58 | disappear

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>> F E L I X <<
(ein letztes mal..)

Es war dunkel und kalt, als ich das Haus verließ. Alle schliefen, nur ich wollte raus. Einen klaren Kopf kriegen.

Zügig lief ich durch die Stadt bis ich etwas abgelegen an den Wald kam. Ich hörte hier und da ein Rascheln, ein Geräusch, dass ich nicht zuordnen konnte. Eigentlich war ich ein Schisser, was draußen alleine nachts betraf, doch gerade interessierte es mich wenig. Auf einmal spürte ich etwas flüssiges an meiner Stirn runterlaufen. Ich blieb geschockt stehen und fasste mir mit zittrigen Händen an die Stelle. Blut? Schweiß? Ich konnte es nicht erkennen. Auf einmal schlug mein Herz schneller.

"Keine Angst." Und wie ich Angst hatte! Alles in mir schien zu explodieren. Ich stand noch immer wie festgefroren da, als plötzlich hinter mir jemand meinen Namen sagte. Ich drehte mich nicht um, nein, ich rannte um mein Leben. Jemand verfolgte mich, ich hörte und spürte das. Mein Atem verschnellerte sich Augenblicklich und meine Beine trugen mich so weit sie könnten. "Gleich hast du's, Felix", redete ich mir selbst ein, als ich über all die Steine, Baumstämme hinüber huschte.

Irgendwann konnte ich nicht mehr, blieb stehen und drehte mich panisch um. Niemand hier. Niemand da. Es wurde komplett still, und ich hörte nur meine eigenen Atemzüge. Ich hörte ein Schuss und mein Kopf schellte in alle Richtungen. Blitzschnell tauchte jemand neben mir auf, und bevor ich was sagen konnte, sprach die Person schon: "Renn."
___

Keuchend wachte ich auf und saß Kerzengerade im Bett. Ich tastete alles um mich herum ab. Alles war weich. Ein Bett. Mein Atem beruhigte sich langsam, als ich auf einmal noch einen Schuss hörte. Ich sah auf die einzige Lichtquelle in dem Zimmer, in dem ich mich befand. Der Fernseher. "Kein Wunder dass ich Albträume habe, wenn der Tatort noch läuft", dachte ich und sah mich um. Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und nun erkannte ich das Zimmer meines Freundes. Erleichtert atmete ich hörbar aus. "

Alles okay?", hörte ich ihn in diesem Moment sprechen. Ich zuckte zusammen und schlug ihn reflexmäßig. "Au", stöhnte er schmerzvoll auf. "T-tut mir leid, ich hab schlecht geträumt", erklärte ich und stand vom Bett auf, um die Fernbedienung zu suchen.

Ich schaltete den Fernseher aus und tastete mich in der Dunkelheit bis zum Bett. Seufzend setzte ich mich hin und rieb mir die Augen. "Komm wieder her, Felix", murmelte Rewi müde und drückte sein Gesicht noch mehr in sein Kissen. Ich spürte seine Hand, die nach meiner Griff und behutsam über diese strich. "Alles wird gut", nuschelte er. "Alles is' okay", versuchte er mich zu beruhigen, da er meine Unsicherheit bemerkte. Ich machte keine Anstalten, mich wieder hinzulegen. "Wird es das?" fragte ich, eher mich selber. "Hm?" machte er nur. "Ab morgen bist du weg."

Ich hielt erfolgreich meine Tränen zurück. Zwei ganze Monate hatte ich nicht geweint. Nicht einmal daran gedacht, dass Rewi bald nicht mehr hier sein würde. Juli und August waren die schönsten Monate, die ich je erlebt habe. Wir waren zusammen im Urlaub, haben aus jedem Tag etwas besonderes und schönes gemacht. Ich habe jede Stunde genossen und jede Sekunde mit dem Menschen den ich am meisten liebe verbracht. Wir haben gezeltet, haben mit Freunden innerhalb zwei Wochen einen Roadtrip durch verschiedene Städte (leider nur in Deutschland) gemacht, sind mit unserer Familie nach Kroatien an den Strand geflogen und zuhause sind wir fast jeden Tag bis spät Abends mit unseren Freunden rausgegangen, haben Musik gehört und haben den Sommer zu was unglaublich besonderem gemacht.

Doch es war September, das neue Schuljahr beginnt am Montag, übermorgen. Heute war Samstag. Der Tag, vor dem ich mich wochenlang gedrückt habe und der bisher noch nie so nah war, wie jetzt.

Ich schniefte, verlor allerdings keine Träne. Ich wollte nicht weinen. Ich würde das schaffen! Vor den Sommerferien habe ich oft genug geweint.

Rewi zog mich zu ihm runter und ich legte meinen Kopf in seine Halsbeuge. Er nahm mich in seinen Arm, fuhr mir durch die Haare, strich mir sanft über den Rücken und drückte mir pausenlos kleine Küsse auf die Stirn. Er tat das so lange, bis ich wieder einschlief, und zwar dieses Mal ohne einen Albtraum.

Und noch nie habe ich mir so dringend gewünscht, dass die Nacht nicht so schnell vorbeigeht.
___

:(

Rewilz || Geschwister sollen sich nicht küssen!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt