestern mit Henry weg?"

Ich verdrehe meine Augen und merke jetzt schon, dass dieser Tag beschissen wird. Meine schlechte Laune gewinnt die Oberhand und ich habe keine Lust, sie zu unterdrücken.

"Ja und?", frage ich deshalb und mache es mir in meinem Bett gemütlich, damit wenigstens etwas von diesem Tag gut wird.

Nora schaut mich unglaubwürdig an, und ich frage mich, was daran so schwer zu verstehen war.

"Na und? Hallo?! Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt? Ich will alles wissen, jedes Detail!"

Noras Art, alles aus mir herauszukitzeln, erinnert mich auf schmerzvolle Weise an Alice. Sie ist genauso, löchert mich immer wie ein Käse. Manchmal kann es lustig, aber auch nervend sein, doch im Moment vermisse ich es einfach nur. Ich habe das Gefühl, ich brauche sie jetzt gerade am meisten.

Alice ist aber nicht hier, sondern in Italien, also hör auf herumzujammern!

Ich seufze. Meine innere Stimme hat mal wieder Recht und ich reiße mich zusammen, erzähle lustlos von dem Tag mit Henry.

Während Noras Augen immer größer werden, werden meine immer kleiner und ich merke, wie müder und miesepetriger ich werde.

"Du hast mit ihm gesungen? Im Wald? Auf einer wunderschönen Lichtung?"

Ich nicke nur.

Nora macht ein erstauntes und gleichzeitig glückseliges Gesicht. "Wahnsinn, das schreit ja geradezu nach Liebe."

Abrupt setze ich mich auf. Mir ist eindeutig die Lust an diesem Gespräch vergangen.

"Pah, von wegen Liebe! Das war nur ein Ausflug! Sowas soll es zwischen Freunden schon mal geben.", schnaube ich, schlage meine Decke zurück und maschiere auf meinen Koffer zu.

Zwei Sekunden verdutzter Stille herrschen und ich hole Unterwäsche und neue Klamotten aus meinem Koffer.

Dann unterbricht Noras leise Stimme die Stille und sofort bereue ich es, sie so angefahren zu haben. Sie hört sich so verletzt an, dass ich nicht anders kann und mich zu ihr umdrehe.

MondblumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt