Kapitel 12

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• C H R I S •

Mittlerweile ist noch eine Woche vergangen, in der Matthew mich gemieden hat. In der Schule geht er mir immer noch aus dem Weg und all meine Versuche, ihn zu erreichen, schlagen fehl.

Es kommt mir so vor, als haben wir uns gestritten und er wäre wütend auf mich, obwohl es nicht so gewesen ist. Aber ich bekomme auch keine Chance, mit ihm darüber zu reden, weil er mich nicht lässt.

Evan meint auch, dass er kaum an ihn herankommt. Die beiden sind auch seit einigen Tagen unter sich – diese Piper scheint wohl untergetaucht zu sein. Zumindest sehe ich sie meist mit anderen Mädchen irgendwo herumstehen, anstatt dass sie mit ihren besten Freunden Zeit verbringt.

Wie auch jetzt. Normalerweise quatscht sie Matt im Unterricht immer zu, doch sie hat den Platz gewechselt und sitzt zwei Reihen vor ihm bei jemanden anderem.

Meine Neugier darüber, was zwischen den beiden vorgefallen ist, bringt mich beinahe um den Verstand. Aber was soll es bringen, ihn deshalb zu fragen? Er wird nicht mit mir reden.

Und anscheinend soll ich uns aufgeben, bevor es überhaupt angefangen hat. Wäre es nicht Matthew, würde ich es wahrscheinlich auch tun. Aber verdammt, ich vermisse diesen Typen. Ihn nicht mehr lächeln oder gar erröten zu sehen. Und ich würde ihm so gerne wieder nahe sein. Ihn einfach umarmen, seine Hand halten. Ihn küssen.

„Chris?" Ich blicke auf. Mrs. Taylor sieht von ihrem Buch zu mir auf.

„Entschuldigen Sie, ich..."

„Ich habe dich gebeten, aus der Seite Einhundertzweiunddreißig vorzulesen", wiederholt sie lächelnd.

Neben meinen Biologielehrer ist sie mein absoluter Liebling an dieser Schule. Die Lehrerin für Sozialwissenschaften hat erst vor zwei Jahren an dieser Schule angefangen und sich mit ihrer freundlichen Art in die Herzen der Schüler geschlichen.

Ich hole nochmal tief Luft, bevor ich zu lesen beginne: „Wir träumen vom einzig richtigen Partner, mit dem wir unser ganzes Leben teilen wollen. Zweisamkeit in Glück und Harmonie. Doch Beziehungen haben sich geändert. In unseren Köpfen geistert immer noch die gleiche altmodische Beziehungsbiografie umher. Wir träumen alle von der Liebe fürs Leben, von dem Menschen, mit dem wir unser Leben teilen, ‚bis dass der Tod uns scheidet'. Doch trotz dieser Wünsche haben sich die Zeiten gewaltig geändert. Die sogenannte ‚Kontinuitätsbiografie' der Beziehungen hat sich zu einem seriellen Beziehungsmuster gewandelt."

„Dankeschön, das reicht erstmal." Die junge Lehrerin steht von ihrem Stuhl auf und umrundet das Pult. „Wir wollen uns im nächsten Themenbereich mit der Bedeutung des größten Phänomens der Welt beschäftigen. Der Liebe."

Die Klasse wird unruhig. Während sich die Mädchen darüber freuen, stöhnen die Jungen genervt auf. Ich stimme ihnen dabei voll und ganz zu.

Was soll man denn noch Neues darüber erfahren? Die Liebe ist der größte Schrott überhaupt. Kein Mensch kann wirklich lieben, ohne irgendwann daran unterzugehen - entweder durch Trennung oder durch Tod. So oder so, man wird verletzt. Und die Menschen sind trotzdem darauf fixiert, sich zu verlieben...

Ich schaue zu dem Jungen, der gedankenverloren aus dem Fenster blickt und von der teilweise hitzigen Diskussion gar nichts mitzubekommen scheint.

„Mir ist durchaus bewusst, dass das Thema nicht jeden in dieser Klasse begeistern wird. Und trotzdem erreicht es euch alle. Jeder von euch ist in der Lage zu lieben."

Lüge.

„Ihr werdet jemanden in eurem Leben treffen, dem ihr euer Herz öffnen und es nicht bereuen werdet."

Only Three Words [boyxboy] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt