Kapitel 30.

85 35 17
                                    

"Miles, hey." Ich musste, wie immer, bei seiner Begrüßung lächeln. Ben wäre nicht mein Ben, wenn unsere Gespräche nicht so begannen. Ich spielte mit meiner Haarlocke und ließ mich rücklings auf's Bett fallen. Es überraschte mich immer noch, wie weich die Matratze war, und ich dankte Gott, dass ich den längsten Strohhalm gezogen hatte.

"Na? Wie ist es in Montana?", fragte ich und hätte mit den Augenbrauen gewackelt, wenn er mich sehen würde. Ich wusste, dass Ben's Lieblingsverwandte auf gar keinen Fall der Onkel mit den Schuhsocken war, weshalb es die Sache noch witziger machte, als er erschöpft seufzte.

"Weißt du, was es hier schönes in Montana gibt? Gar nichts. Ich meine wirklich überhaupt nichts. Egal wo man rausguckt, man sieht entweder Bäume oder nichts, weil es mitten in der Nacht ist.", beschwerte er sich und ich musste lachen.

"Ich weiß ja nicht, der Yellowstone soll wunderschön sein. Warst du da schon?" Und auch das war wieder ein Insiderwitz, weil ich genau wusste, dass Onkel Wir-Gehen-In-Den-Wald-Weil-Es-Hier-Nichts-Anderes-Gibt, wie Ben ihn manchmal nannte, ihn buchstäblich jedes mal in den Yellowstone zerrte, wenn er bei ihm zu Besuch war.

"Fang jetzt nicht da mit an. Streu kein Salz auf die Wunde, ich warne dich." Wieder lachte ich und ich konnte mir sein genervtes Gesicht bildlich vorstellen. "Auf jeden Fall hat Onkel Travis mir Geld und eine Einkaufsliste gegeben, damit ich ein paar Sachen aus dem... na ja, sagen wir Supermarkt besorge."

"Okay, und was genau ist jetzt das Problem?", fragte ich leicht verwirrt und er zog die Luft zischend ein.

"Uhm, vielleicht hat er einfach vergessen, dass wir immer noch in Amerika sind. Mag ja sein, dass wir außerhalb der verdammten Zivilisation gefangen sind, mit einem Tankstellenshop weit und breit, aber trotzdem gelten hier die sehr umfangreichen und regulären Gesetze, also darf ich kein Alkohol kaufen. Leider werde ich jetzt wohl mit leeren Händen nach Hause kommen müssen, weil auf dem Einkaufszettel nichts anderes steht."

"Dein Onkel hat ein Alkoholproblem, das weißt du, ja?" Er lachte nervös. Wahrscheinlich stand er immer noch im Laden. "Wie auch immer, nimm einfach irgendwelche Pralinen mit. Da ist immer Alkohol drin. Vielleicht stellt ihn das für einige Sekunden ruhig." Ich war seinem Onkel schon mal begegnet, und er war wirklich nett, aber die Finger von der Flasche lassen sollte er trotzdem.

"Haha, ja. Hör zu, ich muss jetzt auflegen. Der Kassierer guckt mich komisch an." Ich hatte ihn lange nicht mehr so nervös gehört und fand es wirklich witzig. Das wusste er auch. Nach kurzer Zeit war die Leitung tot und mein Kumpel in Montana war auf sich allein gestellt. Mir ging es da nicht anders. Vielleicht hatte ich gestern Nacht gesagt, dass ich die anderen mit einweihen wollte, aber wie befürchtet fehlte mir jetzt der Mumm.

Zögernd verließ ich das Zimmer und gesellte mich zu Madison nach unten, die vor dem Fernseher auf dem Boden saß und eine Schüssel mit Frühstücksflocken löffelte. Ich fand es immer noch komisch, dass sie die ohne Milch aß. Ich meine, das sollte per Gesetz verboten werden.

"Du solltest früher ins Bett, Maddie. Du siehst scheiße aus.", sagte ich, als ich mich auf die Couch setzte. Sie sah mich mit unschuldigen, grünen Augen an, während sie schnell kaute, damit sie mir wahrscheinlich etwas sagen konnte, ohne dass die ganze Schachtel Cheerios, mit denen sie den Hunger einer Familie stillen konnte, aus ihren Mund fielen. Als sie alles mühsam runterschluckte, und zum Wort ansetzen wollte, kriegte sie Schluckauf. Ich musste kichern. Das war die Strafe dafür, dass sie die ohne Milch runterwürgte.

Es klopfte und ich sprang regelrecht auf und rannte fast zur Tür. Ohne zu stolpern, was unbedingt gesagt werden musste. Meine Schultern sackten vor Enttäuschung leicht zusammen, als ich Scott statt Heath vor der Tür sah. Na ja, was hatte ich erwartet? Vielleicht war es auch besser so.

It Was SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt