Lass los

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Esmeralda stand mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und beobachtete das Getümmel fassungslos. Es sah ernst aus, sie hatte nicht das Gefühl, einer der beiden würde sich absichtlich zurückhalten. Aber dann ließen sie sich wieder Zeit, gaben dem anderen nach einem heftigen Treffer immer wieder Gelegenheit, sich zu erholen. Als Francis einmal ausrutschte, hielt ihn Jesse am Arm fest, nur um sofort seinerseits umklammert und zu Boden gerissen zu werden.
„Muss ich mir Sorgen machen?" murmelte sie leise
„Ich glaube nicht."
Sie zuckte zusammen und sah Jake, der sich neben sie gelehnt hatte und eine Pfeife in der Hand hielt. „Wenn sie sich umbringen wollten, wäre der Kampf längst vorbei."
„Aber..."
„Wirklich. Wenn Dawson es ernst gemeint hätte, wäre der Kapitän längst tot. Oder er selbst. Jesse kämpft nicht so... ritterlich. Nicht, wenn er es ernst meint."
Er rieb sich ganz in Gedanken über eine Narbe am Arm.
„Und Francis?"
„Ist nicht er selbst, nicht ganz. Aber vielleicht hilft diese Art der Therapie ja. Es wäre uns allen zu wünschen. Und jetzt werde ich mich mal leise verziehen, bevor diese beiden ihre Aufmerksamkeit womöglich noch auf andere Ziele richten."

Francis war besser, das musste Jesse zugeben. Es mochte am fehlenden Auge liegen oder daran, dass sich sein Körper immer noch ganz steif anfühlte und die Bandagen um seine Brust so eng waren. Er war nicht ganz so schnell, nicht ganz so genau. Langsam ging ihm die Puste aus.
Außerdem lief ihm der Schweiß in die Wunden auf seinem Rücken und das tat ganz gemein weh. Vielleicht war diese Konfrontation doch keine so gute Idee gewesen.
Francis dagegen war in seinem Element und hatte sichtlich Spaß. Er schien überhaupt nicht müde zu werden, trieb Jesse vor sich her, der mittlerweile die größte Mühe hatte, ihm auszuweichen.
Er spürte fast das Blut durch seinen Körper rauschen, er reagierte mehr aus Instinkt als überlegt, lockte seinen Partner, täuschte an, ließ ihn immer wieder ins Leere laufen und versetzte ihm viele kleine Hiebe, die Jesse zusehends zu schaffen machten. Ein bisschen leid tat es ihm schon, sein Maat war verletzt und auch wenn er gelernt hatte, seine Behinderung auszugleichen, das reichte nicht immer. Francis nutzte diese Gelegenheiten aus, hielt sich aber dann und wann zurück, um ihm eine Atempause zu gönnen. Aber er war listig, dieser kleine Kobold, und gerade als sich Francis schon als Sieger fühlte, Jesse sich benommen über die Augen fuhr und leicht schwankte, tappte er seinerseits in eine gut gestellte Falle. Er wollte ihm noch ein bisschen Zeit lassen und diesen Moment wählte Jesse, um mit letzter Kraft auf ihn loszugehen.
Der Schlag traf ihn unter dem Auge und prallte an seiner Nase ab, die sofort zu bluten begann. Francis keuchte schmerzerfüllt und fuhr mit Hand zu seinem Gesicht. Es war wohl nichts gebrochen, aber das Blut lief ihm über das Gesicht. Jesse stand vor ihm, die Hände auf die Knie gestützt und schnaufte vor sich hin. Er blickte auf und grinste.
„Ha. Erster Treffer geht an mich. Gibst du auf?"
Francis traute seinen Ohren kaum. „Aufgeben? Du Ratte, jetzt reichts aber!"
„Na, dann komm..." Jesse lockte ihn, aber jetzt sah er wirklich aus, als würde er gleich zusammenbrechen. „Ich bin noch nicht mit dir fertig, Drake."
Das saß. Francis schoss ein unwillkommenes Bild durch den Kopf, ihm wurde heiß und kalt. Verdammt, dann sollte er eben bekommen, wonach er verlangte.
Er sprang mit einem Aufschrei vor und griff wieder an. Jesse wehrte sich, musste aber immer weiter zurückweichen, bis sie kurz vor der Rückwand der Kapitänskajüte angekommen waren. Dann packte Francis ihn an den Schulte und knallte ihn rückwärts an die Wand. Jesse schrie auf. Ein zweites Mal traf sein Rücken das Holz. Es tat weh, trieb ihm die Tränen in die Augen er fühlte das Blut fließen, durch die Verbände sickern. Er hob die Fäuste, um Francis abzuwenden, aber seine Hände zitterten zu sehr. Der stand abwartend dicht vor ihm.
Jesse ließ sich einfach nach vorne fallen, riss Francis mit sich auf den Boden. Sie landeten in einem Haufen aus Armen und Beinen, erschöpft und ohne großen Willen, noch einmal aufzustehen.
Francis war wie ein Sack auf den Boden geplumpst, zu überrascht von diesem Manöver. Jesse war weich auf ihm gelandet, stemmte sich jetzt aber vorsichtig hoch. Francis wischte sich mit dem Ärmel über Mund und Nase, um wieder mehr Luft zu bekommen, und sah dann zu seinem Maat hoch.
„Der zweite Treffer war dann meiner, ja?"
Jesse gab keine Antwort, sah ihn nur an. Dann beugte er sich wieder über ihn und Francis schloss die Augen, als sich ihre Lippen trafen. Salzig, blutig, nach Schweiß stinkend und zu Tode erschöpft ließ er es einfach geschehen. Jesse küsste ihn langsam, behutsam und Francis öffnete den Mund für ihn ließ ihn ein ohne groß darüber nachzudenken. Er ließ die Beine leicht zu Seite fallen und fühlte Jesse dazwischen gleiten. Wie ein Blitz schoss ihm die Hitze durch den Körper und sammelte sich in seinem Unterleib. Er klammerte sich an Jesse, krallte sich in seinen Rücken und hob sich ihm entgegen. Jesse keuchte auf und zog sich ein Stück zurück. Dann erst fühlte er, wie nass das Hemd war, in das er gerade seine Finger geschlagen hatte, feuchte Blutflecken, dort wo die Verbände nachgegeben hatten. Er ließ los, ließ die Hände tiefer wandern und griff nach Jesses Hintern.
„Francis..."
Seine eigene Stimme klang rauh, als er antwortete. Ob von der Anstrengung oder dem Blut in seinem Mund wusste er nicht zu sagen. Er flehte nicht, nein, er würde nicht betteln.
„Jesse, bitte... Ich will mehr von dir."
Der ließ sich die Hose über die Hüften ziehen, half Francis dabei, als er sich kurz hochstemmte um auch hier zuviel Stoff zu beseitigen. Nur ein wenig, nur gerade genug, um zu spüren, wie sehr Jesse ihn ebenfalls wollte.
Eine warme Hand schloss sich um sie beide und Francis ließ sich einfach fallen, als er Jesse gegen sich rucken fühlte, erst sanft, dann heftiger werdend. Heiße Lippen an seinem Hals, schwarze Haare in seinem Gesicht und ein wilder Geruch nach Blut, Schweiß und Erregung in der Nase, überließ er sich Jesses Führung, seinen Händen und seinem Mund. Er murmelte Worte, die er selbst kaum verstehen konnte, die aber immer wieder das gleiche bedeuteten. Mehr. Fester. Und, ich liebe dich. Als ihn die letzte Welle überrollte, wehrte er sich nicht, grub die Finger nur wieder ohne nachzudenken in Jesses Körper. Er presste ihn fest an sich, diesen Mann, der ihm mehr bedeutete als alles andere auf der Welt und schenkte ihm mit einem letzten Aufschrei alles, was ihm noch geblieben war. Seine bedingungslose Kapitulation.

Einmal um die Welt (Piratenblut 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt