S I E B E N

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Es wird tatsächlich total lustig. Wir erkunden zu fünft die Stadt und haben eine Menge Spaß dabei. Ich versuche, etwas mehr aus mir rauszukommen, habe allerdings das Gefühl, es gelingt mir nicht wirklich, dennoch scheint es die anderen nicht zu interessieren. Wir lachen, sind auch mal ernst, aber es ist das erste Mal, dass ich mich dabei glücklich fühle. Ohne irgendjemandem irgendetwas vorzumachen.

Mittlerweile sind wir auch eine ganze Weile unterwegs und es ist später Nachmittag.

"Kommt, wir sollten langsam mal nach Hause gehen.", meint Sam und wir nicken zustimmend.

"Nicht, dass Mom noch ein Suchtrupp nach uns losschickt.", scherzt Henry und ich muss lachen (das würde ich ihr tatsächlich zutrauen), als er plötzlich mitten im Weg stehen bleibt und ich gegen seinen Rücken laufe. Ich stoße einen überraschten Laut aus und versuche mich an seinem Rücken festzuhalten, der angespannt ist. Verwirrt runzle ich die Stirn. Habe ich was verpasst?

"Hallo zusammen.", ertönt eine tiefe Stimme und ich bekomme eine Gänsehaut. Allein vom Zuhören dieser tiefen und dunklen Stimme bekomme ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ich sehe Nora irritiert an, aber sie erwidert meinen Blick warnend.

Sag jetzt nichts!, formt sie lautlos mit dem Lippen und ich nicke. Was wird hier gespielt?

"Hallo Zac!", sagt Henry und beim Klang seiner kalten Stimme zucke ich innerlich zusammen. Wow, ich wusste nicht, dass es auch einen bösen Henry gibt, und ehrlich gesagt finde ich den netten tausendmal besser!

Nora und ich blicken uns an und liefern uns ein stummes Blickduell, bis ich erneut Zacs? Stimme höre.

"Wen versteckst du denn da hinter deinem Rücken?"

Mir läuft es eiskalt runter. Wie kann er wissen, dass ich hinter ihm bin, obwohl ich von Henrys großer Statur verdeckt werde?

"Ich verstecke niemandem!", erwidert Henry und sein Rücken erstarrt. Ich halte die Luft an. Das läuft hier gewaltig aus dem Ruder, habe ich das Gefühl. Wer ist dieser Kerl?

"Ach ja? Sieht aber so aus."

Ich spüre einen kleinen Lufthauch und dann stehe ich plötzlich einem riesen Kerl gegenüber. Mein Gehirn setzt aus und alles in mir schreit nach Flucht, als ich seinem Blick begegne.

Er ist größer als Henry, vielleicht eins neunzig groß, besitzt aber nicht so viele Muskeln wie er. Trotzdem strahlt er eine gefährliche Aura aus, die bei mir sämtliche Alarmanlagen auslösen. Seine Haare sind pechschwarz, und kalte blaue Augen schauen mir entgegen. Am gruseligsten ist jedoch eine Narbe, die von seiner rechten Wange bis zum Kinn verläuft.

Andere würden sagen, das macht ihn anziehend und gutaussehend, doch bei mir löst es Angstzustände aus. Er ist mir unheimlich und ich versuche meinen zittrigen Atem zu unterdrücken.

"Sieh an, sieh an. Ein neues Gesicht in Dublin.", grinst er und kommt einen Schritt näher. Seine Augen fixieren mich wie eine in die Enge getriebene Beute und unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück. Henry steht jetzt direkt hinter mir, ich spüre seinen Atem auf meinem Kopf.

Ich kann meine Augen nicht von dem Kerl vor mir lösen und muss zugeben, dass er mich an jemadem erinnert, der mal genauso war. Ich versperre diesen Gedanken und konzentriere mich darauf, seinen Blick nicht in meinen Gedanken zu lassen.

"Und wer bist du?", fragt er mich und ich blicke ihm entgegen, gebe nicht Preis, was sich in meinem Inneren abspielt.

"Wer will das wissen?"

Zac zieht die Augenbrauen hoch und ich spüre Henrys Hände um meine angespannten Handgelenke.

Was willst du mir damit sagen?, denke ich ärgerlich und ignoriere ihn.

MondblumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt