16.Kapitel

367 36 7
                                    

Kurzschlussreaktion, die: in einer Kurzschlusshandlung bestehende Reaktion.
Das Aussetzen meines Herzschlages war eine Kurzschlussreaktion, genau wie die Geste, mit der ich meine Lippen berührte; meine geweiteten Augen zählten auch dazu, und die Sekunde, in der ich den Kuss erwiedert hatte ohnehin. Alle diese Dinge zählten, ohne Zweifel, in das weitläufige Feld der Kurzschlussreaktionen.
Mein Herz raste, und ich bekam nur am Rande mit, wie Marik aufsprang, nach außen lief; in meinem Kopf war gar nicht genügend Platz, um das alles zu realisieren; er konnte doch nicht- nein, das... Es war um einiges zu unrealistisch, dass, selbst wenn Marik mich geküsst hatte, dass er es so getan hatte. Hatte er nicht selbst gesagt, er hatte mir keine Hoffnungen machen wollen? Und dann küsste er mich so? Nun gut, es war auch durchaus möglich, dass ich mir in meinem Kopf schon so viele Hoffnungen gemacht hatte, dass ich mir nun so einen Kuss eingebildet hatte, aber das war dann doch eher... unrealistisch. In meiner Karriere hatte ich genügend Leute geküsst, um zu wissen, wann ein Kuss gespielt war, und wäre es dieser gewesen, dann hätte ich das gespürt- und würde jetzt nicht immer noch an diesen Bruchteil einer Sekunde denken. Dieser Bruchteil einer Sekunde, an dem seine Lippen auf meinen lagen, und mein Verstand sich verabschiedet hatte.
"Wie meinen Sie das, wir müssen die Szene noch einmal schießen? Es war doch schon genug, dass ich Ihn einmal geküsst hab!"
Ich sah hoch, und mir wurde instant kälter; meine gesamten Gedanken von vorher wurden mit einem Mal zunichte gemacht, als ich Marik sah, der auf mich zukam, sich wieder auf die Bank fallen ließ, sich dann in einer eleganten Geste durch die Haare fuhr, mich abwesend ansah, als sei ich ihm vollkommen egal; seine Augen fuhren über mein Gesicht, suchten nach jedem kleinen Makel, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich neben ihm wirklich, ernsthaftig minderwertig. Dieses Gefühl hatte er mir schon lange nicht mehr gegeben.
" Hey", sagte ich zögerlich, einfach, um überhaupt etwas gesagt zu haben.
" Ja, hey.", antwortete er, "Reich mir mal kurz mein Drehbuch, da kommt noch irgendein Text vor meinem... vor dem Kuss, und ich hab den gerade nicht mehr im Kopf.", sagte er, und ich, ohne irgendwelche Hintergedanken, griff danach, und reichte es ihm, sah dann zu, wie er die Stelle hastig überflog.
" Okay, okay", murmelte er, und ich bemerkte erst jetzt, wie gut er im Profil aussehen konnte, wenn er so vertieft war in seinen Text- hastig schüttelte ich den Kopf, ich konnte nicht solche Sachen denken, wenn er so nahe an mir dran war. " Ich weiß nicht, was du mit mir machst, und  Ich weiß nicht, was es an dir ist, aber du bist was ganz besonderes", flüsterte er.
" Was?", krächzte ich, und er sah auf, mich spöttisch an.
" Das ist mein Text, Dennis", sagte er leise, und ich nickte hastig, versuchte mich an einem kleinen Lächeln.
" Ist das nicht ohnehin mein Text?", fragte ich, und er verdrehte die Augen, bevor er sich wieder seinem Textbuch zu wendete, ich mich darauf vertiefte, ihn nicht zu offensichtlich anzustarren, und stattdessen meine Hände zu beobachten. Das ging vielleicht zehn Minuten so, dann kam einer der Techniker auf uns zu, lächelte nervös.
" Sind die Herren soweit?"
" Je schneller wir anfangen, desto früher sind wir auch damit fertig", murmelte Marik leise, so dass nur ich es hören konnte, dann sah er auf, lächelte. "Na klar, ich bin bereit."
" Ich auch.", sagte ich, vermied es allerdings, meinem Co-Star ins Gesicht zu sehen, das würde ich noch früh genug müssen; der Techniker nickte, ging dann davon, und kaum zwei Sekunden später gab man uns auch schon das Startzeichen.
" Dann befreie dich davon! Du darfst dich deinem Schicksal nicht einfach ergeben, kämpfe dagegen an! Du bist doch stark, beweise es!", sagte ich, und Miks Augen glitten wieder über mein Gesicht, dieses Mal aber deutlich humaner als beim letzten Mal, als er sein kleines "Na gut" einwarf.
Wie vom Skript vorgegeben rutschte er nun ganz sachte auf mich zu, verschränkte seine Hand mit meiner, lächelte mich schüchtern an- als ob Marik jemals schüchtern gewesen wäre!- bevor er im Text weitermachte.
" Ich weiß nicht, was du mit mir machst, und Ich weiß nicht, was es an dir ist, aber du bist was ganz besonderes", flüsterte er, und ich musste stark an mich halten nicht das kleine, im Text vorgesehene "Was?", zu krächzen, bevor er sich nach vorne beugte, mich noch einmal kurz ansah, und mich dann zum zweiten Mal küsste.
Seine Lippen waren weicher und vorsichtiger als zuvor, und mein Herz hatte wohl einen Totalausfall, da es erst stockte, um dann in dreifacher Geschwindigkeit wieder  loszurennen, was ich versuchte zu ignorieren; wie von selbst vertiefte ich den Kuss, zuckte nur kurz zusammen, als Mik mich näher an sich zog, seine Hände durch meine Haare gleiten ließ.
Erst als nach einiger Zeit vollkommen überfordert ein "Cut" von Melzer eingeworfen wurde, lösten wir den Kuss, und innerhalb einer Sekunde wurde mir klar, was hier gerade passiert war; ich sah auf, und die blauen Augen starrten zurück, mich genauso angsterfüllt an, wie ich wohl schauen musste.
" Wir machen für heute Schluss!", rief Melzers Stimme uns aus dieser Starre hinaus, und bevor ich  mich auch nur geregt hatte, war Mik schon aus dem Raum, während ich einfach wie ein Häuflein Elend zurückblieb, mein Herz verwirrter als jemals zuvor.

Und... Action!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt