Endlich traumloser Schlaf

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Beim Essen in der großen Halle fühlte ich mich nicht wirklich besser als im Zug.

Nicht nur, dass ich immer noch furchtbar aufgewühlt wegen all dem Vorgefallenen war, nein, mein ganzes Bein schmerzte so sehr, als hätte ein Werwolf daran genagt, meine Müdigkeit brachte mich um den Verstand und noch dazu hatte ich furchtbaren Hunger.

Das alles hatte zur Folge, dass ich fast einen Heulkrampf sondergleichen während der alljährlichen Rede Direktor Dippets bekam und mich meine beste Freundin nur mit Mühe und Not davor bewahren konnte durchzudrehen.

Nein, ich saß nicht bei Tom und seinen Anhängern. Keine zehn Pferde konnten mich dazu bringen, mich erneut Lestrange und den anderen auszuliefern, geschweige denn Tom.

Auch wenn wir immer noch zusammen waren, konnte ich seine Nähe im Moment nicht ertragen. Er machte mir Angst, furchtbare Angst.

Als ich so in meinen Gedanken versunken am Tisch saß, den Kopf auf meine Hände gestützt, hatte ich gar nicht bemerkt, dass das Essen bereits im vollen Gange war.

Erst als mich Lyssa aus Versehen anrempelte, weil sie unbedingt die, vor mir liegenden, Kartoffeln haben wollte, wurde ich aus meiner Trance gerissen.

Mit vollem Mund und einem genuschelten „Entschuldigung." widmete sie sich wieder ganz ihrem Teller und beachtete mich nicht mehr.

Auch gut.

So musste ich wenigstens nicht so tun, als wäre ich in der Laune ein Gespräch zu führen.

Meine Freunde um mich komplett ausblendend, dachte ich noch einmal über den letzten Tag in Albanien nach, als Dumbledore uns gerettet hatte.

Die Erleichterung, die ich zu dieser Zeit gefühlt hatte, konnte ich immer noch spüren. Doch zu dem Gefühl der Erleichterung gesellten sich heute auch viele Fragen. Wusste der Professor denn vom Tod von Felix und, was im Moment für mich noch viel wichtiger war, wusste er von Tom's Horcrux? Schließlich hatte er uns doch die Ferien über beobachtet und so musste er doch irgendwie Wind davon bekommen haben. Oder? Außerdem musste ich mit ihm über die Vergangenheit sprechen.

Wenn es wirklich so war wie ich es mir vorstellte, dann hatte mein Bleiben hier im Endeffekt überhaupt gar keine Auswirkung auf die Zukunft und Tom würde früher oder später zu Voldemort mutieren.

Wusste Dumbledore davon?

Ich ging davon aus, schließlich wusste er alles, oder etwa nicht?

Ich blickte in die Richtung des Lehrertisches am Ende der großen Halle. Alle aßen und sahen glücklich aus, motiviert in ein neues Schuljahr gehen zu dürfen, den Schülern etwas beizubringen.

Bei diesem Anblick musste ich ungewollt an meine eigene Zeit denken.

An Fred und George, die, hätten sie mich je so traurig erlebt, mich sofort aufgeheitert hätten, ob ich es wollte oder nicht und an Professor McGonagall, die trotz ihrer Strenge und Disziplin, immer ein Lächeln auf ihren Lippen trug, wenn die oben genannten Chaoszwillinge ein Unheil angerichtet hatten. Merlin, sogar Snape ging mir im Moment ab. Mit seinen ungepflegten Haaren und der Hakennase. Ich würde gerade nur zu gerne eine grottenschlechte Note und eine Drohung dafür kassieren, nur damit ich mich wieder wie zu Hause fühlen konnte. Doch ich würde nie wieder nach Hause zurückkehren. Dabei stellte sich auch die Frage, ob ich das zu hundert Prozent auch wollte. Schließlich hielt mich etwas hier, wobei ich mir nicht sicher war, ob es nur Tom, oder auch meine Freunde waren, die ich unter keinen Umständen verlieren wollte.

Den Blick immer noch in die Ferne gerichtet, wurde ich plötzlich durch ein Rütteln an meiner Schulter zurück in die Wirklichkeit katapultiert.

Verwirrt drehte ich mich zu demjenigen um, der mich gerade, mehr oder weniger, von meinen eigenen Gedanken gerettet hatte, nur um feststellen zu müssen, dass mein Freund vor mir mit einem breiten Grinsen stand.

Vor dem Abgrund (Tom Riddle/OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt