42- Wie im Supermarkt

2.7K 133 91
                                    

"Sieht mein Busen nicht zu hochgedrückt aus?" Alice hüpft vor dem Spiegel herum und zupft ihr Oberteil zurecht.

"Du siehst toll aus, Alice", wiederholt Marlene zum zehnten Mal an diesem Morgen.

Heute ist in Hogwarts Besuchstag. Es wird ein großes Festessen geben und danach ein Quidditchspiel, ausgetragen von Ravenclaw und Hufflepuff.
Natürlich ist mir wieder eingefallen, was gestern vor meiner Sauferei geschehen ist. Ich bin unglaublich ängstlich, schließlich habe ich mich damit abgefunden, dass ich keine Eltern mehr habe und Vollwaise bin. Ich weiß gar nicht, wie ich reagieren soll, wenn ich sie gleich sehe oder wenn ich realisiere, dass sich jemand einen üblen Scherz auf meine Kosten erlaubt hat.

"Gehen wir? Um dreizehn Uhr sollten sie alle da sein." Mary zieht noch einmal ihr Haargummi fest, bevor sie meine Hand nimmt und wir gemeinsam nach unten in die Eingangshalle gehen.

"Du brauchst keine Angst haben, wir sind für dich da", muntert mich Alice auf.

Ich muss wohl aussehen, als hätte ich einen Stock im Hintern, denn Marlene herrschte mich an, nicht wie ein totes Brett zu laufen.
Auf dem Weg nach unten stießen wir auf die Rumtreiber, die wie immer laut und albernd waren. James nahm mich in den Arm und versuchte, mir gut zuzureden. Ich schätzte das sehr, was meine Freunde für mich taten.

In der Eingangshalle waren sehr viele Leute versammelt. Eltern, Geschwister, Großeltern und Schüler, die ihre Familie begrüßten.
Unten angekommen, erblickte Alice ihren Freund Frank und ihre Eltern. Sie verschwand.
Auch Mary und Marlene entdeckten ihre Familien. Marys Muggel-Familie fühlte sich nicht ganz so wohl in dem Pulk aus Zauberern, da sie eher abseits standen. Muggel-Eltern werden von den Lehrkräften zu Hause abgeholt und dann per Apparieren nach Hogwarts gebracht.

Ich schaute mich nervös um. Ich sah meine Eltern nicht. War ja klar. Langsam füllten sich meine Augen mit Tränen.

"Sind sie nicht da?", fragte James, der noch neben mir stand.

Ich schüttelte den Kopf. Dann begann ich zu weinen. Doch bevor mich James in den Arm nehmen konnte, trat Professor Slughorn vor mich.

"Miss Evans? Ihre Eltern warten dort hinten auf Sie."

"Wir bitte?", hickste ich und reckte den Hals in die Richtung, in die Slughorn zeigte. "Wirklich?"

"Aber natürlich. Ich habe sie eben abgeholt! Da drüben bei der Tür zur Großen Halle stehen sie", lachte Slughorn und tippelte davon. Anscheinend hat er gar nicht mitbekommen, dass sie eigentlich tot sind...

Ich gehe langsam in Richtung Tür der Großen Halle. Ich weiß gar nicht, wie ich mich fühlen soll. Ich komm mir vor wie in einem Traum.
Neben der Tür stehen tatsächlich zwei Personen. Aber es sind nicht meine Eltern, es sind die von James. Hat Slughorn sie etwa mit meinen verwechselt? Wahrscheinlich. Jetzt fühle ich mich ziemlich mies.

"Lily?"

Eine Stimme hinter mir ertönte. Ich wirbelte herum. Meine Mutter und mein Vater standen vor mir. Sie waren lebendig. Sie waren nicht tot. Sie waren hier.
Wie ein tosender Fluss kullerten Tränen aus meinen Augen die Wangen hinunter. Ich stürzte mich in Dads Arme, danach in die meiner Mutter. Das hier war echt; ich träumte nicht.
Meine Eltern weinten ebenfalls und eine ganze Weile standen wir fest umschlungen in Meer aus Schülern, Eltern und Lehrern. Ich war einfach nur überglücklich.

"Ihr habt mir gefehlt."

"Du uns auch."

"Ich denke, wir sollten nach draußen gehen", schlug meine Mutter vor. Zu dritt begaben wir uns auf die Schlossgründe. Es lag kaum noch Schnee, in den letzten Tagen ist einiges weggeschmolzen.

Go out with me? | James+LilyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt