24. Kapitel

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~Lian

Es war spät, als wir aufbrachen. Wir hatten den restlichen Nachmittag damit verbracht, uns zu überlegen, wie wir die Sache am besten angehen konnten. Mir war es komplett egal, so lange ich es schaffte, Alpha zu werden und das Rudel davon zu überzeugen, mich als diesen zu akzeptieren. Doc meinte, ihnen blieb gar nichts Anderes übrig, wenn sie nicht weiterhin unterdrückt werden wollten, aber es machte mich trotzdem nervös, die Führung von vollkommen fremden Leuten zu übernehmen. Außerdem hatte ich Angst davor, gegen meinen Onkel zu verlieren und damit auch Cedrics Tod zu veranlassen, der mit einer Niederlage meinerseits definitiv bevor stand.

„Mach dich nicht verrückt, Lian, du schaffst das", sagte Anne, die neben mir im lief.

Wir hatten beschlossen, erst einmal tiefer in den Wald vorzudringen, ehe wir uns verwandelten. Es war zwar tiefste Nacht, aber trotzdem wollten wir auf Nummer Sicher gehen und uns vor neugierigen Augen der anderen Bewohner schützen.

„Ich bin trotzdem nervös. Was ist, wenn ich versage?", murmelte ich, während ich mit meinen Fingern spielte, wie ich es immer tat, wenn ich nervös war.

„Du bist stark, vergiss das nicht. Du hast das Blut des wahren Alpha in dir, du hast schon so viel durchgestanden, das schaffst du auch noch. Wir stehen hinter dir."

*

Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, als die Gerüche von unzähligen fremden Wölfen auf mich einströmten. Ich konnte nicht zählen, wie viele es waren, fest stand, es waren einfach zu viele, die mir feindlich gesinnt sein konnten. Ich würde untergehen, verlieren, wenn diese Massen auf mich los gehen würden. Ich wusste nicht, in wie weit sie ihren jetzigen Alpha unterstützten - wenn sie ihm vollkommen loyal untergeben waren, hatten Tyr und ich ein Problem.

Tyr hatte die Führung über seinen Körper übernommen. Im Gegensatz zu mir konnte er es gar nicht mehr erwarten, den Alpha herauszufordern und sich das Revier an die richtige Blutlinie zurückzuholen, doch zum größten Teil war es Nathaniel, der ihm durch den Kopf ging. Wir beide konnten es nicht abwarten, unsere Gefährten bei uns zu haben.

Seit ich am Morgen unsere Bestimmung angenommen hatte, hatte sich etwas verändert - ich hatte mich verändert. Als wäre die letzte Blockade überschritten worden, die mich noch davon trennte, vollkommen ich zu sein. Ich fühlte nun die Macht regelrecht durch meinen Körper schießen, mich antreiben, ich hörte sie in meiner Stimme mitschwingen, wann immer ich gesprochen hatte - und alle anderen reagierten dementsprechend. Sie behandelten mich nicht anders, aber doch spürte ich den Respekt, den sie mir entgegenbrachten, nun fast so, als könnte ich ihn mit meiner Hand greifen. Ich wusste, sie würde für mich in den Tod gehen, wenn ich es von ihnen verlangen würde, denn etwas anderes war das hier nicht.

Tyr bedeutete den Anderen, stehen zu bleiben. Sofort war alles um uns herum still, nur noch die Geräusche aus dem Haus ertönten, doch auch diese waren nicht sehr laut, denn die meisten Bewohner schliefen schon.

Wie besprochen", linkte Tyr unsere Begleiter. Das war auch etwas, was neu war - es bereitete uns keine Schwierigkeiten mehr, andere  Gestaltswandler zu linken. Es funktionierte nun so gut, dass es schien, als hätten wir es schon unser Leben lang gekonnt. Trotzdem hatte ich Cedric noch nicht gelinkt - ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen, wenn er von etwas wusste.

Unser Plan war eigentlich sehr simpel. Wir würden uns um das Haus verteilen - wir hatten Mayleen und Lesly, die wir nicht davon abbringen konnten, uns zu begleiten, an den Hintereingang geschickt, um sie aus dem Größten herauszuhalten - bis Tyr ein Heulen ausstieß, welches nur von einem Alpha kommen konnte. So erhofften wir uns, die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.

Blindness ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt