3: Alkohol und seine Folgen

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Heute aufzuwachen war das absolut Schlimmste, was mir je passiert war. Ich brauchte einige Sekunden, bis mir langsam die Erinnerungen des gestrigen Abends wieder aufkamen. Alkohol. Zu viel Alkohol. Dennoch war ich verwirrt, da ich eine Hälfte meines Körpers nicht mehr fühlen konnte. Ein weiterer Grund, warum ich mich eigentlich nicht (mit Fremden) betrank. Ich wusste nie was passieren würde. Oder was passiert war.

Ein paar weitere Minuten vergingen, bis ich meine Gedanken sammeln konnte und​ plötzlich einen vollkommen nackten Vishous neben mir bemerkte. Ich wäre vor Schreck sogar fast aus dem Bett geflogen, als er gähnend den Kopf hob - jedoch hingen meine Beine wie Blei an dem Bett und bei der ruckartigen Bewegung jagte sich ein noch nie gefühlter Schmerz durch meine innersten Regionen. Was war das?

"Guten Morgen", murmelte Vishous gerade zu fröhlich und verschwand dann in Windeseile im Bad. Guten Morgen? Wieso konnte er normal rumlaufen und ich nicht?

Murrend versuchte ich mich langsam an meinen Unterarmen hoch zu drücken. Ich wünschte, ich hätte das niemals versucht.

Ein erneut stechender Schmerz jagte von meiner unteren Hälfte hoch, meinen gesamten Rücken entlang. "Fuuuck", gab ich genervt, mit heißerer Stimme, von mir und massierte meine Schläfen. Ich brauchte Schmerztabletten. Und einen Arzt. Jetzt.

Ich ließ mich wieder nach hinten fallen und entschied mich dafür, ohne Spiegel meine unteren Regionen zu erforschen. Nackt. Verschwitzt und eindeutig mit einer nicht allzu unbekannten Flüssigkeit überzogen. Toll, Lynel. Einfach nur fabelhaft.

Wollte ich überhaupt wissen, ob das Sperma war?

Langsam dämmerte mir nun die Erkenntnis. Dämmern, nicht erkennen.

Zum Einen kann es gar nicht Sex - mit einem Mann - gewesen sein, da ich auf jeden Fall eine Frau gesehen hatte. Mit wunderschönen Augen. Schöner als Vishous' - und ich war eindeutig nicht schwul. Auf keinen Fall. Zum Anderen bestanden in meinem Kopf jedoch alle Erinnerungen des gestrigen Abends, nur in einer riesigen Wolke aus Chaos. Mein Körper war auch ein einziges Chaos.

Endlich kam Vishous aus dem Bad und lächelte mich sanft an. Irgendwas an seinem Gesicht war anders. Waren seine Augen heller geworden? "Alles okay?", fragte er, da er anscheinend merkte wie ich ihn anstarrte, während er sich anzog. "Kannst du mir Schmerztabletten besorgen?", fragte ich und merkte wie meine Stimme etwas kraftlos schien. Den Rest konnte ich auch später hinterfragen. Musste ich später hinterfragen. Eine Wahl hatte ich ja eigentlich nicht, wenn ich wissen wollte, was passiert war. Irgendwie hatte ich jedoch Angst vor der Antwort.

Ich musste etwa zehn Minuten warten, bis Vishous mit einem Glas Wasser und Tabletten wiederkam. In dieser Zeit hatte ich mich - so gut das ging - mit meinem T-Shirt von gestern, das noch auf dem Boden lag, sauber gemacht und mir irgendwie in schmerzvollen Bewegungen meine Boxershorts angezogen.

Während ich nun alles runter-exte und die Tablette nahm, setzte sich Vishous etwas unsicher an das Bettende und sah mir zu. "Also kannst du dich an gestern erinnern?", fragte er geradezu hoffnungsvoll.

"Nicht wirklich, aber so wie du fragst, will ich das wahrscheinlich auch gar nicht oder?" Ich musterte ihn für einige Sekunden. Gerade konnte ich nicht wirklich verarbeiten, ob das das wirklich schlimmste war, was mir je in meinem Leben passiert war. Es schien auf jeden Fall so.

Da sich noch genug Restalkohol in mir befand traute ich mich sogar das offensichtlichste zu fragen.

"Bist du, naja.. schwul?"

"Ja."

Das war eine schnelle Antwort gewesen. Ich stellte das Glas auf dem Nachttisch ab und fuhr mir übers Gesicht. Ich musste noch eine halbe Ewigkeit hier verbringen. Sollte ich doch lieber auf dem Boden bei meinen Freunden schlafen?

Don't let me fall (boy x boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt