Als Hicca am nächsten Tag aufwachte, waren wie abgesprochen viele der Drachen, aber auch Valka, Wolkenspringer und Ohnezahn abgeflogen.
Ein kurzes Gefühl der Traurigkeit überkam Hicca, das jedoch schnell wieder verflog. "Was sorge ich mich denn. Die kommen wieder. Ich muss mich allerdings mal umsehen, was momentan im restlichen Archipel geschieht."
Daher flog sie auf Blitzflamme los. Es war für beide der erste gemeinsame Flug, deshalb gingen sie etwas vorsichtiger vor.
"Also gut, Mädchen." rief Hicca enthusiastisch. "Wir müssen mal zu Johann. Er müsste momentan irgendwo zwischen der Insel der Verbannten und den Berserker-Inseln sein. Meinst du, du schaffst das?"
Blitzflamme nickte und flog sogar ein wenig schneller.
Nach drei Stunden fanden sie den Händler, friedlich auf hoher See.
Sie näherten sich dem Heck des Schiffes, während sein Blick in Richtung Bug gerichtet war.
Sie landeten lautlos und Hicca stahl ihm unauffällig ihr Messer von der Hüfte. Dann begrüßte sie ihn mit den Worten: "Heute mal als Begrüßung keine Messer zum Werfen, Johann."
Er schrak zusammen und drehte sich um, während er seine Hüfte betastete, jedoch nur ins Leere griff. Er blickte Hicca dann aber nicht an, sondern sah an seine Hüfte.
"Suchst du das hier?" fragte sie belustigt und ließ das Messer vor seiner Nase pendeln.
Erst dann blickte er zu ihr auf und seine Miene erhellte sich. "Oh, ihr seid es. Ungewöhnlich, euch mal am Tag zu sehen, Nachtigall. Ihr habt mir wohl euer Messer geklaut, damit diese Begegnung nicht so läuft wie unsere letzte, wie?" fragte er und lachte.
Hicca grinste unter ihrer Maske. "Das war meine Absicht." Dann reichte sie ihm wieder das Wurfmesser. "Ich möchte dir jemanden vorstellen." sagte sie und zeigte dann auf Blitzflamme.
Johann zuckte kurz zurück, bevor er begriff. "Ist das der Skrill, mit dem ihr durch die Gegend reist?" staunte er.
"Das ist sie." sagte Hicca stolz. "Johann, das ist Blitzflamme. Blitzflamme, das ist Johann. Möchtest du sie einmal berühren?" fragte sie den Händler.
"Wirklich?" fragte Johann. "Nicht, dass ich grundsätzlich etwas dagegen hätte, aber meint ihr nicht, dass sie vielleicht aggressiv reagieren könnte?"
Hicca schüttelte belustigt den Kopf. "Unsinn. Sie weiß, dass du Angst vor ihr hast. Sie versteht dein Verhalten ihr gegenüber. Wenn sie nicht angefasst werden will, knurrt sie vielleicht oder fliegt ein paar Meter weg von dir, aber die Hand abbeißen wird sie dir nicht." erklärte sie und nahm dann seine Hand. "Komm schon, ich helfe dir."
Johann ließ sich nur zögerlich mitziehen und schloss ein wenig ängstlich die Augen, als sich seiner Hand der Nase des überall gefürchteten Skrill näherte. Doch schließlich spürte er warme Schuppen an seiner Hand und das zufriedene Knurren der Skrilldame.
Er öffnete wieder die Augen und blickte direkt in die von Blitzflamme. "Unglaublich." staunte er.
"Sie scheint dich zu mögen." sagte Hicca. "Aber ich habe ein paar Fragen. Du kannst sie ruhig kraulen, wenn du willst."
"Gerne." sagte der Händler und kratzte Blitzflamme ein wenig an der Nase, was für sie wie eine Art Massage war. "Stellt eure Fragen und ich werde versuchen, sie euch zu beantworten."
"In Ordnung. Ich war einige Wochen weg, also was ist während dieser Zeit hier passiert? Irgendwelche gravierenden Ereignisse, von denen ich wissen sollte?"
Johann wurde nachdenklich und seine Miene verfinsterte sich ein wenig. Doch er kraulte weiterhin den Skrill. "Ich war gestern auf der Insel der Verbannten. Viele haben davon geprahlt, dass sie jetzt mächtige Verbündete hätten, von denen sie auch einige neue Waffen und Kriegsmaschinen erhalten hätten. Sie wollen Berk angreifen."
Hicca erbleichte. Sie musste unbedingt nach Berk, wenn Grobian und Gothi in Gefahr waren. "Was für Verbündete?"
Johann zögerte einen Moment. "Römer." brachte er dann hervor.
"Blitzflamme, wir fliegen nach Berk. Jetzt." rief sie und stieg auf den Drachen. "Tut mir leid, Johann, aber ich habe gerade nichts als Bezahlung dabei."
Er winkte ab. "Ist schon in Ordnung. Den Skrill kennenlernen zu dürfen war genug der Bezahlung. Mehr als genug."
Sie nickte ihm noch dankbar zu, bevor sie schließlich abhob.
"Flieg, Mädchen. So schnell du es für möglich hälst." rief sie Blitzflamme zu.Auf Berk hatte sich nicht viel geändert. Abgesehen davon, dass Fischbein und Heidrun die ganze Zeit miteinander ausgingen und Raffnuss versuchte Ash nachzustellen, während Rotzbacke versuchte Raffnuss nachzustellen, war nicht viel los.
Alles lief wie gewohnt. Die Fischer fischten, die Holzfäller fällten Holz, die Bauern versorgten Hühner und Yaks und Grobian versorgte das Dorf mit Waffen. Die Drachen blieben wie immer aus. Sie hatten schon seit einer Weile keine mehr gesehen.
Das wunderte Ash. Bei vielen anderen Inseln tauchten sie immer noch gelegentlich auf und wurden meist gefangen, dann aber von der Nachtigall meistens befreit, bevor sie getötet werden konnten.
Er fragte sich, woran das liegen konnte. Immerhin war Berk früher nachweislich das am häufigsten von Drachen angegriffene Dorf des gesamten Archipels. Dass die Drachen nur noch selten vorbei kamen war immer noch ungewohnt.
Auf einmal hörte er jemanden hinter sich rufen: "Ash, warte!"
Er drehte sich um und sah Heidrun, die von einem erschöpften Fischbein begleitet wurde, auf sich zu rennen.
"Was ist denn?" fragte er.
"Verbannte!" keuchte Fischbein. "Wir haben sie gerade entdeckt. In einer Stunde sind sie da." Er beugte sich nach vorn und stützte seine Hände auf die Knie.
Dann meldete sich Heidrun zu Wort. "Aber etwas war seltsam." sagte sie nachdenklich. "Jedes der Schiffe hatte eine zusätzliche weiße Fahne gehisst."
"Denkt ihr, sie sind zu Verhandlungszwecken hier?" fragte Ash skeptisch.
Heidrun schnaubte verächtlich. "Wenn, dann nur um unsere sofortige Kapitulation zu fordern. Trotzdem sollten wir sie zumindest anhören. Es wäre ohnehin gegen die Ehre, einen Feind zu töten, der die weiße Flagge hisst."
Ash nickte. "In Ordnung. Sagt trotzdem den anderen, sie sollen sich eine Waffe holen und uns bei den Docks treffen. Wir können bei diesen Kerlen nicht vorsichtig genug sein."
"Das machen wir." sagte Heidrun. "Komm schon Fischbein, warnen wir die anderen. Nicht schlappmachen."
Fischbein stöhnte niedergeschlagen auf, folgte jedoch der jungen Kriegerin.
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Die Nachtigall von Berk
AcakHicca wurde als Gegner für den Riesenhaften Alptraum ausgewählt. Daher versucht sie unauffällig mit Ohnezahn abzuhauen. Durch Ash fliegt sie jedoch auf und flieht mit einigen Komplikationen, die nicht unvergessen bleiben. Drei Jahre später kommt ein...