3. Kapitel

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Und eine Woche später war es dann endlich soweit. Das Rätselraten würde ein Ende haben und ich würde erfahren, wer die zweite Hauptrolle abbekommen hatte. Auf der Fahrt zum Studio von Herrn Melzer hatte ich beste Laune. Vergnügt pfiff ich zu dem Lied im Radio, trommelte dazu übermütig im Takt auf dem Lenkrad und verpasste beinahe noch die richtige Ausfahrt auf der Autobahn.

Natürlich hätte ich mittlerweile sogar irgendwelche Securityleute anrufen können und von denen verlangt, dass sie mich hinfuhren, aber es machte mir Spaß, selbst am Steuer zu sitzen. Mein Wagen hatte ein Automatikdach und im Sommer bei 25° und leichtem Wind auf der Landstraße unterwegs zu sein war das beste Gefühl der Welt. Abgesehen von der Bestätigung die man erfuhr, wenn ein Film von einem selber gut bei den Massen ankam.

Der Parkplatz vor dem riesigen Gebäudekomplex war überfüllt. Vermutlich kam heute auch schon das ganze Team zusammen, um sich "zu beschnuppern" und kennenzulernen. Doch auch für diejenigen, die wirklich pünktlich waren, so wie ich, fand sich auch noch eine Lücke und ich hielt schonmal profisorisch nach bekannten Kennzeichen Ausschau. Eine Frau von der Maske, zwei vom Aufbau, ein netter Bursche an der Kamera und einen Stuntman erkannte ich so bereits im Vorherein. Aber der mögliche andere Hauptdarsteller war soweit ich das sah nicht dabei. Bestimmt zu spät. Oder mir unbekannt. Dann konnte er nicht besonders wichtig sein.

Als ich eintrat, ging ein großes Hallo durch die versammelte Runde. Mehrere kamen auf mich zu und schüttelten mir die Hand, einige winkten mir von weitem und das Stuntdouble umarmte mich sogar kumpelhaft. Ihm verzieh ich das auch als einzigen. So oft hatten wir schon zusammen gedreht. "Echt mega genial, dass du auch wieder dabei bist Mik! Ich freu mich schon auf die Zusammenarbeit!", grinste er und schlug mir mehrmals heftig auf den Rücken. Er sah nicht so aus aber er war verdammt stark! "Danke Luca", verabschiedete ich mich unter einem mittelstarken Hustenanfall und schaute mich weiter um. Fehlanzeige, egal wie viel ich mich rumfragte, noch niemand konnte sicher sagen, wer mein Partner werden würde. Und so langsam begann ich sogar zu glauben, dass sich niemand passendes gefunden hatte. Vielleicht konnte ich ja noch einen guten Kumpel von mir vorschlagen, wer weiß?

Als nach zehn Minuten immer noch niemand neues gekommen war, wurde ich ungeduldig. Ich musste mittlerweile mal dringend aufs stille Örtchen. Kurz wartete ich noch, dann drängte ich mich durch die Massen zu den Toiletten. Auch Topschauspieler hatten menschliche Bedürfnisse.

Und wenn die zweite Hauptrolle nicht für einen Mann, sondern für eine Frau war? Ein Liebesfilm also? Wäre seltsam, weil Melzer noch nie eine Romanze auf die Leinwand gebracht hatte, aber nicht undenkbar. Dann war ich die ganze Zeit umsonst umhergerannt und hatte nach einem Typen gesucht! Unzufrieden wusch ich mir die Hände und wollte gerade wieder raus, als sich die Tür im selben Moment öffnete und ich beinahe mit jemandem zusammenstieß. Murrend wollte ich ihm bereits Platz machen, als ich aber nochmal genauer hinschaute und sofort seinen Weg wieder versperrte. Das Schloss hinter ihm schnappte zu und wütend stemmte ich meine Hand direkt neben seinem Kopf gegen die Wand. "Du? Ehrlich jetzt!?"

Erschrocken schaute Dennis Weiß auf. Als er mich erkannte, schluckte er ertappt und brachte ein unglaublich schiefes Lächeln zustande: "Oh, ähm... hi Mik. Wie, äh, wie gehts?" Gott, was für ein Looser! Er war sogar um einige Zentimeter größer als ich und schrumpfte trotzdem zu einem unbedeutenden Nichts zusammen, sobald man mal ein wenig ruppiger als normal mit ihm umsprang. Und der wollte meine einzige erwähnenswerte Konkurrenz sein? Jetzt privat war er ja noch eingeschüchterter und trotteliger als bei Interviews! Nicht, dass ich allzu viele angeschaut oder gelesen hätte natürlich!

"Du glaubst also, dass du für einen Melzer-Film geeignet bist, was? Ich denke das nämlich nicht. Geh lieber freiwillig zurück zu den kleinen Produzenten, du Anfänger, bevor du hier auf deine Nase fällst und noch rausgeschmissen wirst!"

"Wir können ja wetten, wer sich besser schlägt. Mit deiner normalen Taktik wirst du nämlich derjenige sein, der hier den kürzeren zieht!"

Er selbst schien überrascht über seine trotzige Provokation. Seine Ohren liefen knallrot an und er presste sich rasch eine Hand vor seine bereits aschfahlen Lippen, aber gesagt war gesagt. Und seine Worte machten mich unfassbar zornig. Er nahm den Mund viel zu voll für die Tatsache, dass er fünf Jahre weniger Erfahrung in diesem Business hatte als ich. Ein blutiger Anfänger, wie bereits erwähnt.

Grob schubste ich ihn beiseite, schnaubte und stieß die Tür so kräftig auf, dass sie an die Außenwand draußen schlug. Ich - den kürzeren ziehen; Ha, die Wette galt! Dem Babygesicht würde ich noch zeigen, dass mehr als nur ein wenig Tollpatschigkeit, Fangekreische und Glück zum Dasein eines Schauspielers gehörten. Ich würde ihm seine Zeit am Set zur Hölle machen, wenn es sein musste!

Und... Action!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt