Kapitel 22

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• C H R I S •

Seufzend steige ich aus der Dusche und trockne mich mit einem Handtuch ab. Immer wieder spielen sich die Worte der Frau in meinem Kopf ab, die mir vor einigen Jahren das Leben schwer gemacht hat. Sie drängte sich in meine Beziehung.

Und nun soll sich die Geschichte wiederholen? Wie konnte Vincent von zuhause verschwinden? Bis vorhin habe ich nicht einmal gewusst, dass er nicht mehr eingewiesen ist.

Warum jetzt, wenn alles so gut läuft? Verdammt, ich bin endlich wieder glücklich! Matty macht mich glücklich. Also warum muss man uns jetzt alles kaputt machen?

In Gedanken versunken lege ich mir das Handtuch um die Hüfte und verlasse das Badezimmer.

Mrs. Jones hat mir erzählt, er hätte sich erholt und sich gewünscht, nach Hause kommen zu dürfen. Nach einigen längeren Gesprächen mit seinen Therapeuten schien nichts dagegen zu sprechen.

Vince hat sich wohl auch nichts anmerken lassen, was in ihm vorging. Er ist nun schon seit etwa zwei Wochen zuhause und hat einen normalen Eindruck gemacht. Nur ist dem so nicht so. Ganz offensichtlich, denn heute Nacht ist er abgehauen und bis jetzt nicht aufzufinden.

Frustriert bin ich, nachdem ich nach Hause gekommen bin, gefühlte Stunden in meinem Zimmer auf- und abgegangen. So oft, wie ich mir durch die Haare gefahren bin, hätten sie mir schon längst ausfallen müssen.

In meinem Zimmer fällt mein Blick auf meinem Kleiderschrank. Dort lagere ich seit meiner Trennung mit Vince eine Schachtel, die ich seit einiger Zeit nicht mehr geöffnet hatte.

Meine Füße setzen sich wie von selbst in Bewegung. Ich öffne den Schrank und hocke mich hin.

Die Polizei sucht bestimmt schon nach ihm. Vielleicht ist er auch einfach nur spazieren. Er liebte die Natur schon immer.

„Mhm, ganz bestimmt springt er mitten in der Nacht über Blumenwiesen", murmle ich vor mich hin und könnte mir gerade für meine Dummheit selbst eine reinhauen.

Als könnte ich meinen Handlungen nicht mehr steuern, räume ich die ganzen Sachen beiseite, bis ich das gefunden habe, wonach ich suche. Die Kiste.

Mit ihr setze ich mich auf mein Bett und streiche behutsam, als wäre sie wahnsinnig zerbrechlich, über ihren Deckel. Seufzend schüttle ich den Kopf.

Ich sollte sie nicht öffnen. Eigentlich hätte ich sie schon längst entsorgen sollen. Vielleicht sollte ich auch Evan anrufen. Er könnte mich beruhigen.

Tief einatmend klappe ich die Kiste auf und schaue hinein. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als mir eines der Fotos von ihm ins Auge fällt. Das war das erste Foto, das ich von ihm gemacht habe. Es entstand kurz bevor wir uns kennengelernt haben. Sein schönes Lächeln fiel mir sofort auf und ich konnte einfach nicht anders, als ein Foto zu machen.

Wir haben zusammen immer so gerne einfach nur irgendwo gesessen und geredet. Ich glaube, ich werde niemals vergessen, wie anstrengend er werden konnte, wenn er nicht wenigstens zwei Tassen Kaffee intus hatte.

Lächelnd nehme ich eines meiner Lieblingsbilder heraus. An dem Tag habe ich Vince überrascht und von der Schule abgeholt. Er ist dann so schnell auf mich zu gerannt, dass er beinahe von einem Auto angefahren wurde, weil er nicht vorher auf die Straße geguckt hat.

So viele Erinnerungen in einer einzigen Schachtel. Da war noch alles gut zwischen uns.

Seufzend krame ich weiter, bis ich mein früheres Handy in der Hand halte. Noch bevor Vince eingewiesen wurde, hatte er mich monatelang mit Anrufen und SMS terrorisiert. Da seine Eltern aber nicht wollten, dass wir Kontakt haben, musste ich die Nachrichten ignorieren. Sie sagten mir, ich solle mich von ihm fernhalten, wenn ich ihn wirklich lieben würde. Nur so könnte ich ihm helfen.

Only Three Words [boyxboy] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt