11: Ein paar Tage voller Vishous

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Das Bild meiner Eltern stand inzwischen auf meinem Nachttisch. Jeden Morgen konnte ich nun aufsehen und mich zugleich etwas besser und schlechter fühlen. Weinen konnte ich nicht mehr, aber das war wohl besser so, als wieder in eine depressive Phase zu fallen.
Alles war gut.

Kaum hatte ich das verinnerlicht, schreckte ich auf, als ein lautes Schnarchen neben mir ertönte.

"Vishous.. du..!", schrie ich schon fast. Ich machte ihm extra immer die Couch schön, nur um am nächsten Tag mit ihm in meinem Bett aufzuwachen.

Eigentlich sollte ich mich nicht beschweren; ich schlief in den letzten Tagen wieder etwas besser; genauso gut, wie nach der ersten Woche im Hotel. Er beruhigte mich einfach.

Vishous hob verwirrt den Kopf. "Mhh...?", murmelte er und sah mich an.
Ich seufzte nur und schüttelte den Kopf. Er würde so wieso nicht auf der Couch bleiben. Innerlich hatte ich auch überhaupt nichts dagegen. Mein Innerstes hatte nichts dagegen, um genau zu sein.

Vishous legte die Arme um mich und zog mich an ihn. Sein Atem hauchte gegen meine Stirn und das Blut schoss in meine Wangen.

Genaugenommen konnte man schon fast sagen, dass wir wie ein Pärchen waren. Die Realität es offiziell durchzuziehen, ließ mich aber abschrecken.
Ich kannte nur seine Person, nicht viel von seinem Hintergrund, doch kam es mir vor, als kannte ich ihn schon ewig. Wieso also nicht?

Ich schloss die Augen wieder und atmete tief durch.
"Wir sollten aufstehen", raunte ich ihm zu, rührte mich selbst jedoch nicht

"...sollten wir?" - er klang geplagt. Aber wir hatten keine andere Wahl.

Ich stützte mich auf meinen Armen ab und erhob mich langsam.
"Heute Nacht ist Neujahr! Es gibt noch viel zu tun!"

Zum Beispiel hatte ich noch kein 'Gastgeschenk' für die Party besorgt. Aber ein Laden hatte ja immer offen. Frühstück und Kaffee gab es bestimmt auch irgendwo auf dem Weg.

Ich zog mir ein Shirt über den Kopf und warf ihm auch gleich eins meiner etwas zu großen Oberteile zu. Das würde schon passen. Er würde sonst wahrscheinlich ewig brauchen, seine Tasche nach etwas 'tragbarem' zu durchsuchen. Er war ziemlich wählerisch.

Ich ließ mich nicht weiter ablenken; Gähnend zog ich mir Hose und Socken an. Es wurde langsam wirklich enorm kalt draußen, weswegen ich dann gleich ein zweites Paar drüberzog. Im Skiresort hatte man dreimal so viele Schichten angehabt.

So enthusiastisch war ich eigentlich gar nicht, auf diese Party zu gehen. Ich war eher aufgeregt. Vor allem, wenn er Lisa zum ersten mal treffen würde. Oder eher was passierte, wenn sie auf ihn traf.

Ich wusste einfach nicht, was für eine Reaktion ich erwarten sollte. Und wenn sie erfuhr, dass wir im selben Bett schliefen. Was sie ganz bestimmt nicht tat.

Hieß das eigentlich​ irgendetwas?
Waren wir schon zusammen ohne ein Wort gesagt zu haben?
Je mehr fragen ich mir selbst stellte, desto weniger verstand ich meine eigenen Gefühle.

Hatte ich nicht schon zuvor debattiert, was es nun mit uns auf sich hatte?

"Erde an Lynel, Erde an Lynel!"

Ich schreckte auf und sah zu Vishous. Das Shirt stand ihm eindeutig besser als mir. Er füllte es wenigstens aus.

"Sorry", murmelte ich, als ich realisiert hatte, dass ich für die letzten Sekunden komplett in Gedanken versunken gewesen war, und noch immer nur so starr dastand.

Vishous streichelte über meine Schulter und ließ meinen ganzen Körper kribbeln.
"Ich schätze wir holen uns dann Frühstück in der Stadt?"

Ich nickte und streckte mich noch einmal, bevor ich wirklich versuchte wach und konzentriert zu bleiben. Vielleicht etwas zu konzentriert auf Vishous.

Don't let me fall (boy x boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt