Sobald ich mir sicher war, dass mir dieses Mal niemand hinterher rannte, schmiss ich die Tür zu meinem Trailer zu, rollte mich winzig klein auf meinem Bett zusammen und versuchte, mich einerseits zu beruhigen, andererseits jedoch auch meinen ganzen Frust irgendwie aus mir herauszulassen.
Nur weinen wollte ich dabei auf keinen Fall. Marik Roeder weint nicht, niemals. Keine einzige Träne! Nur fiel es mir jetzt gerade so unendlich schwer. Ich war in meiner Ehre tief verletzt worden, ohne etwas dagegen tun zu können. Zweimal war ich per Drehbuch dazu verdonnert worden, Dennis zu küssen und hatte auch noch genau gemerkt, wie sehr ihn das bewegt hatte. Außerhalb seiner Filmrolle war er noch immer ein Anfänger was das Schauspielern anging und so einfach zu lesen, inklusive aller seiner Gedanken und Gefühle. Eigentlich sollte es mich voller Triumph stimmen, dass ich es geschafft hatte, ihn so abhängig von mir zu machen, aber da war nichts. Nur Leere. Apropos Drehbuch und lesen...
Nur schwerfällig und nach vielen weiteren leisen Schluchzern, die einen Kloß in meinem Hals hatten wachsen lassen, kämpfte ich mich wieder nach oben, um nach den mittlerweile durch meine achtlose Behandlung leicht zerfledderten Papieren zu greifen, die meine nähere Zukunft bestimmten. Jetzt war es nicht mehr die Abneigung oder meine Überheblichkeit, die mich vom Aufschlagen zurückhielten, sondern pure Angst. Ich hatte tatsächlich Angst davor, was dieses Schriftstück noch beinhalten konnte. Aber es gelang mir, mich allmählich wieder unter Kontrolle zu bringen und die Seiten bis zum aktuellen Zeitpunkt in der Handlung zu überspringen.
-Timo und Robin, Robins Zuhause-
-Kussszene-
Dann kamen ein paar Einstellungen, die sich weiter mit den einzelnen Wegen von Timo und Robin beschäftigten. Mein Charakter hängte seine Karriere als Dieb bei dem Cafè an den Nagel, das war für mich bereits beim Dreh immer klarer geworden. Für Robin, natürlich, warum auch sonst...
Cafè... Bahnhof... offene Straße... Kussszene. Ich stöhnte leise und verzweifelt auf. Noch eine? Verdammt, worauf hatte ich mich hier nur eingelassen? Immer schneller huschten meine Augen über die kleine schwarze Schrift. Noch hatte ich die stille Hoffnung, dass das alles gewesen war, obwohl mein Herz die Antwort zu diesem Zeitpunkt schon kannte.
"NACKTSZENE?!", schrie ich fünf Minuten später entgeistert auf. Nein, da machte ich entschieden nicht mehr mit! Wenn die wollten, dass die beiden Schwuchteln miteinander kuschelten und sich das alles zu einer Romanze entwickelte, sollten sie sich ruhig einen anderen Timo suchen! Mir reichte es! Dafür würde ich sogar den Ruhm außen vor lassen, den eine Rolle in einem Melzer-Film nunmal mit sich brachte. Eine Hauptrolle... es hätte mich nochmal ein riesiges Stück vorwärts katapultiert, mir vielleicht sogar den Weg nach Hollywood eröffnet, aber dafür nackt vor Dennis und der gesamten Crew auftreten zu müssen, das widerstrebte mir!
Doch gleichzeitig trat es weitere Gedanken in mir an. Warum hatte der Musterschüler die Rolle dann angenommen? Er hatte von Anfang an gewusst, was auf ihn zukommen würde. Hatte er das eventuell geplant? War er schon damals in mich verschossen gewesen? Oder war das ganze hier für ihn wie für mich nur eine Arbeit, ein einfacher Job? Nein, dafür hatte er sich bei unserem Streit viel zu sehr über meine Einstellung aufgeregt. Er tat es also tatsächlich aus einer Überzeugung heraus.
Nach und nach wurde mir plötzlich noch etwas anderes klar. Seine Fehler vom Beginn des Films, es waren keine Fehler gewesen. Es war durch und durch seine Rolle! Robin war wie Dennis eher schüchtern und durch die Bekanntschaft mit Timo aufgeblüht. Er war kein Anfänger, war an diesem Set nie einer gewesen. Das hatte ich mir nur so eingebildet.
Dann... war er vielleicht wirklich die Nummer Eins von uns beiden... Er würde den Film weiterdrehen, vielleicht sogar mit einem neuen Schauspielerkollegen. Er würde die Luft ganz oben an der Spitze schnuppern können, die mir immer geradeso verwehrt geblieben war. Und ich würde wie ein vertrocknetes Blatt im Wind zu Boden dümpeln und in der Masse an mittelmäßigen Akteuren versinken, wenn ich hier aufgab. Außerdem war da noch unsere kleine Wette. Wollte ich das? Meinen Stolz und mich gleich dazu komplett über Bord werfen? Was würde überhaupt mehr an meiner Ehre kratzen? Den Film zuende zu drehen oder aufzugeben und zu flüchten?
Als ich in mich hineinhorchte, spürte ich es sofort. Es war schon zu spät. Jetzt einen Schlussstrich zu ziehen wäre nicht richtig. Ich würde die Zähne zusammenbeißen, mich so gut es ging anstrengen und durchhalten! Der Thron war meiner. Ich wollte ganz oben sein, wie ich das schon immer gewollt hatte! Nur um von hier aus weiterzumachen, brauchte ich vermutlich wirklich Hilfe von einem Experten in Sachen, sich in eine Szene perfekt hineinzuversetzen...
Es war bereits stockdunkel draußen, als ich an der Blechtür klopfte. Hoffentlich sah mich niemand anderes. Besonders nicht Luca. Nachdem mir unser Gespräch nochmal durch den Kopf gegangen war, hätte ich mich für meine Dummheit ohrfeigen können - und ihn gleich dazu! Der Stuntman dachte nämlich wohl, das wir auch außerhalb des Films etwas miteinander anfangen wollten. Das würde ich demnächst noch klarstellen müssen!
Dennis öffnete mir mit müdem Gesichtsausdruck, doch er war sofort wieder hellwach, als er mich erkannte. "Mik", brachte er hervor, nervöser denn je. Dann entstand eine Schweigepause zwischen uns, die keiner von uns beiden zu brechen wagte, weil es für denjenigen sicherlich nur peinlich geworden wäre. Doch wozu war ich sonst hergekommen? Ich würde mich noch früh genug vor ihm lächerlich machen!
"Dennis, ähm, kann ich was mit dir besprechen? Ich.. ich brauch deine Hilfe!" Mit möglichst festem Blick schaute ich ihn an und zögernd trat er zurück, um mich herein zu lassen. Hoffentlich sah man den leichten roten Schleier auf meinen Wangen nicht zu sehr!
Hier war es beinahe genauso eng wie bei mir im Wohnwagen. Notgedrungen setzten wir uns an den Tisch und saßen uns wieder so seltsam angespannt gegenüber. Dennis wartete. Ich räusperte mich: "Ich hab das Drehbuch jetzt gelesen. Das, also das was Timo macht, das bin ich selber nicht und das kann ich auch niemals so vor der Kamera umsetzen! Ich habe auch über das nachgedacht, worum wir gewettet hatten. Was du gesagt hast, klingt jetzt logischer für mich. Hilfst du mir?"
Mein Kollege wirkte erst völlig überrumpelt, dann füllte aber Skepsis seinen Blick. "Du veralberst mich nur wieder Marik. Ich hab dafür aber jetzt keinen Nerv..!" Wie zur Bestätigung des Gesagten gähnte er müde und ruckte mit seinem Kinn in Richtung des Ausgangs. "Den Weg findest du sicherlich alleine."
"Warte Dennis, bitte! Ich meine es ernst! Ich kann in ein paar Tagen nicht einfach nackt ans Set und so tun, als wäre das meine volle Überzeugung! Du musst mir dabei helfen, sonst schaffe ich das nicht!"
Das erste Mal in meinem Leben flehte ich um etwas. Ich hätte gedacht, es würde mir schwieriger fallen und unangenehm sein, in der Schuld von jemandem zu stehen, doch das war es nicht wirklich. Ich hatte das Gefühl, hier das richtige zu tun! Auf Dennis schien es schließlich auch eine Auswirkung zu haben, denn er seufzte dann endlich ergeben und sah mir wieder ins Gesicht statt an mir vorbei: "So etwas spontan und auch noch perfekt vorführen zu wollen ist Unsinn. Das kannst du mit Actionfilmen, Science Fiction und sowas machen, aber nicht in Liebesfilmen!"
"Das heißt..?"
"Wir proben das, ich schlage vor gleich jetzt. Du kannst hoffentlich auch deinen Text?"
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Und... Action!
FanficMarik Roeder und Dennis Weiß sind die wohl bekanntesten Schauspieler Deutschlands und werden gebeten, im neuesten Topfilm die beiden Hauptcharaktere zu spielen. Noch haben sie sich nie persönlich getroffen und sind sehr voreingenommen, was die Meinu...