Kapitel 2: Silverwood

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In Gedanken durchquerte ich das Tor des Dorfes. Die Fahnen des alljährlichen Königfestes wirbelten schon jetzt munter im leichten Spätsommerwind. Ein paar dürre Hunde sprangen kläffend umher und schmissen Körbe voll Fisch um. Überall liefen Menschen, um Ware zu kaufen oder verkaufen. Unser Dorf war nicht besonders. Höchstens etwas ärmlich, doch keineswegs unzufrieden. Unser Glück war, dass wir am Rande des Landes hausten, und somit wenig von den dunklen Geschehnissen im Landesinneren mitbekamen. Besonders an den Markttagen sprühte dieses Dorf voller Lebensfreude, und ein jeder schenkte dem anderen ein Lächeln. Durch den Fluss 'Silvera', der das Dorf mit seinem ungewöhnlich silbernen Wasser umspülte, blühten unsere Geschäfte und Märkte, voll bunter Ware. "Frische Milch aus der Wiesensenke" brüllte ein älterer Herr namens Frindhal, und sein weißer Bart zitterte vor Erschütterung. "Hier gibt's das beste Sortiment an Gemüse und Obst" schrie eine rundliche Frau und wedelte dabei mahnend mit einer Gurke herum. "Freitags Fisch aus der Königsstadt"! "Die edelsten Schmiedekünste, nur bei mir"! Marta, eine drahtige, alte Frau mit eingefallenen Wangen verkaufte alles was mit Nähen zutun hatte. Sie alle kannten mich und meine Familie. Brynthea, die Gemüsefrau , steckte mir öfter ein paar Tomaten zu, und bei dem Schmied Frost hatte mein Vater früher einmal gearbeitet. Von dort stammte übrigens auch mein Bogen. Er war mit den schönsten Schnitzereien verziert, und stammte aus alter Zeit. Ein Held hatte ihn einst in einer großen Schlacht getragen erzählte mir Vater an jenem Tag, wo er ihn mir mitbrachte. Nachdenklich lief ich auf Marta zu, die mich sofort anlächelte. "Hallo Luna, wie schön dich zu sehen! Wie geht es deinen Eltern? Und ist Darius schon wieder gewachsen" begrüßte sie mich und nickte einem vorbeigehenden Wachmann zu. "Guten Morgen Großmütterchen! Mutter und Vater geht es gut und Darius wächst langsam der Sonne entgegen" lachte ich freundlich. Ich kannte sie schon seit ich Denken konnte, jedoch nahm das Alter sie merklich mit. An manchen Tagen wusste sie nicht einmal meinen Namen, oder starrte abwesend auf einen unbestimmten Punkt. "Was kann ich für dich tun, meine Liebe"? Ich besah mir kurz die verschiedenen farbigen Wollknäuel und zeigte auf die moosgrünen. "Davon bitte zwei Stück" rief ich, um den Marktlärm zu übertönen. Marta nickte und reichte sie mir. Ich gab ihr drei Münzen und winkte ihr dann lächelnd zum Abschied. Die alte Frau legte den Kopf schief, lächelte mich erfreut an und rief: "Hallo Luna, wie schön dich zu sehen"! Kopfschüttelnd lief ich zu dem Stand gegenüber, an welchen Brynthea arbeitete, und die mir schon eine Zucchini entgegenhielt. "Dankesehr Brynni" grinste ich und steckte die Zucchini zu den Wollknäuel in den Korb. "Ich hab eine Überraschung für dich, Luna" murmelte sie darauf geheimnisvoll. "Als kleines Vorgeschenk für das kommende Königsfest" und damit reichte sie mir eine feuerrote Frucht. "Einen echten Flammapfel" brüllte sie triumphierend, und warf mir den unförmigen Ball zu. Sprachlos blickte ich einen Moment von Brynthea, zu der Frucht in meiner Hand, und wieder zu der Gemüsefrau. "Der ist doch viel zu teuer Brynni! Der kommt immerhin aus den Feuerlanden im entferntesten Süden" hauchte ich ungläubig. Darauf prustete die runde Frau los, sodass ich ihre weißen Zähne blitzen sah. "An so einem besonderen Tag muss man sich auch mal was gönnen" schnaufte sie außer Atem und zwinkerte mir zu. "Ohh Dankeschön" rief ich glücklich und umarmte sie. Kurz darauf lief ich halb tanzend, halb rennend zurück nach Hause.

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