Finstere Gedanken gegen Dunkle Klingen

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Monate vergingen, ohne dass irgendwo nennenswerte Ereignisse geschahen. Die Taten der Nachtigall, die durch das Archipel mit ihrem Schutzgeist und dem Skrill streifte, wurden zur Normalität. Manche hielten immer noch am Drachentöten und an der Piraterie fest, doch war die Zahl stark gesunken.
Um die größten Piratenbanden hatte sich Hicca gekümmert, besser gesagt um die Anführer. Dabei handelte sie nach dem Motto: Schlag der Schlange den Kopf ab und der Rest ihres Körpers verkümmert.
Doch was das Drachentöten anging, so gab es noch immer zwei Stämme, die stur daran festhielten: Die Verbannten und die Berserker. Das Problem war nur, dass Hicca nie an Alvin oder Dagur herankam. Entweder waren sie nicht aufzufinden oder sie waren gut bewacht, sodass kein Angriff gelingen konnte. Dass sie Anti-Drachen Waffen hatten, machte es nicht gerade leichter. So konnte sie auch weder Ohnezahn noch Blitzflamme als Ablenkung guten Gewissens riskieren. Sie beide waren seltene Drachen, auch wenn niemand so richtig etwas über ihren Nachtschatten wusste. Es wusste nicht einmal jemand, dass er überhaupt ein Nachtschatten war. Doch konnte Hicca nicht riskieren, dass jemand die beiden oder auch nur einen von ihnen zu fassen bekam. Wenn dies nämlich eintrat, würde man die beiden aufgrund ihrer Seltenheit auf der Stelle töten und sie sich als unbezahlbare Trophäen an die Wand nageln lassen.
Und das würde sie auf keinen Fall zulassen. Eher würde sie sich für die beiden opfern, als zuzulassen, dass es andersherum geschah.
Das ging sogar so weit, dass es fast geschah. Eines Nachts hatte sie sich bei einem Angriff auf die Berserker in ein Netz geworfen, dass eigentlich für Blitzflamme gedacht war.
Die Skrilldame wurde danach mit für Drachen giftigen Pfeilen davon gejagt. Doch bevor Hicca als Gefangene auf ein Schiff gebracht werden konnte, wurde sie gerade noch rechtzeitig von Ohnezahn befreit, der schnell aus den Schatten sprang und wieder mit ihr verschwand.
Die Berserker konnten nur einen kurzen Blick auf den Drachen werfen, doch es reichte nicht, um ihn als Nachtschatten zu identifizieren.
Dieses Ereignis veranlasste Hicca dazu, für den Fall aller Fälle in ihren BH eine kleine, unauffällige Tasche mit einem einzelnen Dietrich einzubauen. So konnte sie sich, selbst wenn ihre Ausrüstung abgenommen werden würde, auch ohne Hilfe befreien. Vorausgesetzt niemand kam auf irgendwelche schweinischen Gedanken.
Ihr siebzehnter Geburtstag kam schnell und pünktlich an diesem Tag nahm Valka ihre Tochter zu einer Insel voll von Drachenfängern mit. Sie waren zu fünft. Ohnezahn, Blitzflamme und Wolkenspringer, die Drachen, und selbstverständlich noch Mutter und Tochter Haddock.
Hicca hatte schon vorher kleinere Nester von Fängern überfallen, aber was sie nun sah, übertraf alles. Die Insel glich vielmehr einer Festung, die mehrere hundert voll ausgerüstete Drachenfänger beherbergte.
Da machten sich ihre Fertigkeiten bezahlt. Blitzflamme zog wie immer die Wolken zusammen, um eine undurchdringliche Finsternis zu erzeugen und Hicca nahm ihre Mutter auf Ohnezahn mit nach unten, wobei sich Wolkenspringer als Notfall-Rettungskommando im Hintergrund aufhielt.
Hicca führte ihre Mutter an der Hand durch die Finsternis und sorgte dafür, dass sie nicht stolperte und ihre Position verriet. Zur Sicherheit konzentrierte sich Hicca alle paar Sekunden, um für den Notfall die Wachen durch die Wände sehen zu können.
Kamen sie in die Nähe einer Wache, ging Hicca kurz voraus und schnitt ihm leise die Kehle auf. Dann zog sie ihn immer in eine Ecke, damit die Leiche nicht auffallen würde.
So arbeiteten sie sich langsam bis zur Hütte des Kommandanten der Festung vor, in die sie sich auch unauffällig einschlichen.
Sobald sie jedoch ihr Ziel gefunden hatten, hielt Hicca ihm ein Messer an die Kehle und drehte ihn so, dass er Valka anschauen musste.
"Drago Blutfaust." sagte sie nur.
"Bitte wer?" fragte der Anführer der Drachenfänger gleichzeitig ängstlich und verwirrt.
"Spiel nicht den Trottel." zischte Hicca ihn an. "Drago Blutfaust. Schon mal was von ihm gehört?"
"Ihr meint den Verrückten, der glaubt, er könnte die Drachen kontrollieren? Der ist ein Idiot. Was wollt ihr denn von mir hören?" fragte er verständnislos.
"Seinen Aufenthaltsort." sagte Valka knapp. "Entweder den oder den eines einer seiner Anhänger."
"Hört zu, ich habe keine Ahnung, wo er ist oder seine Leute. Ich will keinen Ärger mit denen, deshalb halte ich mich von denen fern. Aber ihr solltet vielleicht ein wenig weiter im Norden suchen. Dort findet man mittlerweile sehr wenige Drachen. Kann ich jetzt gehen, bitte?" fragte er ein wenig panisch.
"Nein." sagte Hicca und schnitt ihm kurzerhand die Kehle durch. Er röchelte und fiel zu Boden.
Valka starrte sie fassungslos an. "Wieso hast du ihn umgebracht? Wer weiß, ob er uns nur auf eine falsche Fährte führen wollte und er vielleicht doch den Weg zu Drago kennt."
Hicca rollte mit den Augen. "Ich konnte seinen Herzschlag hören, Mutter. Er war zwar schnell, weil ich ihm ein Messer an den Hals gehalten habe, aber er war nicht ungewöhnlich schnell, was das Zeichen für eine Lüge wäre. Er hat die Wahrheit gesagt, das kannst du mir glauben. Er wusste nicht mehr Relevantes. Aber bitte: Wenn du mir nicht glaubst, durchsuch die Hütte. Ich gehe derweil Drachen befreien." sagte sie und ließ ihre Mutter stehen, während sie nach draußen schlich.
Valka seufzte, lächelte dann aber. "An ihre Fähigkeiten muss ich mich wohl erst noch gewöhnen. Sie hatte recht, sie ist eine große Unterstützung." murmelte sie. Trotzdem sah sie sich noch einmal um, nur damit sie sichergehen konnte.

Die Nachtigall von BerkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt