Kapitel 1.

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"Bitte!", quengelte ich. Mein Vater blätterte in der Zeitung herum und richtete seine Brille. Ihn schien meine Anwesenheit gar nicht zu interessieren.

"Nein.", antwortete er stumpf. Er war ziemlich schwer kleinzukriegen, also brauchte ich eine einwandfreie Überredungskunst.

"Bitte, Dad. Madison hat die ganze Gruppe eingeladen, da ist es doch unverschämt, dass ich nicht mitgehe. Außerdem dürfen die anderen auch. Das ist fies." Ich schob die Unterlippe vor, aber der Herr sah mich gar nicht erst an.

"Madison... ist sie nicht umgezogen?", fragte er desinteressiert. Ich verdrehte die Augen und setzte mich auf den Stuhl ihm gegenüber. Vom ganzen Betteln taten meine Füße weh.

"Nein, das war Brooklyn. Sie kommt auch mit. Bitte!" Mein Vater verstand irgendwie das Thema nicht und lachte.

"Die kleine Brooklyn? Ist sie wieder in der Stadt?" Ich seufzte. Er hatte die Aufmerksamkeitsspanne einer Ameise. Höchstwahrscheinlich machte er es extra, um mich zu nerven oder mir irgendeine Lektion zu erteilen.

"Ja, und sie fährt auch mit der Gruppe nach Clearwater. Madison's Familie hat dort ein Haus und wir dürfen die Ferien da verbringen. Das wär' doch was. Dann hast du mich den ganzen Sommer lang nicht mehr am Hals." Ich wackelte mit den Augenbrauen und er spitzte die Lippen. Wenn ich nicht mitkommen dürfte, hätte ich keine Ahnung, was ich in den drei Monaten tun sollte. Alle meine Freundinnen wären weg und ich müsste mich wahrscheinlich mit allen möglichen Serien ablenken, um sie nicht jede Minute anzurufen.

"Mira, wir wollten doch die Ferien zusammen mit der Familie verbringen." Noch ein Grund warum ich unbedingt mit musste. Den Sommer mit meinen Eltern verbringen? Eh, ich passe. "Und außerdem, du warst das ganze Jahr über in dein Zimmer. Mal ehrlich, hast du dich irgendwie aus Versehen eingeschlossen? Wie kommt es denn auf einmal, dass du unter Menschen gehen willst? Normalerweise fletschst du deine Zähne, wenn es um Sozialkontakte geht." Wieder lachte er.

"Aber das ist doch normal. Nur der Sommer wird übel langweilig. Ich muss doch irgendwelche Freizeitaktivitäten machen, nicht? Du hast die ganze Zeit versucht, mich aus mein Zimmer in die Natur zu zerren, und jetzt mache ich es sogar freiwillig. Was gibt's besseres?" Dad nahm ein Bissen von seinem Croissant, aber ich konnte jetzt noch nichts essen. Erst musste die Sache hier geregelt werden.

"Morgen kommen deine Tante und dein Onkel und wollen was mit uns unternehmen. Sie sind nicht oft zu Besuch, das weißt du. Du wirst auch Spaß mit uns hier haben. Wir könnten mit alle Mann campen gehen. Dann hast du auch Freizeitaktivitäten." Ich wusste, dass es nichts bringen würde, weiter mit ihm zu diskutieren.

"Mom!", schrie ich. Dad sah mich mit verengten Augen an, was eine Warnung darstellen sollte. Wenn Mom es mir erlaubte, dann würde er nachgeben, das klappte immer. Sie kam aus der Küche im Morgenmantel und einer Kaffeetasse in der Hand ins Esszimmer und zog eine Braue hoch. "Darf ich die Ferien über mit Madison und der Gruppe nach Clearwater?" Sie zuckte mit den Schultern und nickte. Ich klatschte aufgeregt in die Hände und sah meinen Vater triumphierend an.

"Jasmin, morgen kommt deine Schwester. Willst du Mira wirklich gehenlassen? Und das für drei Monate?", versuchte er sie zu überreden. Mein Dad war immer der strengere der Beiden gewesen, wobei meiner Mom so ziemlich alles egal war. Sie hatte auch die Hosen in der Ehe an.

"Sei nicht so ein Spießer, Milan. Ich glaube, es macht mehr Spaß die Ferien mit Freunden zu verbringen, als mit der Familie." Sie zwinkerte mir zu und führte die Tasse an ihre Lippen.

"Eben.", bestärkte ich ihre Aussage. Ich wusste, sie meinte damit ihre Schwester. Sie standen beide auf Kriegsfuß und aus Höflichkeit kam sie trotzdem immer zu Besuch und unternahm etwas mit uns, was einfach unlogisch war. Sie rieben sich ihren Wohlstand unter die Nase, obwohl das manchmal Schwindel war. Mom hatte ihr einmal erzählt, ich wäre in England auf einen Austausch, als ich mich geweigert hatte, mein Zimmer zu verlassen. Familienfeier waren immer die Schlimmsten, da wollte ich mir den Mist ersparen. Dad gab, wie erwartet, nach und ich jubelte und gab meiner Mutter ein Kuss auf die Wange. Meinen Vater umarmte ich von hinten und er lächelte ein wenig. In Rekordzeit war ich in mein Zimmer und hatte mein Handy in der Hand, womit ich sofort Maddie anrief. Auch sie jubelte und wollte vorbeikommen, um mit mir die Tasche zu packen. Binnen Minuten war sie auch schon da. Sie wohnte nicht weit von hier entfernt, also konnte sie immer recht schnell vorbeikommen.

It Was SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt