Heute gab es Linsensuppe aus der Dose zum Mittagessen. Mama musste lange im Büro bleiben, ebenso wie Papa, der zwei Tage lag in die Schweiz geflogen war, um sich mit seinem Chef zu treffen.
In der Küche war es still, außer mir war schließlich niemand da. Marie nach einem halben Teller Suppe aufgesprungen und war in den Stall gefahren. Sie fuhr heute mit Rosemeyers zusammen aufs Turnier. Deren Tochter Lia ritt in derselben Leistungsklasse wie sie, sie würde heute jedoch mit einem jungen Pferd in einem A-Springen starten, während Marie mit Toscana in einem M und mit Black Pearl ebenfalls im M gemeldet war.
Während ich aß scrollte ich durch meine Instagram Benachrichtigungen und kommentierte ein paar neue Beiträge des Gestütes meiner Oma. Oma legte sehr viel Wert darauf, mit der Zeit zu gehen. Sie hatte vor ein paar Monaten erfolgreich ein Sky Abonnement abgeschlossen, seitdem traf sich die Stammrunde im Reiterstübchen nicht nur Mittwochs, nein, sie kam jedes Wochenende wenn ein wichtiges Fußballspiel anstand.
Als ich grade mein WhatsApps checkte, fiel mir die von Lasse sofort ins Auge.
Sorry, kann heute doch nicht. Fahre mit Lia aufs Turnier. Deine Schwester kommt übrigens auch mit :) L.
Ich musste schlucken. Eigentlich wollte ich mir gar nicht eingestehen dass ich mich so auf das Treffen gefreut hatte. Eine bittere Welle der Enttäuschung überrollte mich wie ein Tsunami.
Ok, schrieb ich. Das einzige, was ich grade tippen hatte wollen.
Ich schaltete mein Handy in den Flugmodus und legte es auf die Kommode in der Küche.
Die Suppe war nur halb aufgegessen. Trotzdem schüttete ich sie weg - ich hatte einfach keinen Hunger mehr.
Es war ein seltsamer Moment, beinahe fühlte es sich so an, als wären meine Gedanken eingefroren.
Ich ging nach oben und zog mir meine dunkelblaue Reithose an. Dann fuhr ich mit dem Bus in den Stall.
Delirium Z hatte frei - er hatte gestern wirklich sehr gut gearbeitet, Wonderwoman ritt ich in der normalen Abteilungsreitstunde um halb vier und Miracle danach auf dem Reitplatz.
Es war wieder etwas wärmer geworden. Die alten knorrigen Bäume rings um den Reitplatz schlugen aus und trugen hellgrüne Knospen. Vögel hatten sich auf ihnen niedergelassen und begannen zaghaft den Frühling einzustimmen.
Der Boden des Dressurvierecks war aus alten Automattenschnipsel gemacht, er federte wunderbar und hinterließ ein tolles Reitgefühl.
Miracle trabte leichtfüßig über die schwarzen Schnipsel und hatte den Hals rund. Ich arbeitete ihn viel am langen Zügel, ließ sich ihn dehnen und nach der Anlehnung suchen.
Wie ich es einmal in einer Reiterfachzeitschrift gesehen hatte, legte ich im Galopp die rechte Hand auf meinen rechten Oberschenkel. Dabei zog ich manchmal die Knie hoch, und das war auf Turnieren nun wirklich nicht gerne gesehen.
Ich übte lange und schaffe es schließlich kn perfekter Manier mit langen Bein einen Zirkle zu galoppieren.
,,Feines Pferd! Braaaav!", lobte ich meinen Schimmel und klopfte ihm vor dem absteigen. Dann umarmte ich ihn von oben und hörte in diesem Moment das Klicken einer Kamera.
Erschrocken sah ich auf. Maike, eine ältere Dame aus dem Vorstand, stand bei A und hielt eine schwarze Canon Kamera auf Brusthöhe.
,,Super! Wunderschönes Foto von euch zweien. Das kommt auf die Webside, wir machen grade ein paar neue Bilder. Du bist doch einverstanden, Ava?"
,,Eva.", korrigierte ich sie freundlich. ,,Klar, können Sie mir das Foto per E-Mail senden? Das wäre lieb bin Ihnen."
,,Natürlich. Deine Schwester hab ich auch grade schon geknipst. Ihr seid so hübsche Mädels!", rief sie verzückt und ging.
Ich lächelte geschmeichelt und ritt vom Platz.
Der Weg hinter der Reithalle führte schnurgerade an einem Feld entlang, hinter dem der Wald lag. Ich ritt diese Strecke oft, weil sie kurz war und recht schöne Aussichten hatte.
Vom Viereck ging's hinter die Reithalle, dann etwa vierhundert Meter gradeaus am Feld entlang und schließlich den Weg hinter der alten Scheune wieder rein auf die Reitanlage.
Miracle stand in einer Außenbox auf Späne. Er hatte eine leichte Stauballergie und wurde kurzerhand nach Beratung mit Oma -die ja mit ihrem eigenen Gestüt mit Erfahrung hatte- auf Späne umgestellt, die eine alte Freundin von ihr biologisch im Allgäu produzierte.
Während ich mein Pferd versorgte und in besagte Box brachte, fiel mir wieder ein, dass wir über Ostern vom dreißigsten März bis zum zweiten April zu Oma fahren würden.
Sie hatte uns wie jedes Jahr eingeladen, denn der Familienausritt an Ostern und der Brunch am Morgen waren Tradition. Sie hatte umgebaut, dass hatte sie mir schon geschrieben, aber Bilder hatte sie und noch nicht gezeigt - es sollte eine Überraschung für alle werden.
Selbst auf ihren Social Media Plattformen -Ja, Oma ging mit der Zeit- und auf der Homepage im Internet des Gestüt Lindströms hatte sie noch keine brandneuen Bilder der Modernisierung veröffentlicht.
Wir wussten alle, dass dieser Schritt für die nicht grade einfach gewesen war. Nein, Oma war auf dem alten ländlichen Gestüt aufgewachsen.
Hatte es in Kindheitstagen erkundet und hatte wahrscheinlich jede Ritze und jeden Schrank gekannt. Jetzt hieß es um Umschwung.
Die neue Generation -Marie, ich und einige andere junge Talente die Oma förderte- stand in den Startlöchern und musste trainieren können.
Sie hatte es sich zu Herzen genommen, reitbegeisterten Kindern den Weg in den Reitsport zu ermöglichen und unterrichtete und förderte die Nachwuchstalente des Münsterlandes.
Ich war stolz auf meine Oma. Sie war von vielen angesehen - schließlich war sie dreimal in der deutschen Olympia-Mannschaft gewesen, sie hatte zwei Goldmedaillien in der Kür gewonnen und eine Mannschaftsdressur mit Silber.
Ich war total gespannt wie das altehrwürdige Gestüt nach dem Umbau aussah. Waren die Holzställe verschwunden? Hatte sie endlich einen Allwetterreitboden für den Reitplatz bekommen? Ich würde es nächstes Wochenende erfahren.
Im Bus nach Hause fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit im Stall nicht an Lasse und unser geplatztes Date gedacht hatte.
DU LIEST GERADE
We are Dancer
Teen FictionEva Lindström. Jeder der heutigen Reiterwelt kennt ihren Namen. Auf fast jedem wichtigen Turnier steht sie auf der Starterliste. Die 14 jährige gehört zu den Hoffnungen Deutschlands. Jeder Trainer reißt sich darum, einmal das Mädchen mit diesem ungl...