20. Kapitel

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~Cedric

Das erste, was ich hörte, als ich in Lians Armen aufwachte, war ein lautes Klopfen an der Haustür. Ich wollte mich aufsetzen, um dann aufzustehen und nachzusehen, wer um diese Uhrzeit – es war gerade früh um sieben – mit so einer Kraft gegen die Haustür hämmerte, aber Lian hielt mich eng umschlungen und zog mich wieder an sich. So sehr ich seine Nähe genießen wollte, so sehr ich versuchte, das Klopfen zu ignorieren – ich wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Lian, wach auf", sagte ich leise und rüttelte an seiner Schulter. „Irgendetwas stimmt hier nicht."

Mein Gefährte knurrte nur, schien noch immer im Dämmerzustand, doch ich gab nicht auf und rüttelte weiter an seiner Schulter, um ihn wach zu bekommen.

Das Klopfen ließ nicht nach, wurde eher noch lauter, wenn das überhaupt möglich war. Nun schien auch Lian zu bemerken, was ich meinte, denn kaum hatte wieder jemand auf die Haustür eingeschlagen – so hörte es sich beinahe an – saß er kerzengerade im Bett.

„Erwarten Anne und Frank Besuch?", flüsterte er.

„Nein, eben nicht. Sie haben auch nichts bestellt oder so", antwortete ich genauso leise. „Wenn es die Post wäre, wäre sie längst zu den Nachbarn."

Ich konnte nicht verbergen, dass mein Körper anfing zu zittern. Ich hatte ein verdammt ungutes Gefühl bei der Sache. Mir fiel nur eine Person ein, die einen solchen Aufstand um diese Uhrzeit machen würde, und eigentlich hatte ich gehofft, dieser Person nie wieder begegnen zu müssen – wenn ich Recht behalten sollte, dann wäre mir die Hölle lieber, als wieder in der Nähe von ihm sein zu müssen.

„Cedric, was ist denn los?" Lian klang besorgt, während er meinen zitternden Körper an sich presste, dass nicht einmal ein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte. Es beruhigte mich etwas, seine Wärme zu spüren, seinen Geruch einzuatmen, einfach bei ihm zu sein.

Doch diese Vorahnung, die in mir immer stärker wurde, ließ nicht zu, dass ich das alles genießen konnte. Es ging einfach nicht. „Rede mit mir."

Ich seufzte, presste mein Gesicht an seine Halsbeuge. „Ich...glaube, ich weiß, wer da draußen steht. Ich hoffe gerade nur, dass ich mich irre..."

*

Ich fühlte mich, als würde mein Leben in Zeitlupe an mir vorbeiziehen, als ich hörte, wie Anne aufstand, hinunter ging und die Tür öffnete. Am liebsten hätte ich sie angeschrien, sie solle sie mit Brettern verrammeln, abschließen, zumauern lassen – egal war, nur so, dass niemand hier herein konnte.

Eine mir nur zu bekannte Stimme ertönte unten im Flur, brüllte meine Tante an. Dann hörte ich etwas krachen, einen spitzen Schrei, der nur von Anne stammen konnte, ehe ich schwere Schritte auf der Treppe vernahm.

Ich konnte mich nicht rühren, es ging nicht. Ich wusste, ich musste mich in Sicherheit bringen, Lian warnen, irgendetwas tun, aber alles, was ich zustande brachte, war, dass ich stark zitternd auf dem Bett saß und die Bettdecke an meinen Körper presste, als wäre sie mein Schutzschild, das mich vor jeder Gefahr beschützen könnte.

Lian schien geistesgegenwärtig zu sein, denn er hastete zu Tür und drehte den Schlüssel im Schloss herum, sodass unser ungebetener Gast vielleicht etwas aufgehalten wurde. Dass das nicht viel bringen würde, wusste ich und ich war mir sicher, dass auch Lian das wusste, der aber versuchte, ruhig zu bleiben – ich erkannte es in der Art, wie er seinen Kiefer anspannte.

„Cedric, komm her", murmelte er und zog mich auf die Beine, welche aber so wackelig waren, dass ich fast sofort weg knickte. Ich zwang mich dazu, aufrecht stehen zu bleiben, aber kaum stand ich, war mir so schwindlig, dass ich beinahe wieder umgefallen wäre, hätte ich mich nicht an Lian festgehalten. „Zieh dir was an, ich will nicht, dass er dich so sieht."

Blindness ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt