Gegen Nachmittag erreichten wir den großen Lebensbaum. Die vielfältigen Drachen schwirrten schillernd, munter umher und schlugen im schimmernden Sonnenlicht ihre Saltos. Liam flog mit Darius zu den Elfen, damit er verarztet werden konnte. Lazul und ich landeten in einer der kleinen Höhlen in den steilen Klippen. Erst jetzt sah ich, dass es Unterschlüpfe für die Drachen waren. Seine glich dem Haus von Hobbelnopf, nur nicht ganz so gemütlich. Der Boden war mit Fellen ausgelegt, am Wand standen Schränke, eine kleine Küche gab es auch, dazu lagen einige dicke Bücher am Boden und vergilbte Karten. Der nackte kahle Stein war nicht so einladend, dafür aber die Aussicht von hier oben. Immer wieder stürzten sich haarscharf Drachen an dem Eingang der Höhle vorbei. Lazul hatte sich wieder zu einem Menschen verwandelt und begann in den Schränken nach etwas essbaren zu suchen. An einer der kantigen Wände erblickte ich eine Zeichnung. Neugierig lief ich darauf zu und betrachtete sie. Es zeigte eine kleine, dämmernde Lichtung im Wald. Das Schwarz des Waldes hob sich stark von den wunderschönen Farben des pastellfarbenen Sonnenuntergang ab. Ein kleiner Junge hockte dort im Gras und blickte verträumt zu den beiden Monden Fenrir und Dysnomia, die ihre schimmernden Lichter beschützend hinab auf die schlafende Welt warfen. "Gefällt es dir" raunte jemand hinter mir. Ich drehte mich zu Lazul um und blickte ihm in die moosgrünen Augen. "Es ist toll" hauchte ich. "Das ist mein Lieblingsort, dahin flüchte ich wenn mir alles zuviel wird" lächelte er. Ich kicherte leicht und er zog mich mit in die Küche. "Ich hab Suppe gekocht. Ich hoffe du magst Tomaten"? "Natürlich" lachte ich und setzte mich zu ihm auf den weichen Boden. Er reichte mir eine Holzschüssel. "Die schmeckt super" rief ich genussvoll und schaufelte mir noch zwei weitere Löffel hinterher. "Findest du? Normalerweise koche ich gar nicht. Ich jage als Drache die Tiere und esse sie meistens roh" erklärte er schmatzend. Plötzlich fiel mir das aufgeschlagene Buch neben mir auf. Interessiert nahm ich es an mich und besah mir die Seite. Es war die Legende unseres Landes. Dort waren kunstvoll gezeichnete Bilder, die einen Ausschnitt von der Schlacht zeigten, oder die vier Ältesten, wie sie stolz ihre Elemente vereinten. Ich betrachtete die alte, geschwungene Schrift. Im Kampf gegen das Böse, schufen die vier großen Anführer eine Macht, geschmiedet aus den vier Elementen um Ragnar zu vernichten. Das Scheusal jedoch flüchtete in den Schatten und beschwor eine schier uralte Macht. Ein Ungeheuer, feurig wie die Sonne und finster wie die tiefste Nacht. Mit seinen riesigen, brennenden Schwingen, brannte er alles nieder. Khaldeth und Attral wurden von dem ewigen Feuer verschluckt... "Und niemals wieder gesehen" beendete Lazul. "Mein Großvater hat mir früher immer die Legende erzählt. Damals hätte ich nie geglaubt, dass das alles war ist" murmelte ich und und strich sanft über den eingerissenen Band des Buches. Plötzlich nahm Lazul meine Hand und führte mich zu dem Ausgang. Wir setzten uns nebeinader an die Klippe und ließen unsere Beine über der gähnenden Tiefe baumeln. Die Sonne versank gerade rot sprühend in dem glitzernden Ozean. Ein einsamer Drache schwebte gen Horizont und gurrte klagend sein Lied. Seit dem Angriff auf unser Dorf waren nun zwei Monde vergangen. Und ich fühlte mich erstmals wieder sicher neben diesem ungewöhnlichen Jungen. Er gab mir Halt, beschützte mich, und meinen Bruder mit seinem Leben, und trotzdem wusste ich fast nichts über ihn. Es war, als ob er ein düsteres Geheimnis hütete. Müde lehnte ich mich an seine Schulter und schloss zufrieden die Augen, dem letzten Jaulen des Drachen lauschend.
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The Legend of Manar
FantasyDie wundersamen Ländereien Manar's schienen dem Untergang entgegen zu blicken. Nach dem Tot des Königs, hatte sein jüngerer Bruder Ragnar die Macht an sich gerissen. Er wollte alles und jeden in eine grausame Herrschaft stürzen, und vorallem die Fab...