Kapitel 4 - Draco

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Draco lief in dem Zimmer, dass für die nächsten paar Tage seines sein würde, auf und ab. Warum hatte er vorhin nicht den Mund aufbekommen, als er mit Grang... Hermine im Gang gestanden hatte? Er war doch sonst auch nicht auf den Mund gefallen.
Er war Draco Malfoy, es gab wenige Momente, in denen er nicht irgendeinen Spruch auf den Lippen hatte.
Aber irgendetwas hatte in ihrem Blick gelegen, was ihm die Sprache verschlagen hatte. Da war Traurigkeit und Hoffnung gewesen. Nur, worauf hoffte sie?

Auch ihn hatte ein Funken Hoffnung durchströmt, als sie seine Hand gehalten hatte. Sie waren keine Kinder mehr, der Krieg war zu Ende. Und seine Mutter konnte ihn gerade einmal kreuzweiße. Hermine konnte ihm vielleicht das geben, was er sich so sehnlichst wünschte.

Als er ihre Hand nicht loslassen wollte, fühlte er so etwas wie Wärme. Die Wärme einer Berührung, die nicht von Mutterliebe herrührte.
Er gab es nur ungern zu, aber es hatte ihm gut getan. Sehr sogar. Doch das konnte er ihr nicht sagen, oder?
Und da platzte sie in sein Zimmer und durchbrach seine Gedanken.

Die sonst so ruhige Hermine Granger schien zu brodeln wie ein frisch gebrauter Zaubertrank. Was war nur passiert?
"Granger, bist du sicher, dass du hier im richtigen Zimmer gelandet bist?" fragte er also nicht gerade zurückhaltend. Auch wenn er vor Neugier darauf brannte, was passiert war, sagte er es kühl und distanziert.
Verwirrt blickte sie sich um. Sie war völlig neben der Spur. Doch schnell schien sie sich wieder gefangen zu haben. Zumindest soweit, um lauthals los zu fluchen.
"Oh, dieser Ronald!" schimpfte sie, stapfte wütend von der einen zu anderen Seite und raufte sich die Haare.
"Warum bist du hier, Draco? Ich will keine Ausreden, ich will die Wahrheit!" verlangte sie. Draco seufzte auf. Es war klar gewesen, dass sie ihn das irgendwann gefragt hätte. Vor allem aber wollte er wissen, was vorgefallen war. Doch sie wollte nicht darüber reden, also legte er sich eine Ausrede zurecht. Die Wahrheit war einfach zu peinlich.

Doch er war längst nicht mehr der Junge, der vor zwei Monaten das Schlachtfeld verlassen hatte, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen.
In dieser Zeit schien er ein wenig erwachsener geworden zu sein. Ein Stück ruhiger, ein Stück weniger der Feigling von damals.
Und das war auch der Grund, warum er ihr jetzt doch die Wahrheit sagte.
"Du willst die Wahrheit? Hier ist die Wahrheit: Meine Mutter meint, sie müsse mich verheiraten!" So, wie Draco geahnt hatte, starrte Hermine ihn mit offenem Mund an, verarbeitend, was er ihr gerade eröffnet hatte. Dann fing sie an zu lachen. Sie warf den Kopf in den Nacken und ließ sich auf den Boden fallen, so sehr lachte sie. Das konnte nicht ihr ernst sein.

"Was ist daran lustig? Meine Mutter hat mich geohrfeigt, als ich sagte, ich fände Lavender Brown absolut unpassend." Doch damit erreichte er nur, dass Hermine noch lauter lachte. Sie kriegte sich garnicht wieder ein. Und auch Draco musste ein kleines Schmunzeln unterdrücken. Gleichzeitig dachte er, ihr Lachen höre sich an wie ein Glockenspiel, das sanft im Wind weht.
Er musste sich dringend zusammenreißen. Hermine war eine Muggelgeborene, ein Schlammblut und doch hatte er ein seltsam schlechtes Gewissen, als er Hermine in Gedanken so nannte. Nie hatte er das gehabt. Es war ein wahrlich seltsames Gefühl.

"Also, warum lachst du?" fragte er deshalb vorsichtig. Wieder war das so garnicht seine Art. Granger stellte etwas mit ihm an, dass er selbst noch nicht recht begriffen hatte.
"Es ist einfach zu lustig" sagte sie zwischen zwei heftigen Lachanfällen. "Der großkotzige Draco Malfoy wird von seiner Mutter geohrfeigt, weil er nicht heiraten will. Aber Lavender ist auch eine denkbar schlechte Partie." Ihr Lachen erstarb. "Aber warum bist du dann ausgerechnet hier? Solltest du dann nicht irgendwie bei deinen Freunden sein?"

Draco dachte nach. Ja, wieso war er hier? Eine vernünftige Antwort auf diese Frage gab es nicht. Nachdenklich Schritt er auf und ab, den Blick auf den Fußboden gerichtet.
"Ich schätze, ich habe mich beim apparieren vertan. Vielleicht habe ich im letzten Moment an London gedacht oder so... Vielleicht auch... an dich" fügte er leiser hinzu und hoffte, dass sie es nicht gehört hatte. Er stand mittlerweile mit dem Rücken zu ihr und starrte aus dem Fenster.
Er hatte es ausgesprochen. Jetzt, als er diesen Gedanken ausgesprochen hatte, schien er auch wahr zu werden.

Je mehr er Hermine hinter sich spürte, umso stärker wurde sein Bedürfnis nach ihrer Nähe. Er hatte ein schlechtes Gewissen wegen all dem, was er Hermine an den Kopf geworfen hatte.
"Warum an mich?" fragte sie und er hörte, wie sie sich hinter ihn stellte.
Dracos Herz schlug schneller. Sein Atem ging unregelmäßig, als Hermine ihre zierliche Hand auf seine Schulter legte und ihn zu sich umdrehte.
"Du hast mir so viel angetan, deine 'Sippe' hat uns so viel angetan. Also sag mir! Warum ich?" Ihre Augen schienen in seine Seele zu blicken und er fürchtete ihre Reaktion, wenn sie sie finden würde.
"Muss es immer ein 'Warum' geben?" fuhr er sie an. 

Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. Schon bereute Draco seinen Ausbruch. Was war das nur, was ihn so weich werden ließ?
Dieses Gefühl... der Drang nach ihrer Nähe, nach ihrer Berührung ließ ihn auf sie zu gehen.
Ihre Lippen teilten sich, als sie anfing, schneller zu atmen. Als Draco dicht vor ihr stand, streckte er eine Hand nach ihr aus und berührte ihr Gesicht, ihre Wange. Er fuhr über ihre Nase, ihre Augenbrauen.
Hermine hatte die Augen geschlossen und wirkte, als würde ihr das gefallen.
"Was ist das... für ein Gefühl?" fragte er in die Stille hinein.
Hermine öffnete ihre braunen Augen und blickte ihn an.
"Ich weiß es nicht..." hauchte sie.
Die Luft um sie herum flimmerte, knisterte und das dämmrige Licht des Abends ließ ihre Gesichter sanft leuchten.
Draco schloss die Augen um den Moment zu genießen und als er sie wieder öffnete war Hermine fort und mit ihr auch die Wärme und das Licht und die Hoffnung auf mehr.

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