Epilog: Alles wieder auf Anfang II

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Jahr 1946

Wie auf heißen Kohlen sitzend wartete ich auf einem Bett im Krankenflügel, der, bis auf einen anderen armen Tropfen, der sich beim Quidditchspiel wohl den Arm verrenkt haben musste und das Gesicht vor Schmerzen verzog, wie ausgestorben war.

Meine Hände zitterten wie Espenlaub und immer wieder strich ihr mir geistesabwesend eine fettige Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich ständig aus meinem Dutt löste, der wie ein Nest auf meinem Kopf wirkte, so wirr hatte ich ihn gebunden. Ich hatte mich in den letzten Wochen regelrecht schleifen lassen, was sowohl die eigene Körperhygiene und auch meine sozialen Kontakte anging. Manche würden es vermutlich depressiv nennen, ich hatte keine Ahnung was mit mir los war.

Schon vor Wochen hätte ich den Gang hierher antreten sollen, nur war ich viel zu sehr damit beschäftigt herauszufinden, was meine beste Freundin und ihr Ehemann mit Tom zu tun hatten und, vor allem, wie lange das Ganze schon so lief, wie es den Anschein machte. Noch immer hatte ich noch keine befriedigende Antwort gefunden und spätestens seit dem schlechten Ausgang des Gespräches zwischen Tom und mir vor zehn Tagen, hatte ich auch die Hoffnung und den Willen aufgegeben, noch irgendwas diesbezüglich herauszufinden. Sollten sie doch alle machen was sie wollten. Wenn Lyssa sich in die kriminellen Machenschaften hineinreißen lassen wollte, bitte. Ich musste doch nicht dabei zusehen, wie sich all die Menschen, die mir am Herzen lagen, zu Grunde richteten. Irgendwann würden sie schon selbst merken, dass sie sich nichts Gutes damit taten, Tom jetzt einfach nachzugeben. Bei mir war das schließlich etwas ganz anderes. Ich hatte ja versucht ihn aufzuhalten. Ich wollte ihn ja vor der Dunkelheit schützen, die jetzt wie eine zweite Haut auf ihm haftete. Ich hatte mein Möglichstes getan. Zumindest war es das, was ich mir einredete, um mich nicht vollkommen zu verlieren, auch wenn ich das vermutlich schon längst getan hatte.

Wie aus einer Trance wurde ich gerissen, als Madame Pomfrey schnellen Schrittes auf mich zukam, deren Absätze auf dem Steinboden ein lautes Klacken von sich gaben, das durch die hohen Decken noch lauter und bedrohlicher wirkte, als es eigentlich war. Warum ich den Mut nicht fand, einfach in ihr Gesicht zu blicken, wusste ich nicht. Wie so viele andere Dinge im Moment viel es mir verdammt schwer und machte mir Angst. Was, wenn es tatsächlich schlechter um mich stand, als ich in der vergangenen Zeit angenommen hatte? Hatte ich wirklich meine Gesundheit wegen einer Sache aufs Spiel gesetzt, die von keinem, und schon gar nicht von mir, verändert werden konnte? Warum war ich so leichtsinnig gewesen? Warum war ich es immer noch?

Nur langsam und mit schwitzigen Händen, die sich in meinem Schoß verkrampften, traute ich mich vorsichtig in das sorgenvolle Gesicht, der älteren Hexe zu blicken, nur um gleich darauf den Augenkontakt wieder abzubrechen. Egal was sie mir sagen musste, das konnte sie auch tun, wenn ich ihr nicht ins Gesicht sah. Mir fehlte ganz eindeutig die Kraft dazu, oder eine starke Schulter, an die ich mich lehnen konnte und jemand der mir zuflüsterte es würde schon alles gut werden.

Hätte ich vielleicht wenigstens Charlus einweihen sollen?

Nein, das wollte ich ihm nicht zumuten. Er hatte ja schließlich Carol und sollte auch mit ihr glücklich bleiben. Ich wäre ihnen sowieso nur ein Laster.

Ein leises, aber doch bestimmtes Räuspern riss mich aus meiner tranceartigen Starre und brachte mich, zumindest ein wenig, zurück in die Realität, die sich im Moment nur wie ein schlechter Alptraum anfühlte. Nur mühsam konnte ich mich dazu hinreißen lassen meinen Blick vom, plötzlich so interessant wirkenden, Steinboden zu heben und in das gutmütige Gesicht der Krankenschwester zu blicken. Unter normalen Umständen wäre ich vermutlich sogar beruhigt, wenn mich jemand mit einem Blick wie diesen ansehen würde, jedoch war das hier ganz und gar keine normale Situation und ich fühlte mich irgendwie hilflos und verlassen. Am liebsten hätte ich wie ein kleines Kind geheult und mich in einer Umarmung meiner Mutter zu verstecken versucht, aber das konnte ich jetzt offensichtlich nicht machen und musste ein weiteres Mal all meinen Mut zusammennehmen und stark sein. Auch, wenn ich mich schwächer als je zuvor fühlte.

Vor dem Abgrund (Tom Riddle/OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt