5. Kapitel

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Dennis' verwirrter Blick war alles was ich brauchte, um meine nächsten Vorgehensweisen festzulegen. Ja, ihm zuerst schmeicheln, mit ihm zu spielen und ihm dann in den Rücken zu fallen, das gefiel mir gut. War zwar nicht die feine Art, aber bitte, wir waren an einem Schauspielerset! Für alle Außenstehenden an dieser Stelle, das war für gewöhnlich Krieg 2.0! Jeder keilte sich hinter den Kameras mit jedem um die begehrtesten Plätze und nicht selten stachen Kandidaten einander auf verschiedensten Wegen aus, um sich selbst ins Rampenlicht zu katapultieren. So entstand letztendlich auch der gesamte Klatsch und Tratsch. Ein ständiges Auf und Ab auf der Rangliste der beliebtesten, ehrlichsten, bekanntesten, pannenfreisten und meistgecasteten Akteure. Nur an der Spitze änderte sich nichts, denn ich war ein Profi. Ich sorgte dafür, dass niemals nachweisbar ein schlechtes Wort über meine Lippen sprang und mich sowohl Regisseur, als auch andere Mitarbeiter nie negativ erwähnen konnten. Ich arbeitete sauber, präzise und ehrgeizig. Deshalb war ich der Beste.

Was Dennis so knapp unter mir auf dem Siegerpodest suchte, konnte ich wiederum nicht verstehen. Es entsprach keiner mir logisch nachvollziehbaren Taktik, die andere an den Tag legten. Er war weder besonders erfahren, noch schauspielerisch wahnsinnig überragend. Alles was er hatte war sein kindliches Aussehen und seine Tollpatschigkeit, die ihm jedoch auf unerklärliche Weise nur positives einbrachten! Er war zurzeit der zweiterfolgreichste Schauspieler und Spekulationen der Presse und verschiedener Klatschzeitschriften nach war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch mich, die bisher unangefochtene Nummer eins, einholen würde. Pah, nicht mit mir! Ihm würde ich es noch heimzahlen, mir den Thron streitig gemacht zu haben!

Zügig strebte ich zum Ausgang und zurück zu meinem Auto. In drei Tagen würde die ganze Crew wieder hier zusammenkommen, diesmal um zu bleiben und in riesigen Wohnwagenlandschaften rund um das Studio Quartier zu beziehen. Typisches Hollywood Klischee, aber besser, als dass wir Doppel- oder Dreierzimmer mit Menschen zugewiesen bekamen, die wir nicht ausstehen konnten. Mit Dennis zum Beispiel. Dann lieber ein halbes Jahr Campingausflug in den selben engen vier Wänden, als ständig diese Nervbacke um mich herum!

Schwungvoll ließ ich mich auf das Sitzpolster meines Wagens fallen und wollte bereits den Schlüssel drehen, als ich noch jemanden nach mir rufen hörte: "Tschüss, bis in drei Tagen Mik!" Wenn man vom Teufel spricht...

Ich zwang mich, ihn nicht mit meinem zornigen Blick zu durchbohren, stattdessen belächelte ich ihn leicht abfällig. "Marik für dich, immer noch", dann setzte ich mir meine Sonnenbrille auf, ließ den Motor kurz aufheulen und preschte im Affenzahn vom Parkplatz. Das Radio drehte ich bis zum Maximum auf. Und nach zehn Minuten konnte ich mich auch endlich zu "Good Life" von Oliver Heldens entspannen und meine näheste Zukunft erst einmal erfolgreich verdrängen.

"Maaan! Das muss inbrünstiger kommen! 'Bitte, verlass mich nicht! Du bist die einzige, der mein Herz gehört!'", rief ich Dennis genervt mit leicht verstellter Stimme von meinem Platz neben Herrn Melzer zu. Die erste Szene im Drehbuch lag aufgeschlagen auf meinen Knien und mittelmäßig interessiert schaute ich zu, wie der Typ sich in seiner Rolle als Robin gerade von seiner langjährigen Freundin Clara trennen sollte. Die Schauspielerin kannte ich auch und sie spielte die reife, junge Frau ausgezeichnet, doch wie zu erwarten fand ich an ihrem Partner allerhand zu kritisieren. Gestik, Mimik und Betonung hätte ich allesamt anders rübergebracht als er. Unserem Regisseur schien es jedoch gar nicht zu passen, dass ich ihm seine Arbeit wegnahm. "Nein nein, weitermachen, das passt alles so", verlangte er und sofort sprintete einer der vielen Leute um uns herum los, um die Klappe für den nächsten Take zu machen. Dennis lächelte unsicher zu mir hinüber. Ob ich jetzt..?

Gönnerhaft erwiderte ich seinen schüchternen Blickkontakt und gab ihm zwei Daumen nach oben, obwohl ich noch immer der Überzeugung war, dass seine Leistung grottiger nicht sein konnte. Und wie erwünscht lief der Kerl rot an, verpasste seinen Einsatz und stolperte sogar noch im darauf folgenden Anlauf über eine Stelle seines Textes. Beinahe drollig, wie ihn so einfache, unbedeutende Gesten komplett aus der Fassung brachten.

Und... Action!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt