M A N I A C
L O V E
{12}[I'm alive!]
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Achtzehn Jahre.Achtzehn verdammte Jahre hatte ich auf irgendein Zeichen gewartet.
Wut ist überhaupt kein Ausdruck für das, was ich fühlte, als ich damals den Brief in meiner Hand las und für gefühlte Stunden anstarrte.
Ich weiß nicht, ob ich vielleicht darauf gewartet habe, dass ein kleiner Papierclown aus dem Umschlag springt, begleitet von irgendeiner fröhlichen Musik und dann 'War nur ein Scherz' ruft.
Jedenfalls passierte es nicht. Der Brief verschwand auch nicht, so wie ich es mir insgeheim gewünscht hatte. Ergo meine Probleme lösten sich auch nicht in Luft auf, die mit dem Brief in Verbindung stehen, denn am darauffolgenden Tag lag der Brief immernoch an Ort und Stelle: Zerknüllt im Mülleimer.
Eine Woche lag der Brief in genau diesem, bevor ihn Lynn rausholte, als sie den Müll entsorgen wollte.
Ich wollte ihn nie wieder sehen. Am liebsten hätte ich ihn komplett ignoriert und einfach ganz normal weitergemacht. So getan, als ob der Brief nicht existiert. So, als ob all das niemals passiert wäre. Mein ganzes Leben habe ich ohne irgendwelche Informationen über meine Eltern gelebt. Wieso sollte sich das auf einmal ändern?
Ich meine natürlich hatte ich mir oft Gedanken darüber gemacht, wie meine Eltern aussehen könnten oder wie sie als Person wären. Aber als es dann schließlich soweit war und ich die Möglichkeit hatte all diese Dinge herauszufinden, wollte und will ich sie nicht mehr wissen.
Warum auch? Und überhaupt...
Was soll denn das? Sie verpissen sich aus meinem Leben und dann ganz plötzlich, als ich mich gerade angefangen hatte damit abzufinden, dass ich niemals elterliche Liebe empfangen werde, kommen sie mit einem verdammten Brief und ein paar Tausend Pfund und schmeißen alles durcheinander.
Wahrscheinlich denken sie, ich würde sie jetzt mit offenen Armen begrüßen und vor ihnen dankbar auf die Knie gehen, aber da hatten sie sich gewaltig geschnitten. Ich habe eher das Bedürfnis, diese beiden Menschen in die weitenfernteste Galaxie wie nur möglich zu schießen, damit die Wahrscheinlichkeit ihnen jemals zu begegnen gleich Null ist. Aber das können sie ja nicht wissen. Wie auch? Sie waren schließlich nie da.
Ganze drei Wochen konnte man mit mir kein normales Gespräch führen. Ich reagierte entweder aggressiv oder gar nicht, wenn man mich ansprach.
Ein Monat nach dem Brief landete ein neuer weltbewegender Brief in unseren Briefkasten an mich adressiert. Jedenfalls weltbewegend für meine Wenigkeit.
Was ich damit sagen will ist, dass es sich nicht um eine Steuererklärung oder einen Beschwerdebrief der Nachbarn handelte. Vielmehr handelte es sich um eine Einladung für eine Casting, bei der mich, wie ich später herausgefunden habe, Lynn heimlich angemeldet hat.Lange Rede, kurzer Sinn. Hier stehe ich nun also. Auf der Bühne von 'The X-Factor' und mir gegenüber mein 'Vater'. Man beachte bitte die Anführungszeichen.
Ein Typ der Crew, die im Backstagebereich arbeiten kommt zu mir auf die Bühne und überreicht mir meine Gitarre. Ich nicke ihm dankend zu und setzte mich im Schneidersitz auf den kühlen Parkettboden. Mit der Gitarre in meinem Schoß und dem Mikrofon in der dafür vorgesehenen Halterung, die der Mann, der mir auch die Gitarre gebracht hat, auf meine Gesichtshöhe eingestellt hat, blicke ich ein letztes Mal auf und suche den Raum mit meinen Augen ab.
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Maniac Love
Teen FictionIm ersten Moment führt Jolina ein für ihre Verhältnisse völlig normales Leben: Mit den Zwillingen Jay und Lynn an ihrer Seite, versucht sie wie jeder andere in ihrem Alter auch, die Hürden des Lebens als frischgebackene High-School-Absolventin zu me...