Die Nachtigall von Berk

Friede, Freude, heile Flucht

"Verdammter Mist!" zischte die fünfzehnjährige Hicca während sie auf die Schmiede zustapfte. Sie trug das Übliche wie sonst auch immer. Eine lange, braune Hose mit einem kurzen, schwarzen Rock darüber. Außerdem warme Fellstiefel. Ihr Oberkörper wurde durch ein grünes Stoffshirt und eine braune Fellweste bedeckt. Ihre kastanienbraunen Haare, die bis zur Mitte ihres Rückens reichten, trug sie offen.
Sie brauchte irgendetwas um sich abzureagieren, also ging sie in die Schmiede und begann auf ein verbogenes Schwert einzuhämmern. Dabei stieß sie ununterbrochen Flüche aus. "Verfluchter Yakdung, warum muss so etwas immer mir passieren?"
Es hatte im Ring nur sie und Ash gegeben, einen gleichaltrigen jungen Kämpfer, talentiert mit der Axt, für gewöhnlich eine normale Hose und normale Stiefel, dafür aber stachelige Eisenschulterschützer und ein kurzes blaues Shirt.
Sie hatte seit einer Ewigkeit etwas übrig für ihn, doch das änderte sich vor einigen Tagen aus zweierlei Gründen.
Durch ihr geheimes Training mit ihrem noch geheimeren Freund und Nachtschatten Ohnezahn hatte sie bisher unbekannte Dinge über Drachen aufgedeckt. Was sie mochten, was sie verabscheuten, was sie liebten, und wovor sie sich fürchteten. Dadurch wurde sie besser und besser im Ring, bis die gesamte Aufmerksamkeit, die sonst immer auf Ash gerichtet war, nun auf ihr lag. Das nahm er Hicca übel, das wusste sie. Er war es gewohnt, der Beste zu sein und er hasste es wenn er übertrumpft wurde. Er begegnete ihr also nicht mehr abweisend wie sonst immer weil sie das angeblich nutzlose und tollpatschige Mädchen war, sondern sogar ein wenig wütend. Das nahm sie ihm wiederum sehr übel. Dass er sich nur um sich selbst scherte und es nicht zulassen wollte, dass auch andere mal gewannen.
Und dann war da noch etwas, das der 'Nadder-Zwischenfall' genannt wurde.
An diesem Tag kämpften Hicca, Ash, Rotzbacke, Fischbein und die Zwillinge Raffnuss und Taffnuss in der Arena gegen den Tödlichen Nadder.
Als Ash dabei von dem Drachen umhergescheucht wurde sprang er über Barrikaden. Klar, dass Hicca irgendwann das Pech hatte, im Weg zu sein. Er landete also auf ihr und versenkte seine Axt in ihrem Schild.
Sobald er sich versuchte aufzurichten, berührte er einige ...empfindliche Stellen am Körper des unter ihm liegenden Mädchens, was er allerdings geflissentlich ignorierte.
Er schaffte es zwar, sich zu befreien und den Nadder zurückzuschlagen, doch würdigte er Hicca keines Blickes, was ihm von ihr eine schallende Backpfeife nach dem Training bescherte, als sie ihn damit konfrontierte und anschrie.
Als sie an diesen von vielen belächelten und belachten 'Zwischenfall' dachte, begann sie wütender und stärker auf das Metall zu schlagen, bis die Klinge schließlich zerbrach.
Sie atmete schwer ein und aus und rieb sich über die schweißnasse Stirn. Mit derartiger Kraft in einer Schmiede zu arbeiten konnte bei derartiger Hitze wirklich ermüdend sein.
Sie warf die Klingenreste in die Schmelze. Das Schwert war ohnehin schon ramponiert. Sie hätte es eigentlich gleich einschmelzen können, aber sie musste einfach mal ein wenig Dampf ablassen.
Dann setzte sie sich in einen Stuhl und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Wie sie ihre Situation gerade hasste. Sie hatte sich fest vorgenommen im Hintergrund zu bleiben um Ash die Möglichkeit auf den Sieg zu geben, um den Gronkel kampfunfähig zu schlagen. Stattdessen flog der Drache zu ihr und sie musste ihn irgendwie außer Gefecht setzen, was dann dazu führte dass sie für den Kampf gegen den Riesenhaften Alptraum ausgewählt wurde.
Ash hingegen konnte sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr halten. Er schwang seine Axt brüllend umher und schrie seine gesamte Wut raus.
Hicca schüttelte bei dem Gedanken nur den Kopf. Wie konnte sie sich nur in einen solchen Idioten verliebt haben? Sie wusste wie: Sie hatte ihn nicht wirklich gekannt.
"Grobian? Bist du das da drinnen?" fragte plötzlich ein Stimme die ihr bekannt vorkam und sie aus ihren Gedanken riss.
Ohne in seine Richtung zu sehen sagte sie: "Nein Ash. Grobian ist in der großen Halle um mit den anderen meinen 'Sieg'" Dieses Wort spie sie aus als wäre es Gift. "zu feiern."
Ash kam trotzdem herein. "Umso besser, dass du hier bist, Hicca. Ich wollte mit dir reden." forderte er grimmig.
"Wie schön." antwortete sie sarkastisch. "Ich aber nicht mit dir, also mach die Biege und lass mich in Ruhe."
Er kam trotzdem herein. "Kannst du meine Axt schärfen?" fragte er aus heiterem Himmel.
Sie seufzte genervt. "Willst du wieder deinen glorreichen Kampf gegen die Bäume führen? Kleiner Hinweis am Rande: Das nutzt deine Axt sehr stark ab. Probiers lieber mit Steinen, dann machst du das nie wieder und ich habe weniger zu schleifen." meinte sie schnippisch und versuchte die Axt aus ihren Armen zu reißen.
Er hielt sie jedoch eisern fest und nutzte die Gelegenheit um sie am Arm heran zu ziehen. Sie stieß einen überraschten Laut aus, als sie durch die ruckartige Bewegung aus dem Gleichgewicht gerissen und von Ash aufgehalten wurde. Sie standen sich nun eng gegenüber.
"Und was soll das werden wenn es fertig ist?" fragte sie genervt errötete aber auch ungewollt ein wenig.
"Ich will wissen was hier los ist." sagte er und versperrte ihr mit der Axt den Fluchtweg aus seinem Griff. "Keiner wird von heute auf morgen so gut wie du. Und schon gar nicht du." Er zog seine Axt näher an sich und Hicca blieb nichts anderes übrig als dieser zu folgen. "Jetzt sag schon! Trainierst du etwa heimlich? Verrate mir endlich deine kleinen Tricks!" grollte er.
Sie blieb unbeeindruckt und blickte ihm nur trotzig in das wenig entfernte Gesicht. "Weißt du, Ash, früher hätte ich gesagt, dass ich dir diese Aufgabe liebend gern überlassen würde. Aber bei allem, was du hier abziehst, kann ich dich nur schadenfreudig belächeln."
Langsam wurde er wütend. Ihr Selbstvertrauen war ihm fremd und es gefiel ihm ganz und gar nicht. "Was hab ich dir denn bitte getan, dass du mir nicht verraten willst, wie man Drachen besser tötet."
Ihre Wut kam gleichauf mit der seinen. Sie näherte sich nun selbstständig seinem Gesicht und blickte ihn eindringlich an. "Was du mir getan hast?" fragte sie bedrohlich leise. "Hörst du nicht, wie die Leute über den 'Nadder-Zwischenfall' reden? Weißt du nicht mehr, wie gut wir befreundet waren, bevor dein Vater im Kampf gegen einen Nadder starb? Bevor du dich ganz diesem Ding hingegeben hast, das ich nun fast täglich schleifen darf? Bevor du mich durchgängig ignoriert hast, weil ich nutzlos war? Ich glaube du weißt jetzt ganz genau was du mir getan hast, Ash. Das Schlimmste daran ist, finde ich, dass ich mich in so einen selbstsüchtigen und selbstgefälligen Idioten verliebt habe." zischte sie ihn an.
Die Augen des Jungen weiteten sich und er lockerte unterbewusst seinen Griff. "Du-"
"Halt die Klappe! Zieh Leine und such dir einen anderen Schmied, der dir deine verdammte Axt schleift. Ich bin fertig mit dir." knurrte sie. Dann stieß sie ihn von sich weg und er taumelte zwei Schritte zurück. Als er sich fing, sah er noch ihr wehendes Haar, das der fliehenden Hicca hinterherflog.
"Stop!" rief er ihr nach und rannte hinterher. "Bleib stehen, ich muss mit dir reden!"
Sie verschwand im Wald und er hinter ihr.