7. Kapitel

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~Cedric

Ehrfürchtig starrte ich auf meinen Gefährten, der stur an die Decke starrte und sich nicht rührte, allein seine Brust hob und senkte sich. Ich hatte mich gezwungen, etwas Abstand zu ihm zu halten, obwohl Nathaniel schon schmerzerfüllt winselte, wegen der Distanz, die zwischen ihm und mir war. Und ich selbst wollte auch so unbedingt zurück in seine Arme und ihn festhalten, nie mehr los lassen...doch jetzt war er wach. Und vielleicht akzeptierte er mich und Nathaniel nicht, vielleicht brauchte er Zeit, vielleicht war er noch zu geschwächt...

Sein Kopf bewegte sich leicht und er blinzelte, bevor er vorsichtig seine Hände hob, um sich über das Gesicht zu streichen. Dieser Anblick hatte etwas Seltsames, etwas Unbeholfenes, als wäre er ein Kleinkind, dass gerade dabei war zu lernen, seinen Körper koordinieren zu können. Er wirkte so...hilflos und verloren in diesem Moment, dass mir dieser Anblick schon in der Seele weh tat.

„Bist...bist du da?", flüsterte er und setzte sich etwas mühselig auf.

Ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Er war noch viel schöner, als er schon im Koma liegend gewesen war. Er wirkte beinahe majestätisch, strahlte eine Macht aus, die mir vollkommen fremd war, aber diese Macht, sie war nicht einschüchternd, sie wirkte eher beruhigend auf mich.

Ich fühlte mich sicher, anders als bei Marcus, bei dem ich gezwungen war, mich ihm wegen meiner Stellung als Omega zu unterwerfen.

„Ja...ich bin hier. Und wenn du es nicht anders willst, werde ich auch nicht gehen", antwortete ich ihm genauso leise.

Mein Herz klopfte so stark, dass ich überlegte, ob er es auch hören konnte. Sicherlich. Wir Gestaltwandler hatten immerhin gute Ohren...

'Er kann uns nicht sehen', bemerkte Nathaniel leise. 'Dann ist er wirklich blind.'

Mein Blick wanderte zu seinen Augen.

Wundervoll grau waren sie, so durchdringend, so intensiv, stürmisch wie die raue See, aber gleichzeitig so sanft.

Und seine Pupillen...sie waren dunkelgrau, nicht schwarz...milchig, nicht klar. Seine Augen waren wunderschön - wie er - und gleichzeitig so nutzlos...

„Wie...wie heißt du?", fragte ich ihn sanft und rückte etwas näher an ihn heran. Er bemerkte es, denn sein Blick richtete sich auf mich, aber doch fühlte es sich eher an, als würde er an mir vorbei sehen oder durch mich hindurch...ob das daran lag, dass er blind war?

„Lian."

Lian...irgendetwas sagte mir dieser Name, aber ich kam nicht drauf, was es war. Es kam mir so vor, als hätte ich ihn schon einmal gehört, irgendwann, vor langer Zeit.

Lian...ich wusste irgendwoher, dass ich diesen Jungen irgendwoher kennen musste, denn auch er kam mir nun, da er wach war, entfernt bekannt vor...na ja, nicht bekannt...es fühlte sich eher so an, als würde er aus einer Erinnerung stammen, nur erinnerte ich mich nicht...

„Du...du bist nicht von hier?", fragte ich vorsichtig nach. Vielleicht würde ich so einen Anhaltspunkt bekommen, wenn ich seine Herkunft herausfinden würde.

Lian schüttelte den Kopf. Er wirkte etwas verkrampft. „Ich wurde in Schweden geboren, aber ich wohne schon seit Jahren wieder in Deutschland...aber ich kann da jetzt nicht drüber reden. Versteh das bitte, okay?" Seine Stimme brach.

„Okay...ich bin da", versprach ich ihm vorsichtig, da ich absolut nicht wusste, wie weit ich bei ihm gehen konnte. Ich wollte es langsam angehen, ihn nicht verschrecken, ihm Zeit geben, sich an die Umstände und vor allem an mich zu gewöhnen.

Blindness ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt