„Es tut mir Leid", so lauten die ersten Worte des Prinzen, als sein Fieber abgeklungen ist und seine Augen wieder klarer werden. Er murmelt sie schnell und kraftlos, als nur Taris in der Nähe ist und angestrengt darin versucht, die Löcher in der Wand zu flicken. Ilfrid ist überzeugt, dass sie die halb zerfallene Jagdhütte einigermaßen winterfest machen können, und eine andere Möglichkeit bleibt ihnen auch nicht mit dem Rückfall des Prinzen. Sie sind noch lange nicht so weit weg von ihren Feinden, dass Fragen sie nicht mehr verletzen können.
„Es ist alles gut, mein Prinz", antwortet Taris leise.
„Nein", widerspricht der Prinz und versucht sich stöhnend auf der harten Bank aufzurichten, die ihm als Lager genügen musste. „Ich habe es so gehasst, nichts tun zu können. Ich habe die Geduld verloren und ihr, die ihr immer an meiner Seite wart, musstet darunter leiden."
„Es ist kein Problem, mein Prinz", will Taris sagen, doch er hält inne, als er den Blick des Prinzen sieht und die Angst darin erkennt. Er sieht den Jungen aus der ersten Nacht, verloren und hilflos.
„Ich würde Euch deswegen nie im Stich lassen", flüstert er stockend. „Ich werde Euch nie im Stich lassen, ich schwöre es."
Er kann nicht sagen, ob der Prinz schon wieder gesund genug ist, um alles zu verstehen. Aber er sinkt mit einem Lächeln zurück und sein Schlaf in dieser Nacht ist ruhiger als die Nächte zuvor, und Taris fühlt wie ihn selbst die Erleichterung durchströmt.
***
Dieser Winter ist wortkarg und voller Entbehrungen, aber er fühlt sich sicher an.
Taris weiß, was er anfangen kann, vom Wurzelsuchen bis Fallenstellen und Ilfrid lockt mit vergessenen Worten einen großen Hirsch an, da haben sie tagelang Braten und Eintopf zu essen, auch wenn die Gewürze spärlich sind. Es reicht ihnen irgendwie aus – alles reicht ihnen irgendwie aus, die alte Hütte, der wenige Platz, das Wissen über die Welt um sie herum, von dem sie noch weniger haben.
Ob Ilfrid wohl wieder aufbrechen will, und sich nach Neuigkeiten erkundigen, fragt sich Taris, aber der Heiler sitzt meistens am Feuer und starrt nachdenklich in die Flammen. Wenn er vor der Hütte das Holz hackt, dann ächzt er und macht nach wenigen Stämmen schon die erste Pause.
Wenigstens der Prinz, wenigstens der Prinz macht Fortschritte.
„Ich komme mit", sagt er eines Tages zu Taris, als er nach seinen Fallen sehen will. „Wer weiß, wer sich da draußen herumtreibt."
Sie sind langsamer unterwegs als Taris alleine, aber er fühlt, wie zufrieden der Prinz ist, mit dem Schwert in der Hand durch die kühle Winterluft zu schreiten.
***
Taris ist beschwingter als sonst, weil er bei seiner täglichen Suche nach Heilpflanzen und Essbarem das Tauwetter bemerkt hat und das nachwachsende Grün. Bald wird das Leben nicht mehr gar so grimmig sein, und er kann es kaum erwarten dem Prinzen und Ilfrid davon zu berichten.
Doch als er die Hütte erreicht, ist sie leer. Das Feuer ist zum ersten Mal seit ihrer Ankunft erloschen und die Kohlen noch warum und obwohl Taris all ihre Sachen noch sehen kann, ergreift es ihn schwarz mit der Angst, dass sie ihn zurückgelassen haben.
Er sucht verzweifelt nach Hinweisen, wo sie sein könnten, aber allein das Schwert fehlt und als er hinausrennt, taut es schon so sehr, dass menschliche Fußspuren genauso gähnende Löcher im Schnee sind wie die Fährten der Wildtiere. Bevor er anfangen kann, nach ihnen zu rufen, spürt er kalten Stahl an seinem Hals.
DU LIEST GERADE
Der Vergessene Prinz
AdventureEs ist nur der Zufall, der den einfachen Dorfjungen Taris und den fliehenden Prinzen seines gefallenen Königreichs in Zeiten des Chaos zusammenbringt. Doch mit jedem Schritt durch eine unsichere, feindliche Welt, verflechten sich ihre Schicksale meh...