Nachdem ich ins Schloss zurückgekehrt bin, scheint mir alles etwas leichter zu fallen. Ich sitze im Gemeinschaftsraum und lese an Marl gelehnt ein Buch, wobei ich nach und nach einen Schokofrosch aus seiner Aluverpackung wickle und schließlich von ihm nichts, bis auf eine Schokofroschkarte übrigbleibt. Remus brütet über seinen Notizen in Verwandlung, während Pete nur abwesend ins Feuer starrt. In seiner Hand hält er ein zerknittertes Stück Pergament. Schon die ganze Zeit frage ich mich, was es ist, doch ich traue mich nicht zu fragen. Sirius und James sind im Schlafsaal. Die Sonne ist bereits am Untergehen und der Gemeinschaftsraum wird in Dämmerlicht getaucht, sodass die Flammen des Feuers im Kamin beruhigendes Licht spenden. „Pete was ist das?", will Yin leise wissen. Sie deutet auf ein Stück Papier. Peter hebt seinen Kopf und seufzt leise. Seine blauen Augen schwimmen wässrig, als er mit leicht zitternder, piepsiger Stimme sagt: „Natalies letzter Brief." Mein Herz sticht ein wenig vor Mitleid. Es ist nicht fair, dass sie wegmusste. Sie sind so glücklich gewesen. Ich lege mein Buch zur Seite und krabble zu ihm hinüber und schlinge meine Arme um ihn. Er lehnt sich an mich und atmet bebend aus. Sein Herz scheint so schwer, dass ich einen Kloß im Hals fühle. „Ich bin mir sicher, ihr geht es gut", flüstere ich leise, „und ich weiß, dass sie dich nicht vergessen wird, dass du immer einen Platz in ihrem Herzen haben wirst. Und sobald dieser Krieg vorbei ist Peter, werdet ihr wieder zueinanderfinden. Auf welche Art und Weise auch immer." „Und was, wenn ich das Ende dieses Krieges nicht erlebe?", wispert er und ich höre die Angst in seiner Stimme. Wie ein verängstigtes Kind zittert sie, unfähig sich zu festigen. „Das wirst du. Ich verspreche es dir. Wir werden ihn so schnell wie möglich beenden, das schwöre ich dir", erwidere ich und drücke ihn fester an ich. Ich merke, wie sein Atem sich beruhigt und er sich etwas entspannt. Wir werden dem allen ein Ende bereiten. Das verspreche ich nicht nur ihm, sondern dem ganzen Universum.
Ein Poltern über uns lässt mich zusammenzucken. Sirius und James. Ich springe instinktiv auf und ignoriere die Blicke der anderen Anwesenden im Gemeinschaftsraum und haste die Treppen hoch. Was ist passiert? Hoffentlich steht alles noch. Hoffentlich geht es ihnen gut. Ich nehme die Schritte der anderen wahr, die hinter mir hereilen. Noch bevor ich das Zimmer erreicht habe, höre ich die tiefen Stimmen von James und Sirius, die sich gegenseitig anschreien. Ich halte erschöpft vor der Tür inne. „Ich hab einen Fehler gemacht, ich weiß!", das ist Sirius, „Das weiß ich nur allzu gut James! Und ich bereue es. Du glaubst nicht wie sehr ich es bereue! Aber normalerweise lernt man aus seinen Fehlern! Ich weiß, dass so etwas nie wieder vorkommen wird!" „Du hattest mein Vertrauen Sirius! Mein vollstes Vertrauen und du hast es zerbrochen!" „Hattest." Nun wird er ruhiger, trauriger. „Ja hattest", auch James Stimme wird leiser, „Du warst ein Bruder für mich. Ein Bruder, für den ich durchs Feuer gegangen wäre. Aber du hast uns verraten. Weil du dich nicht im Zaum halten konntest. Du hast uns verraten Sirius. Glaub nicht, dass wir jetzt einfach so tun, als wäre nichts gewesen." Ich zucke zusammen, als etwas an einer Wand zerschellt. Dann herrscht Stille. Grausame Stille, bis James nur leise und voller Kälte meint: „Das meine ich. Ich glaube kaum, dass ich dir noch irgendwie vertrauen kann." Das sitzt. Dabei hat er doch nur versucht Gerechtigkeit in Hinsicht auf Lily walten zu lassen. Hat eher sich selbst zum Außenseiter gemacht, als dass er zugelassen hätte, das James davon erfährt. Mit einem Ruck öffnet sich die Tür und James eilt an uns vorbei. Kurz hält er inne und sieht uns mit vor Wut und Schmerz funkelnden Augen an, doch dann hastet er die Treppen hinab. Pete folgt ihm. Mein Blick fällt auf Remus Gesicht. Er ist eine steinerne Maske, doch seine blauen Augen glitzern hin und hergerissen. Dann folgt er ebenfalls James. Ich wechsle einen kurzen Blick mit Mena, die ihn verzweifelt erwidert. Wir beide scheinen uns dasselbe zu fragen. Wie konnte dieses innige band zerrissen werden. Hat Snape das von Anfang an geplant gehabt? Ich drehe mich um und mache einige zögerliche Schritte in das Zimmer hinein. Eine Flasche Butterbier ist an der Wand zerschellt und nun zieren Scherben vorwurfsvoll schimmernd den Boden. Sirius steht in der Mitte des Raums. Seine Hände sind zu Fäusten geballt, seine Miene ausdruckslos. Der Kragen seines Pullovers ist so verrutscht, dass man die Narbe eines Striemens noch erkennen kann. Eine erdrückende Aura pulsiert um ihn. Er sieht mich kaum an, mehr durch mich hindurch. Doch die Leere in seinen Augen erschreckt mich. Ihr Grau ist trüb und dumpf. Zerbrochen. So viele Dinge sind zerbrochen.
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Tollkirsche- Schwarz wie die Verzweiflung
Fanfiction| Fortsetzung von Glücksklee | | 3. Teil der Karneolreihe | (siehe Klatschmohn/Klatschmohnroter Sommer) Der Krieg ist gekommen, das kann niemand mehr bestreiten. Die Dunkelheit hat sich über unsere Welt erhoben. Die Grenze zwischen Gut und Böse wird...