11. Kapitel

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Nachdem auch ich in meinen Wohnwagen zurückgekehrt war, lag ich noch lange wach, obwohl ich dringend den Schlaf brauchte. Augenringe ließen sich in der Maske einfach beseitigen, aber die Symptome, sprich die Müdigkeit, bekämpfte nicht einmal die stärkste Schminke. Nicht nur, das ich ein Morgenmuffelchen war, sondern dass es mir auch das Konzentrieren schwerer fiel, wenn ich zu wenig oder nicht gut geschlafen hatte.

Aber mir ging das grade eben nicht aus dem Kopf. Waren wir grad wirklich wie ein Pärchen über das abendliche Set gelaufen? Händchen haltend und so vertraut miteinander redend, obwohl wir uns vor dem Dreh weder jemals persönlich oder privat unterhalten, geschweige denn gesehen hatten, die Roten Teppich Events mal ausgenommen. Da kam man nicht ins Gespräch. Man gab höchstens an mit seiner Garderobe oder seinen Weibsbildern, die man in viel zu engen Kleidern wie Handtaschenhunde am Arm eingehakt mit sich herumschleppte. Ekelhaft sowas, aber es gehörte nunmal dazu.

Nein, auf was ich hinauswollte war, dass ich ihn nicht abgewiesen hatte. Niemand war da sonst rumgestromert, absolut kein Zeuge, es wäre meine Chance gewesen, um ihn wieder runterzubuttern, zu verwirren und zu zeigen, wer die Nummer Eins von uns beiden war. Stattdessen war ich brav mit ihm mitgegangen. Und was war mit Dennis? War er wirklich schwul? Oder spielte er auch mit mir? Oder war es sein Charakter Robin, der im Laufe es Films noch diese Tendenzen entwickelte und für den ich mit ihm grade unbewusst und sozusagen gratis geprobt hatte? Wenn das der Fall war, wollte ich aber am Ende des Drehs ein riesig fettes Dankeschön von ihm haben! Ihm einfach so helfen, damit er mir irgendwann meinen Platz wegnahm, das wäre ja noch schöner!

Ich entschloss mich einfach, in nächster Zeit wieder ein wenig ruppiger zu ihm zu werden. Ihm in welcher Hinsicht auch immer nur noch klitzekleine Hoffnungen zu machen und mich mehr darauf zu fokussieren, ihn zu verwirren. Das gefiel mir wieder gut! Und bevor ich mir weitere Gedanken darüber machen konnte, griff die endlich Müdigkeit nach mir und ich ergab mich ihr augenblicklich.


Das ergab doch absolut keinen Sinn! Beinahe hätte ich mir aufgebracht die Haare gerauft, doch dann wäre eine Arbeit von knapp einer Stunde in der Maske zerstört. Das wollte ich dann auch niemandem von der Crew nochmal antun.

Das Drehbuch lag auf meinem Schoß, doch das was dort stand war total hirnrissig für mich. Nach den paar zufälligen Zusammentreffen von Timo und Robin kam jetzt eine Szene mit einem ziemlich langen Dialog zwischen den beiden. Bis dahin war alles okay. Aber warum, warum erzählte Timo ihm plötzlich alles über seine kriminellen Machenschaften? Wollte er nur in den Knast kommen? Hallo?!, er kannte den Typen doch kaum und trotzdem schüttete er ihm trotzdem sein Herz aus! Wieder einmal überkam mich das Gefühl, es wäre doch besser gewesen, für diesen Film meinen Stolz über Bord zu werfen und mich mit der Story mehr auseinanderzusetzen! Aber selbst wenn, jetzt hatte ich dafür eh keine Zeit mehr! Der Dreh fing in drei Minuten an und erstmals wusste ich nicht, wie ich meinen Textanteil glaubhaft verkaufen wollte. Es war einfach nur dämlich, dieser Gedanke blockierte grade jeden anderen rationalen Einfall. Warum konnten nicht mehr Regieanweisungen zur Gefühlslage am Rand stehen?

Melzer scheuchte Dennis und mich mit einer ungeduldigen Handbewegung auf die grün ausgekleidete Spielfläche und gab den Kameraleuten die letzten Anweisungen. Ob ich etwas sagen sollte? Den Text konnte ich ja, aber ich würde ihn vermutlich emotionslos runterrasseln und das war garantiert nicht das, was der Regisseur sich für diese Stelle wünschte. So oder so würde ich mich schrecklich blamieren!

Ich spürte Dennis Blick in meinem Rücken brennen und drehte mich entnervt zu ihm um. "Was?", fragte ich frustriert und erreichte, dass er zusammenzuckte. "Tut mir leid. Du sah nur so aus, als wärst du ein wenig ratlos. Hat es mit der Szene zu tun?"

Unwillig knurrte ich. Ausgerechnet ihm fiel es natürlich auf oder wie? Spitze! Aber jetzt hieß es wohl wirklich, sich zu überwinden und wenigstens einmal Hilfe anzunehmen, wenn ich schon welche angeboten bekam.

"Die Szene, wie soll ich das glaubhaft rüberbringen? Das ist doch totaler Quatsch!" Dennis schüttelte den Kopf: "Das ist kein Quatsch! Wie sollen wir uns sonst näher kennenlernen? Du... du hast doch aber das Drehbuch gelesen, oder?"

"Ja, hab ich!", brummte ich zerknirscht, "Also nur ganz normal einfach drauf los quatschen, oder?" Mein Schauspielkollege schaute mich plötzlich an, als hätte ich eben behauptet, die Erde wäre eine Scheibe und an den Rändern könnte man herunterfallen. Kurz suchte er nach Worten, ehe er stammelte: "A-aber Marik! Du wirst doch wohl wissen, wie man mit seinen Freunden spricht! O-oder behandelst du deine etwa wie-?"

"Jungs, es geht los! Auf eure Positionen, drei, zwei, eins, Action!"

Hastig hechteten wir an unsere Plätze und wäre Dennis nicht auf dem Weg ungünstig über eine am Bogen liegende Requisite gestolpert, hätte ich vermutlich glatt meinen Anfangstext versemmelt. Dann wurden diese ungleichen Menschen, Timo und Robin, tatsächlich Freunde?! Der Gangster, der Überfälle, Diebstahl und sogar schon kleinere Erpressungsdelikte hinter sich gebracht hatte, fand tatsächlich irgendwas an diesem Träumer und dauerhaft verplanten Typen? Ich hatte mir zwar weitere Überraschungen gewünscht, aber entweder war diese hier ein echt unlogischer Fehlgriff, oder ich übersah hier etwas! Naja, was solls, selbst Profis konnten mal Mist bauen.

Dennis entschuldigte sich hochnotpeinlich immer wieder bei Melzer und kämpfte gegen seine Röte an, also hatte ich nochmal schnell Zeit zum Nachdenken! Wie ich mit Freunden sprechen würde. Zu doof dass sich nicht viele Menschen meine Freunde schimpfen durften. Ach, und selbst wenn, irgendwie würde ich das schon händeln! Hatte ich doch bisher auch immer geschafft! Warum zweifelte ich eigentlich an mir? Ich war doch Marik Roeder! Der beste Schauspieler Deutschlands! Wenn das jemand schaffte, dann doch wohl ich!

Mit dem Schlag der Klappe war ich nahtlos in die Rolle des Timo geschlüpft, schaute mit einem Seufzer auf zu Robin, der wie beinahe immer im Anfang der Szenen knallrote Wangen hatte, und begann ihm meine Leidensgeschichte zu erzählen.

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Ach ja, wenn ihr netten Menschies Kommentare verfasst, die an mich (Pharaotix) gerichtet sind, solltet ihr mich dabei markieren ;) Ich schau hier eigentlich nur Sonntags zum Veröffentlichen meiner Kapis vorbei und überseh euch sonst leider!

Und... Action!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt